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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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betäubt sie mit Beifallklatschen und Hervorruft", als wollte man sie dadurch
für die, wie es heißt, karge" Einnahmen entschädigen. Rossini's Barbier von
Sevilla hat wieder seine ewige Jugend bewährt; Wellini's und Donizetti'ö
Syrupsüßigkeiten aber grimmen im Bauch. --

Ein anderes Schauspiel, unter freiem Himmel bei Gohlis aufgeführt, hat
über fünf und zwanzig Tausend Menschen versammelt: die Hinrichtung eines,
zwanzigjährigen Unholds, der seine schwangere Geliebte auf ncufranzösisch
romantische Weise umgebracht hatte. Nach der Messe verspricht man uns
noch ein solches Schauspiel und zwar auf dem Leipziger Markte! Inzwischen
aber ist wieder ein Mord vorgefallen; und es scheint fast, als ob mit den
Hinrichtungen sich das Gelüste nach Blut unter den Verlornen Söhnen der>
menschlichen Gesellschaft steigerte. -- Anfang kommenden Monats wird die
Eisenbahn bis Altenburg eröffnet und Leipzig streckt seine eisernen Fühlhörner
dann auch bald in's Baierland hinein. -- Von Politik und Publicistik das
nächste Mal. _




Neueste Literatur.
^-H^ - I.
Die Münchener Jahrbücher für bildend" Künste

Während das Cotta'sche Kunstblatt einen Redactionswechsel erlebt, welcher
einen frischeren Aufschwung dieses Instituts erwarten läßt, treten andrerseits
R. Marggrasss Jahrbücher ihren 2ten Jahrgang in erweiterter Form an.
Statt der Unregelmäßigkeit, mit welcher bisher die Lieferungen der Jahr¬
bücher erschienen, werden sie von nun an in vierteljährigen Heften aus¬
gegeben. Sehen wir hierin den erfreulichen Beweis, daß dieses tüchtige
und bedeutende Organ deutscher Kunstinteressen einen festen Fuß im Publikum
gesaßt hat: sehen wir hierin das schöne Aelchen, daß, während Deutschland sei¬
ner politischen Großjährigkeit mit immer entschiedeneren Schritten entgegen¬
geht, es auch aus dem Gebiete der Kunst das nachholt, was es in jahrelanger
Apathie vernachlässigt hat. So wahr ist es, daß ein tiefer, stiller Zusammen¬
hang zwischen dem Kunstleben und dem politischen Bewußtsein einer Nation
eristirt. Daß ein so ernstes Institut, wie die Münchener Jahrbücher, Wurzeln
schlagen kann, spricht lauter für den Triumph, den die Kunst in Deutschland
feiert, als der ganze Flitterenthusiasmus, mit dem der Haufe den SicgeSwagen



Herausgegcvcn von v,-. R. Marggraff. Zw-leer Jahrgang. München l8iZ.
Mit artistischen Beilagen.

betäubt sie mit Beifallklatschen und Hervorruft», als wollte man sie dadurch
für die, wie es heißt, karge» Einnahmen entschädigen. Rossini's Barbier von
Sevilla hat wieder seine ewige Jugend bewährt; Wellini's und Donizetti'ö
Syrupsüßigkeiten aber grimmen im Bauch. —

Ein anderes Schauspiel, unter freiem Himmel bei Gohlis aufgeführt, hat
über fünf und zwanzig Tausend Menschen versammelt: die Hinrichtung eines,
zwanzigjährigen Unholds, der seine schwangere Geliebte auf ncufranzösisch
romantische Weise umgebracht hatte. Nach der Messe verspricht man uns
noch ein solches Schauspiel und zwar auf dem Leipziger Markte! Inzwischen
aber ist wieder ein Mord vorgefallen; und es scheint fast, als ob mit den
Hinrichtungen sich das Gelüste nach Blut unter den Verlornen Söhnen der>
menschlichen Gesellschaft steigerte. — Anfang kommenden Monats wird die
Eisenbahn bis Altenburg eröffnet und Leipzig streckt seine eisernen Fühlhörner
dann auch bald in's Baierland hinein. — Von Politik und Publicistik das
nächste Mal. _




Neueste Literatur.
^-H^ - I.
Die Münchener Jahrbücher für bildend« Künste

Während das Cotta'sche Kunstblatt einen Redactionswechsel erlebt, welcher
einen frischeren Aufschwung dieses Instituts erwarten läßt, treten andrerseits
R. Marggrasss Jahrbücher ihren 2ten Jahrgang in erweiterter Form an.
Statt der Unregelmäßigkeit, mit welcher bisher die Lieferungen der Jahr¬
bücher erschienen, werden sie von nun an in vierteljährigen Heften aus¬
gegeben. Sehen wir hierin den erfreulichen Beweis, daß dieses tüchtige
und bedeutende Organ deutscher Kunstinteressen einen festen Fuß im Publikum
gesaßt hat: sehen wir hierin das schöne Aelchen, daß, während Deutschland sei¬
ner politischen Großjährigkeit mit immer entschiedeneren Schritten entgegen¬
geht, es auch aus dem Gebiete der Kunst das nachholt, was es in jahrelanger
Apathie vernachlässigt hat. So wahr ist es, daß ein tiefer, stiller Zusammen¬
hang zwischen dem Kunstleben und dem politischen Bewußtsein einer Nation
eristirt. Daß ein so ernstes Institut, wie die Münchener Jahrbücher, Wurzeln
schlagen kann, spricht lauter für den Triumph, den die Kunst in Deutschland
feiert, als der ganze Flitterenthusiasmus, mit dem der Haufe den SicgeSwagen



Herausgegcvcn von v,-. R. Marggraff. Zw-leer Jahrgang. München l8iZ.
Mit artistischen Beilagen.
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[0248] betäubt sie mit Beifallklatschen und Hervorruft», als wollte man sie dadurch für die, wie es heißt, karge» Einnahmen entschädigen. Rossini's Barbier von Sevilla hat wieder seine ewige Jugend bewährt; Wellini's und Donizetti'ö Syrupsüßigkeiten aber grimmen im Bauch. — Ein anderes Schauspiel, unter freiem Himmel bei Gohlis aufgeführt, hat über fünf und zwanzig Tausend Menschen versammelt: die Hinrichtung eines, zwanzigjährigen Unholds, der seine schwangere Geliebte auf ncufranzösisch romantische Weise umgebracht hatte. Nach der Messe verspricht man uns noch ein solches Schauspiel und zwar auf dem Leipziger Markte! Inzwischen aber ist wieder ein Mord vorgefallen; und es scheint fast, als ob mit den Hinrichtungen sich das Gelüste nach Blut unter den Verlornen Söhnen der> menschlichen Gesellschaft steigerte. — Anfang kommenden Monats wird die Eisenbahn bis Altenburg eröffnet und Leipzig streckt seine eisernen Fühlhörner dann auch bald in's Baierland hinein. — Von Politik und Publicistik das nächste Mal. _ Neueste Literatur. ^-H^ - I. Die Münchener Jahrbücher für bildend« Künste Während das Cotta'sche Kunstblatt einen Redactionswechsel erlebt, welcher einen frischeren Aufschwung dieses Instituts erwarten läßt, treten andrerseits R. Marggrasss Jahrbücher ihren 2ten Jahrgang in erweiterter Form an. Statt der Unregelmäßigkeit, mit welcher bisher die Lieferungen der Jahr¬ bücher erschienen, werden sie von nun an in vierteljährigen Heften aus¬ gegeben. Sehen wir hierin den erfreulichen Beweis, daß dieses tüchtige und bedeutende Organ deutscher Kunstinteressen einen festen Fuß im Publikum gesaßt hat: sehen wir hierin das schöne Aelchen, daß, während Deutschland sei¬ ner politischen Großjährigkeit mit immer entschiedeneren Schritten entgegen¬ geht, es auch aus dem Gebiete der Kunst das nachholt, was es in jahrelanger Apathie vernachlässigt hat. So wahr ist es, daß ein tiefer, stiller Zusammen¬ hang zwischen dem Kunstleben und dem politischen Bewußtsein einer Nation eristirt. Daß ein so ernstes Institut, wie die Münchener Jahrbücher, Wurzeln schlagen kann, spricht lauter für den Triumph, den die Kunst in Deutschland feiert, als der ganze Flitterenthusiasmus, mit dem der Haufe den SicgeSwagen Herausgegcvcn von v,-. R. Marggraff. Zw-leer Jahrgang. München l8iZ. Mit artistischen Beilagen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/248>, abgerufen am 23.07.2024.