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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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zum Menschen und zum Philosophen nicht blos der natus >,uru" deö
Denkens, sondern auch der "ctus imnnrns, aber mixtus der Leidenschaft,
der sinnlichen Receptivität. Ihm ist die Philosophie "nicht Professoren-
Angelegenheit, sondern Sache deS Menschen, des ganzen freien Men¬
schen"- der vor Allem nicht in daS Geschlecht der Wiederkäuer gehört.

Feuerbach saß in Berlin zu Hegel'S Füßen, von ihm erfüllt
ging er von der Theologie zur Philosophie über. Aber Berlin,
die berliner Philosophie und das berliner Weißbier war nicht für
ihn; er verdarb sich den Magen daran, ja er kehrte halb schwind,
süchtig in sein heimisches Ansbach zurück, wo sein Vater, der berühmte
Criminalist, der das Abbitten vor dem Bilde des Königs Ludwig
von Baiern erfunden, in wichtiger Stellung fungirte. -- Es galt
nun, von dem Rausche der Spekulation dieser "betrunkenen Philosophie"
sich zu ernüchtern und aus den metaphysischen Wolken wieder festen
Fuß auf Gottes reicher Erde zu fassen, aus der Zirbeldrüse wieder
herab in's lebendige Herz zu steigen. Erlangen, wo er als Privat
docent auftrat, diese mit Recht berüchtigte "Geistessteppe," konnte
ihm nicht daS geeignete Klima zum Gesunden geben. Er fand keine
Zuhörer und ging. DaS nahe Nürnberg gab dem unruhig wühlen
den und gährenden Geiste wenigstens ein heitergenüßliches Volks¬
leben, eine alterthümliche, in sich einheitsvolle, harmlose Stadt, eine
alte Bibliothek und köstliche Bände in Schweinsleder auf dem präch¬
tigen Trödelmarkt. Das war seine Lust, darin zu suchen und zu
naschen, was seinen Grillen, seinen Trieben und Gelüsten schmeckte.
Er vergrub sich gleich dem gespenstigen Professor Danaer, seinem
Freunde, in die aufgespeicherten Lieblinge und legte hier den Grund
zu der seltsamen, fast abentheuerlichen, recht Jean- Paulischen Ge¬
lehrsamkeit, der mehr eine Curiositätensucht als eine wissenschaftliche
Richtung zu Grunde lag.

Wie es in ihm glühte, kochte und gcihrte, damals, zeigt auf
höchst interessante Weise seine Erstlingsschrift, die, von einem Freunde
und anonym herausgegeben, er selbst eine in jeder Beziehung namen-
lose nennt und wenigstens in der vorliegenden Form nicht als die
seinige anerkennt. 'Jugendlicher Uebermuth und ungezügelte Leiden¬
schaft deö Gedankens und Wortes überstürzt sich fast in diesen
/-Gedanken über Tod und Unsterblichkeit." Der Fluch der gesammten


zum Menschen und zum Philosophen nicht blos der natus >,uru« deö
Denkens, sondern auch der »ctus imnnrns, aber mixtus der Leidenschaft,
der sinnlichen Receptivität. Ihm ist die Philosophie „nicht Professoren-
Angelegenheit, sondern Sache deS Menschen, des ganzen freien Men¬
schen"- der vor Allem nicht in daS Geschlecht der Wiederkäuer gehört.

Feuerbach saß in Berlin zu Hegel'S Füßen, von ihm erfüllt
ging er von der Theologie zur Philosophie über. Aber Berlin,
die berliner Philosophie und das berliner Weißbier war nicht für
ihn; er verdarb sich den Magen daran, ja er kehrte halb schwind,
süchtig in sein heimisches Ansbach zurück, wo sein Vater, der berühmte
Criminalist, der das Abbitten vor dem Bilde des Königs Ludwig
von Baiern erfunden, in wichtiger Stellung fungirte. — Es galt
nun, von dem Rausche der Spekulation dieser „betrunkenen Philosophie"
sich zu ernüchtern und aus den metaphysischen Wolken wieder festen
Fuß auf Gottes reicher Erde zu fassen, aus der Zirbeldrüse wieder
herab in's lebendige Herz zu steigen. Erlangen, wo er als Privat
docent auftrat, diese mit Recht berüchtigte „Geistessteppe," konnte
ihm nicht daS geeignete Klima zum Gesunden geben. Er fand keine
Zuhörer und ging. DaS nahe Nürnberg gab dem unruhig wühlen
den und gährenden Geiste wenigstens ein heitergenüßliches Volks¬
leben, eine alterthümliche, in sich einheitsvolle, harmlose Stadt, eine
alte Bibliothek und köstliche Bände in Schweinsleder auf dem präch¬
tigen Trödelmarkt. Das war seine Lust, darin zu suchen und zu
naschen, was seinen Grillen, seinen Trieben und Gelüsten schmeckte.
Er vergrub sich gleich dem gespenstigen Professor Danaer, seinem
Freunde, in die aufgespeicherten Lieblinge und legte hier den Grund
zu der seltsamen, fast abentheuerlichen, recht Jean- Paulischen Ge¬
lehrsamkeit, der mehr eine Curiositätensucht als eine wissenschaftliche
Richtung zu Grunde lag.

Wie es in ihm glühte, kochte und gcihrte, damals, zeigt auf
höchst interessante Weise seine Erstlingsschrift, die, von einem Freunde
und anonym herausgegeben, er selbst eine in jeder Beziehung namen-
lose nennt und wenigstens in der vorliegenden Form nicht als die
seinige anerkennt. 'Jugendlicher Uebermuth und ungezügelte Leiden¬
schaft deö Gedankens und Wortes überstürzt sich fast in diesen
/-Gedanken über Tod und Unsterblichkeit." Der Fluch der gesammten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/13>, abgerufen am 23.07.2024.