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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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fungen genommen hat, von seiner Arbeit offenbar oder doch im Stillen be¬
zaubert waren. Man stellte sich mißvergnügt, fühlte sich aber doch ge¬
schmeichelt, in diesem komischen Pantheon eine Stelle gefunden zu haben,
welches doch eigentlich nur wirklichen Illustrationen geöffnet war. Mancher
unbefriedigte Ehrgeiz hat in diesem Atelier seine Entschädigung gefunden.

Vor einigen Jahren strebte ein Mann darnach, dem Dantan eine
Bitte, die bei der Unberühmtheit des Zudringlichen durchaus nicht an ihrem
Platze war, nicht rundweg abschlagen konnte, weil er ihm zwar nichts
nützen, aber ihn in seinen Interessen und seinem Rufe manmchfach schaden
konnte. Er war nämlich Gerant eines geachteten Journals. Die große
Anmaßung unseres Mannes lag darin, daß derselbe in der Welt für
einen großen Staatsgelehrten und Kritiker gelten wollte, während er nur
das Materielle des von ihm unterzeichneten Journals besorgte. Diese un¬
erträgliche, durch nichts gerechtfertigte Anmaßung kannte der Künstler. Dan¬
tan hielt darauf, seine Reihenfolge von Carricaturen nicht zu unterbrechen
durch Einreihung von Mittelmäßigkeiten und ehrgeizigen Nullitäten, deren
Zulassung unter so viele berühmte Namen auf keinem Rechtstitel beruhte.
Das erwähnte Individuum kam oft zu Dantan, und frug ihn, ob er sei¬
nen letzten Artikel über die Magdalenenkirche, über Notre-Dmne de Lorette,
über die Ausstellung im Louvre, über die haiti'sche Frage gelesen habe.
Der Künstler wußte, daß diese Sucht, sich Arbeiten zuzueignen, die nach
den Gewohnheiten des pariser Journalismus immer ohne Unterschrift er¬
schienen, auf einer frechen Anmaßlichkeit beruhe. Aber, was sollte er thun?
Selbst der Gerant eines Tageblattes hat die Macht zu schaden, und Künst¬
ler dürfen sich mit der öffentlichen Meinung nicht überwerfen. Dantan
mußte nachgeben, behielt sich aber seine Gedanken in petto. Er modellirte
den Zudringlichen, sparte nichts in denjenigen Theilen des Schädels, deren-
Eindrückung nach dem Gall'schen System die Abwesenheit des Denkvermö¬
gens, überhaupt der Eigenschaften eines Schriftstellers andeutet, und steckte
ihm hinter das Ohr das Attribut der Schriftsteller -- eine Feder. Wer
die Sache aber aufmerksam betrachtete, der entdeckte hier eine vernichtende
Ironie, den Gedanken, den sich der Künstler in petto behalten hatte
-- die Feder war nicht geschnitten. Er hatte also niemals damit
geschrieben; giebt es eine schneidendere Ironie, die mehr an Hogarths Al-
mosenkasten erinnert, über dessen Oeffnung eine Spinne ein festes Gewebe
gezogen hat? Dantan war gerächt, und hatte so die Ehre seiner Gallerie
ausgezeichneter Männer gerettet, indem er durch einen Zug die, Anmaßung
eines mittelmäßigen Menschen geißelte.

In dem Jahre 1834 oder 1835 ließ sich in den Pariser Salons ein

fungen genommen hat, von seiner Arbeit offenbar oder doch im Stillen be¬
zaubert waren. Man stellte sich mißvergnügt, fühlte sich aber doch ge¬
schmeichelt, in diesem komischen Pantheon eine Stelle gefunden zu haben,
welches doch eigentlich nur wirklichen Illustrationen geöffnet war. Mancher
unbefriedigte Ehrgeiz hat in diesem Atelier seine Entschädigung gefunden.

Vor einigen Jahren strebte ein Mann darnach, dem Dantan eine
Bitte, die bei der Unberühmtheit des Zudringlichen durchaus nicht an ihrem
Platze war, nicht rundweg abschlagen konnte, weil er ihm zwar nichts
nützen, aber ihn in seinen Interessen und seinem Rufe manmchfach schaden
konnte. Er war nämlich Gerant eines geachteten Journals. Die große
Anmaßung unseres Mannes lag darin, daß derselbe in der Welt für
einen großen Staatsgelehrten und Kritiker gelten wollte, während er nur
das Materielle des von ihm unterzeichneten Journals besorgte. Diese un¬
erträgliche, durch nichts gerechtfertigte Anmaßung kannte der Künstler. Dan¬
tan hielt darauf, seine Reihenfolge von Carricaturen nicht zu unterbrechen
durch Einreihung von Mittelmäßigkeiten und ehrgeizigen Nullitäten, deren
Zulassung unter so viele berühmte Namen auf keinem Rechtstitel beruhte.
Das erwähnte Individuum kam oft zu Dantan, und frug ihn, ob er sei¬
nen letzten Artikel über die Magdalenenkirche, über Notre-Dmne de Lorette,
über die Ausstellung im Louvre, über die haiti'sche Frage gelesen habe.
Der Künstler wußte, daß diese Sucht, sich Arbeiten zuzueignen, die nach
den Gewohnheiten des pariser Journalismus immer ohne Unterschrift er¬
schienen, auf einer frechen Anmaßlichkeit beruhe. Aber, was sollte er thun?
Selbst der Gerant eines Tageblattes hat die Macht zu schaden, und Künst¬
ler dürfen sich mit der öffentlichen Meinung nicht überwerfen. Dantan
mußte nachgeben, behielt sich aber seine Gedanken in petto. Er modellirte
den Zudringlichen, sparte nichts in denjenigen Theilen des Schädels, deren-
Eindrückung nach dem Gall'schen System die Abwesenheit des Denkvermö¬
gens, überhaupt der Eigenschaften eines Schriftstellers andeutet, und steckte
ihm hinter das Ohr das Attribut der Schriftsteller — eine Feder. Wer
die Sache aber aufmerksam betrachtete, der entdeckte hier eine vernichtende
Ironie, den Gedanken, den sich der Künstler in petto behalten hatte
— die Feder war nicht geschnitten. Er hatte also niemals damit
geschrieben; giebt es eine schneidendere Ironie, die mehr an Hogarths Al-
mosenkasten erinnert, über dessen Oeffnung eine Spinne ein festes Gewebe
gezogen hat? Dantan war gerächt, und hatte so die Ehre seiner Gallerie
ausgezeichneter Männer gerettet, indem er durch einen Zug die, Anmaßung
eines mittelmäßigen Menschen geißelte.

In dem Jahre 1834 oder 1835 ließ sich in den Pariser Salons ein

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[229/0237] fungen genommen hat, von seiner Arbeit offenbar oder doch im Stillen be¬ zaubert waren. Man stellte sich mißvergnügt, fühlte sich aber doch ge¬ schmeichelt, in diesem komischen Pantheon eine Stelle gefunden zu haben, welches doch eigentlich nur wirklichen Illustrationen geöffnet war. Mancher unbefriedigte Ehrgeiz hat in diesem Atelier seine Entschädigung gefunden. Vor einigen Jahren strebte ein Mann darnach, dem Dantan eine Bitte, die bei der Unberühmtheit des Zudringlichen durchaus nicht an ihrem Platze war, nicht rundweg abschlagen konnte, weil er ihm zwar nichts nützen, aber ihn in seinen Interessen und seinem Rufe manmchfach schaden konnte. Er war nämlich Gerant eines geachteten Journals. Die große Anmaßung unseres Mannes lag darin, daß derselbe in der Welt für einen großen Staatsgelehrten und Kritiker gelten wollte, während er nur das Materielle des von ihm unterzeichneten Journals besorgte. Diese un¬ erträgliche, durch nichts gerechtfertigte Anmaßung kannte der Künstler. Dan¬ tan hielt darauf, seine Reihenfolge von Carricaturen nicht zu unterbrechen durch Einreihung von Mittelmäßigkeiten und ehrgeizigen Nullitäten, deren Zulassung unter so viele berühmte Namen auf keinem Rechtstitel beruhte. Das erwähnte Individuum kam oft zu Dantan, und frug ihn, ob er sei¬ nen letzten Artikel über die Magdalenenkirche, über Notre-Dmne de Lorette, über die Ausstellung im Louvre, über die haiti'sche Frage gelesen habe. Der Künstler wußte, daß diese Sucht, sich Arbeiten zuzueignen, die nach den Gewohnheiten des pariser Journalismus immer ohne Unterschrift er¬ schienen, auf einer frechen Anmaßlichkeit beruhe. Aber, was sollte er thun? Selbst der Gerant eines Tageblattes hat die Macht zu schaden, und Künst¬ ler dürfen sich mit der öffentlichen Meinung nicht überwerfen. Dantan mußte nachgeben, behielt sich aber seine Gedanken in petto. Er modellirte den Zudringlichen, sparte nichts in denjenigen Theilen des Schädels, deren- Eindrückung nach dem Gall'schen System die Abwesenheit des Denkvermö¬ gens, überhaupt der Eigenschaften eines Schriftstellers andeutet, und steckte ihm hinter das Ohr das Attribut der Schriftsteller — eine Feder. Wer die Sache aber aufmerksam betrachtete, der entdeckte hier eine vernichtende Ironie, den Gedanken, den sich der Künstler in petto behalten hatte — die Feder war nicht geschnitten. Er hatte also niemals damit geschrieben; giebt es eine schneidendere Ironie, die mehr an Hogarths Al- mosenkasten erinnert, über dessen Oeffnung eine Spinne ein festes Gewebe gezogen hat? Dantan war gerächt, und hatte so die Ehre seiner Gallerie ausgezeichneter Männer gerettet, indem er durch einen Zug die, Anmaßung eines mittelmäßigen Menschen geißelte. In dem Jahre 1834 oder 1835 ließ sich in den Pariser Salons ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/237>, abgerufen am 25.11.2024.