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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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werden. Er entschloß sich dazu, und nahm seinen Wohnsitz in Stuttgart
bei dem Herzoge Ludwig von Würtemberg. Freilich war die Stellung als
Musikmeister in einer Stadt zweiten Ranges dem Geiste eines Weber nicht
angemessen, ebensowenig entsprach sie dem Ruhme, den er bereits erlangt
hatte; aber er befand sich in einer jener Lebenslagen, wo uns keine Wahl
übrig bleibt. Während seines Aufenthaltes zu Stuttgart beschäftigte sich Weber
vorzugsweise mit Instrumentalcomposition; er überarbeitete nochmals seine
Oper: Das Waldmädchen, und richtete sie für einen andern Text, unter
dem Titel: Silvane, ein. Auch setzte er die Partitur eines Stückes,
welches unter dem Namen: Der erste Ton bekannt ist.

Um's Jahr 1810, als die Zeitumstände eine günstige Wendung genom¬
men hatten, beschloß Weber die musikalische Reise zu unternehmen, zu der er
vor seiner Uebersiedelung nach Stuttgart den Plan gefaßt hatte. Er durch¬
zog nacheinander die verschiedenen Theile von Deutschland, ließ seine
Instrumentalstücke hören, gab Proben von seinen Opern und spielte mit
bewundernswürdigem Talent seine herrlichen Sätze für's Klavier. Erst seit
dieser Zeit wurde er bekannt und nach Gebühr gewürdigt. Bis dahin
war Weber nichts weiter, als ein ausgezeichneter Schüler des Abts
Vogler und der namenlose Kapellmeister eines Würtembergischen Fürsten
gewesen; von jetzt an ward er den ersten Künstlern Deutschlands bei¬
gezählt. Die bereitwillige Aufnahme, welche seine Produktionen fanden,
die achtungsvolle Aufmerksamkeit, mit der man ihn hörte, waren der ver¬
diente Lohn seiner Bemühungen. Trotz der Schwierigkeiten, welche die
politischen Begebenheiten ihm in den Weg legten, trotz der Hindernisse,
welche ihm einige neidische Seelen bereiteten, belebte dieser glückliche Erfolg
alle seine Geisteskräfte, und flößte ihm Lust und Begeisterung für seine
Kunst ein. Während der Zeit, in welche seine erste Reise fällt, wurden
Weber's Opern und Concerte in Frankfurt, München, Wien und Berlin
gegeben. In Wien verweilte er länger als in den andern Städten, um
einige Zeit dem Umgange mit dem Abt Vogler widmen zu können; denn
von allen seinen Lehrern hatte er für diesen die größte Anhänglichkeit
bewahrt. Meyerbeer und Gansbacher, seine ehemaligen Mitschüler, empfin¬
gen damals noch den Unterricht des trefflichen Meisters; Weber konnte
dem Wunsche nicht widerstehen, die Freundschaft zu erneuern, welche ihn
mit denselben verband. Da ihr Verhältniß auf innere Uebereinstimmung,
auf gleiches Bestreben für die Kunst gegründet war, erlitt es niemals die
mindeste Störung. Nur Eins konnte Weber in der Folge Meyerbeeren
schwer verzeihen, nämlich, wie er es nannte, seinen Verrath an der deut¬
schen Musik. Von der Ueberzeugung geleitet, daß der italienische Styl
für die Opernmusik am besten passe, hatte Meyerbeer die strengen Vor-

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werden. Er entschloß sich dazu, und nahm seinen Wohnsitz in Stuttgart
bei dem Herzoge Ludwig von Würtemberg. Freilich war die Stellung als
Musikmeister in einer Stadt zweiten Ranges dem Geiste eines Weber nicht
angemessen, ebensowenig entsprach sie dem Ruhme, den er bereits erlangt
hatte; aber er befand sich in einer jener Lebenslagen, wo uns keine Wahl
übrig bleibt. Während seines Aufenthaltes zu Stuttgart beschäftigte sich Weber
vorzugsweise mit Instrumentalcomposition; er überarbeitete nochmals seine
Oper: Das Waldmädchen, und richtete sie für einen andern Text, unter
dem Titel: Silvane, ein. Auch setzte er die Partitur eines Stückes,
welches unter dem Namen: Der erste Ton bekannt ist.

Um's Jahr 1810, als die Zeitumstände eine günstige Wendung genom¬
men hatten, beschloß Weber die musikalische Reise zu unternehmen, zu der er
vor seiner Uebersiedelung nach Stuttgart den Plan gefaßt hatte. Er durch¬
zog nacheinander die verschiedenen Theile von Deutschland, ließ seine
Instrumentalstücke hören, gab Proben von seinen Opern und spielte mit
bewundernswürdigem Talent seine herrlichen Sätze für's Klavier. Erst seit
dieser Zeit wurde er bekannt und nach Gebühr gewürdigt. Bis dahin
war Weber nichts weiter, als ein ausgezeichneter Schüler des Abts
Vogler und der namenlose Kapellmeister eines Würtembergischen Fürsten
gewesen; von jetzt an ward er den ersten Künstlern Deutschlands bei¬
gezählt. Die bereitwillige Aufnahme, welche seine Produktionen fanden,
die achtungsvolle Aufmerksamkeit, mit der man ihn hörte, waren der ver¬
diente Lohn seiner Bemühungen. Trotz der Schwierigkeiten, welche die
politischen Begebenheiten ihm in den Weg legten, trotz der Hindernisse,
welche ihm einige neidische Seelen bereiteten, belebte dieser glückliche Erfolg
alle seine Geisteskräfte, und flößte ihm Lust und Begeisterung für seine
Kunst ein. Während der Zeit, in welche seine erste Reise fällt, wurden
Weber's Opern und Concerte in Frankfurt, München, Wien und Berlin
gegeben. In Wien verweilte er länger als in den andern Städten, um
einige Zeit dem Umgange mit dem Abt Vogler widmen zu können; denn
von allen seinen Lehrern hatte er für diesen die größte Anhänglichkeit
bewahrt. Meyerbeer und Gansbacher, seine ehemaligen Mitschüler, empfin¬
gen damals noch den Unterricht des trefflichen Meisters; Weber konnte
dem Wunsche nicht widerstehen, die Freundschaft zu erneuern, welche ihn
mit denselben verband. Da ihr Verhältniß auf innere Uebereinstimmung,
auf gleiches Bestreben für die Kunst gegründet war, erlitt es niemals die
mindeste Störung. Nur Eins konnte Weber in der Folge Meyerbeeren
schwer verzeihen, nämlich, wie er es nannte, seinen Verrath an der deut¬
schen Musik. Von der Ueberzeugung geleitet, daß der italienische Styl
für die Opernmusik am besten passe, hatte Meyerbeer die strengen Vor-

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[297/0305] werden. Er entschloß sich dazu, und nahm seinen Wohnsitz in Stuttgart bei dem Herzoge Ludwig von Würtemberg. Freilich war die Stellung als Musikmeister in einer Stadt zweiten Ranges dem Geiste eines Weber nicht angemessen, ebensowenig entsprach sie dem Ruhme, den er bereits erlangt hatte; aber er befand sich in einer jener Lebenslagen, wo uns keine Wahl übrig bleibt. Während seines Aufenthaltes zu Stuttgart beschäftigte sich Weber vorzugsweise mit Instrumentalcomposition; er überarbeitete nochmals seine Oper: Das Waldmädchen, und richtete sie für einen andern Text, unter dem Titel: Silvane, ein. Auch setzte er die Partitur eines Stückes, welches unter dem Namen: Der erste Ton bekannt ist. Um's Jahr 1810, als die Zeitumstände eine günstige Wendung genom¬ men hatten, beschloß Weber die musikalische Reise zu unternehmen, zu der er vor seiner Uebersiedelung nach Stuttgart den Plan gefaßt hatte. Er durch¬ zog nacheinander die verschiedenen Theile von Deutschland, ließ seine Instrumentalstücke hören, gab Proben von seinen Opern und spielte mit bewundernswürdigem Talent seine herrlichen Sätze für's Klavier. Erst seit dieser Zeit wurde er bekannt und nach Gebühr gewürdigt. Bis dahin war Weber nichts weiter, als ein ausgezeichneter Schüler des Abts Vogler und der namenlose Kapellmeister eines Würtembergischen Fürsten gewesen; von jetzt an ward er den ersten Künstlern Deutschlands bei¬ gezählt. Die bereitwillige Aufnahme, welche seine Produktionen fanden, die achtungsvolle Aufmerksamkeit, mit der man ihn hörte, waren der ver¬ diente Lohn seiner Bemühungen. Trotz der Schwierigkeiten, welche die politischen Begebenheiten ihm in den Weg legten, trotz der Hindernisse, welche ihm einige neidische Seelen bereiteten, belebte dieser glückliche Erfolg alle seine Geisteskräfte, und flößte ihm Lust und Begeisterung für seine Kunst ein. Während der Zeit, in welche seine erste Reise fällt, wurden Weber's Opern und Concerte in Frankfurt, München, Wien und Berlin gegeben. In Wien verweilte er länger als in den andern Städten, um einige Zeit dem Umgange mit dem Abt Vogler widmen zu können; denn von allen seinen Lehrern hatte er für diesen die größte Anhänglichkeit bewahrt. Meyerbeer und Gansbacher, seine ehemaligen Mitschüler, empfin¬ gen damals noch den Unterricht des trefflichen Meisters; Weber konnte dem Wunsche nicht widerstehen, die Freundschaft zu erneuern, welche ihn mit denselben verband. Da ihr Verhältniß auf innere Uebereinstimmung, auf gleiches Bestreben für die Kunst gegründet war, erlitt es niemals die mindeste Störung. Nur Eins konnte Weber in der Folge Meyerbeeren schwer verzeihen, nämlich, wie er es nannte, seinen Verrath an der deut¬ schen Musik. Von der Ueberzeugung geleitet, daß der italienische Styl für die Opernmusik am besten passe, hatte Meyerbeer die strengen Vor- 40

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Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-19T17:23:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Signatur Per 61 k-1). (2013-11-19T17:23:38Z)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/305>, abgerufen am 17.05.2024.