Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester. O Niobe! O Niobe! Auf ewig Stein! O weh! O weh! Ein Stein fürwahr, der ewig weint, Hat Menschheit mehr in sich vereint, Als aller Engel durst'ge Schaar, In denen Sund' und Schmerz ist gar. Drum wär' ich lieber solcher Stein, Als bei den Engeln in Himmelsschein. Alles dies sagte Feuerbach in dem seltsamen Buche blos gegen Du kannst nur Einmal sein, Ergib Dich willig drein. Einmal ist alles Wahre nur, Einmal der Geist, Einmal Natur. Dem, was sich zählen, theilen läßt, Ist aller Geist schon ausgepreßt. Das Müde, Welle, schlappig Weiche, Der Schlaf, der Tod, Schwindsucht'ge Bleiche, Der aufgewärmte Kohl, der Brei, DaS abgeschmackte Einerlei, Die ungesalznen Judenmatzen, Mordsucht, sentimentale Fratzen, Kopfhängeret, ohnmcicht'ges Sehnen, Pietisterei, langweil'ges Gähnen, Die Wassersuppen, eselsgrau, Der Mysticismus bleich und flau, Geschwulst, Erbrechung, Ueberdruß, Krankheit und eiternder Ueberfluß, Dies Wesen ohne Trieb und Kraft, Ohr' Wesen, Farbe, Leben, Saft, O Niobe! O Niobe! Auf ewig Stein! O weh! O weh! Ein Stein fürwahr, der ewig weint, Hat Menschheit mehr in sich vereint, Als aller Engel durst'ge Schaar, In denen Sund' und Schmerz ist gar. Drum wär' ich lieber solcher Stein, Als bei den Engeln in Himmelsschein. Alles dies sagte Feuerbach in dem seltsamen Buche blos gegen Du kannst nur Einmal sein, Ergib Dich willig drein. Einmal ist alles Wahre nur, Einmal der Geist, Einmal Natur. Dem, was sich zählen, theilen läßt, Ist aller Geist schon ausgepreßt. Das Müde, Welle, schlappig Weiche, Der Schlaf, der Tod, Schwindsucht'ge Bleiche, Der aufgewärmte Kohl, der Brei, DaS abgeschmackte Einerlei, Die ungesalznen Judenmatzen, Mordsucht, sentimentale Fratzen, Kopfhängeret, ohnmcicht'ges Sehnen, Pietisterei, langweil'ges Gähnen, Die Wassersuppen, eselsgrau, Der Mysticismus bleich und flau, Geschwulst, Erbrechung, Ueberdruß, Krankheit und eiternder Ueberfluß, Dies Wesen ohne Trieb und Kraft, Ohr' Wesen, Farbe, Leben, Saft, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0019" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266636"/> <lg xml:id="POEMID_3" prev="#POEMID_2" type="poem"> <l> O Niobe! O Niobe!<lb/> Auf ewig Stein! O weh! O weh!<lb/> Ein Stein fürwahr, der ewig weint,<lb/> Hat Menschheit mehr in sich vereint,<lb/> Als aller Engel durst'ge Schaar,<lb/> In denen Sund' und Schmerz ist gar.<lb/> Drum wär' ich lieber solcher Stein,<lb/> Als bei den Engeln in Himmelsschein.</l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_27"> Alles dies sagte Feuerbach in dem seltsamen Buche blos gegen<lb/> die Vorstellung der ewigen Himmelsfreuden, wo er bei ewig Psaltern<lb/> und Harfen nur Langweile absehen kann. Das Leben, das mensch¬<lb/> liche Leben als solches, wie es in Lust und Schmerz getheilt ist,<lb/> die Freude, welche auf dem Boden der Trauer gründet und die<lb/> Trauer, welche sich in Wonne verklärt, das ist sein wahres Leben,<lb/> sein einziges. Zwei Leben hintereinander sind ihm unerträglich,<lb/> noch mehr als unbegreiflich.</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_4" type="poem"> <l> Du kannst nur Einmal sein,<lb/> Ergib Dich willig drein.<lb/> Einmal ist alles Wahre nur,<lb/> Einmal der Geist, Einmal Natur.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg xml:id="POEMID_5" type="poem" next="#POEMID_6"> <l> Dem, was sich zählen, theilen läßt,<lb/> Ist aller Geist schon ausgepreßt.<lb/> Das Müde, Welle, schlappig Weiche,<lb/> Der Schlaf, der Tod, Schwindsucht'ge Bleiche,<lb/> Der aufgewärmte Kohl, der Brei,<lb/> DaS abgeschmackte Einerlei,<lb/> Die ungesalznen Judenmatzen,<lb/> Mordsucht, sentimentale Fratzen,<lb/> Kopfhängeret, ohnmcicht'ges Sehnen,<lb/> Pietisterei, langweil'ges Gähnen,<lb/> Die Wassersuppen, eselsgrau,<lb/> Der Mysticismus bleich und flau,<lb/> Geschwulst, Erbrechung, Ueberdruß,<lb/> Krankheit und eiternder Ueberfluß,<lb/> Dies Wesen ohne Trieb und Kraft,<lb/> Ohr' Wesen, Farbe, Leben, Saft,</l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
O Niobe! O Niobe!
Auf ewig Stein! O weh! O weh!
Ein Stein fürwahr, der ewig weint,
Hat Menschheit mehr in sich vereint,
Als aller Engel durst'ge Schaar,
In denen Sund' und Schmerz ist gar.
Drum wär' ich lieber solcher Stein,
Als bei den Engeln in Himmelsschein.
Alles dies sagte Feuerbach in dem seltsamen Buche blos gegen
die Vorstellung der ewigen Himmelsfreuden, wo er bei ewig Psaltern
und Harfen nur Langweile absehen kann. Das Leben, das mensch¬
liche Leben als solches, wie es in Lust und Schmerz getheilt ist,
die Freude, welche auf dem Boden der Trauer gründet und die
Trauer, welche sich in Wonne verklärt, das ist sein wahres Leben,
sein einziges. Zwei Leben hintereinander sind ihm unerträglich,
noch mehr als unbegreiflich.
Du kannst nur Einmal sein,
Ergib Dich willig drein.
Einmal ist alles Wahre nur,
Einmal der Geist, Einmal Natur.
Dem, was sich zählen, theilen läßt,
Ist aller Geist schon ausgepreßt.
Das Müde, Welle, schlappig Weiche,
Der Schlaf, der Tod, Schwindsucht'ge Bleiche,
Der aufgewärmte Kohl, der Brei,
DaS abgeschmackte Einerlei,
Die ungesalznen Judenmatzen,
Mordsucht, sentimentale Fratzen,
Kopfhängeret, ohnmcicht'ges Sehnen,
Pietisterei, langweil'ges Gähnen,
Die Wassersuppen, eselsgrau,
Der Mysticismus bleich und flau,
Geschwulst, Erbrechung, Ueberdruß,
Krankheit und eiternder Ueberfluß,
Dies Wesen ohne Trieb und Kraft,
Ohr' Wesen, Farbe, Leben, Saft,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |