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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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nachtsfreude, die Louis Philipp seinem Sohne bereitete, als er ihm erlaubte,
mit der Nordarmee nach Belgien zu ziehen, um seine Sporn dort zu
verdienen.

Spotte mich nicht aus, wenn ich Dir gestehe, daß selbst in Mitte
dieser modernen Geschichten die Schillerschen Figuren nicht aus dem Sinne
mir wichen.

Wenn ich mir das blühende, von der Freude über die erste Waffen¬
that noch jugendlicher strahlende Gesicht des jungen französischen Thronerben
denke, wie er von seinem Zuge nach den Niederlanden zu seinem Vater zu¬
rückkehrte, dann steigt in ungewissen bleichen Zügen das Bild eines andern
Königssohnes vor mir auf, und seine Augen sind todtenstarr, und auf sei¬
nen Lippen, die grünlich, verzerrt und wundhaft sind, als hätte sie ein
tödtendes Gift berührt, scheinen die Worte eingefroren:

"Der Aufruhr in Brabant
"Wächst drohend an. -- Die Wuth
"Der Schwärmer zu bezähmen, soll der Herzog
"Ein Heer nach Flandern führen, von dem König
"Mit souveräner Vollmacht ausgestattet.
"Wie ehrenvoll ist dieses Amt, wie ganz
"Dazu geeignet, Ihren Sohn im Tempel
"Des Ruhmes einzuführen! Mir, mein König,
"Mir übergeben Sie das Heer.



"Schon der Name
"Des königlichen Sohnes, der voraus
"Vor meinen Fahnen fliegen wird, erobert,
"Wo Herzog Albas Henker nur verheeren.
"Auf meinen Knieen bitt' ich drum. Es ist
"Die erste Bitte meines Lebens Vater
"Vertrauen Sie mir Flandern!"

Und eine tiefe Stimme antwortet darauf:

"Und zugleich
"Mein bestes Heer Deiner Herschbegierde,
"Das Messer meinem Mörder?" - - -


Armer Carlos! Auch Dein Vater war für Deinen Ruhm besorgt,
und deßhalb hat er nicht nur Deinen Körper, sondern auch die Erinnerung
an Dich zerstören lassen. Deine Henker haben nicht nur in die Quellen
Deines Lebens ihr Gift gegossen, auch die Quellen Deines Todes, Deiner
Geschichte, Deines Wollens und Strebens, haben sie sorgfältig vergiftet
und Deine "weiche Seele," Dein edles Herz, Deine völkerbeglückende Wün-
sche, welche die Sehergabe der Poesie in so schönem Lichte uns enthüllte,
sind von jenen unter dem Schutte schwerer Anklagen und verfinsternder
Zweifel, der Nachwelt überliefert worden.

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nachtsfreude, die Louis Philipp seinem Sohne bereitete, als er ihm erlaubte,
mit der Nordarmee nach Belgien zu ziehen, um seine Sporn dort zu
verdienen.

Spotte mich nicht aus, wenn ich Dir gestehe, daß selbst in Mitte
dieser modernen Geschichten die Schillerschen Figuren nicht aus dem Sinne
mir wichen.

Wenn ich mir das blühende, von der Freude über die erste Waffen¬
that noch jugendlicher strahlende Gesicht des jungen französischen Thronerben
denke, wie er von seinem Zuge nach den Niederlanden zu seinem Vater zu¬
rückkehrte, dann steigt in ungewissen bleichen Zügen das Bild eines andern
Königssohnes vor mir auf, und seine Augen sind todtenstarr, und auf sei¬
nen Lippen, die grünlich, verzerrt und wundhaft sind, als hätte sie ein
tödtendes Gift berührt, scheinen die Worte eingefroren:

„Der Aufruhr in Brabant
„Wächst drohend an. — Die Wuth
„Der Schwärmer zu bezähmen, soll der Herzog
„Ein Heer nach Flandern führen, von dem König
„Mit souveräner Vollmacht ausgestattet.
„Wie ehrenvoll ist dieses Amt, wie ganz
„Dazu geeignet, Ihren Sohn im Tempel
„Des Ruhmes einzuführen! Mir, mein König,
„Mir übergeben Sie das Heer.



„Schon der Name
„Des königlichen Sohnes, der voraus
„Vor meinen Fahnen fliegen wird, erobert,
„Wo Herzog Albas Henker nur verheeren.
„Auf meinen Knieen bitt' ich drum. Es ist
„Die erste Bitte meines Lebens Vater
„Vertrauen Sie mir Flandern!“

Und eine tiefe Stimme antwortet darauf:

„Und zugleich
„Mein bestes Heer Deiner Herschbegierde,
„Das Messer meinem Mörder?“ – – –


Armer Carlos! Auch Dein Vater war für Deinen Ruhm besorgt,
und deßhalb hat er nicht nur Deinen Körper, sondern auch die Erinnerung
an Dich zerstören lassen. Deine Henker haben nicht nur in die Quellen
Deines Lebens ihr Gift gegossen, auch die Quellen Deines Todes, Deiner
Geschichte, Deines Wollens und Strebens, haben sie sorgfältig vergiftet
und Deine „weiche Seele,“ Dein edles Herz, Deine völkerbeglückende Wün-
sche, welche die Sehergabe der Poesie in so schönem Lichte uns enthüllte,
sind von jenen unter dem Schutte schwerer Anklagen und verfinsternder
Zweifel, der Nachwelt überliefert worden.

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[207/0215] nachtsfreude, die Louis Philipp seinem Sohne bereitete, als er ihm erlaubte, mit der Nordarmee nach Belgien zu ziehen, um seine Sporn dort zu verdienen. Spotte mich nicht aus, wenn ich Dir gestehe, daß selbst in Mitte dieser modernen Geschichten die Schillerschen Figuren nicht aus dem Sinne mir wichen. Wenn ich mir das blühende, von der Freude über die erste Waffen¬ that noch jugendlicher strahlende Gesicht des jungen französischen Thronerben denke, wie er von seinem Zuge nach den Niederlanden zu seinem Vater zu¬ rückkehrte, dann steigt in ungewissen bleichen Zügen das Bild eines andern Königssohnes vor mir auf, und seine Augen sind todtenstarr, und auf sei¬ nen Lippen, die grünlich, verzerrt und wundhaft sind, als hätte sie ein tödtendes Gift berührt, scheinen die Worte eingefroren: „Der Aufruhr in Brabant „Wächst drohend an. — Die Wuth „Der Schwärmer zu bezähmen, soll der Herzog „Ein Heer nach Flandern führen, von dem König „Mit souveräner Vollmacht ausgestattet. „Wie ehrenvoll ist dieses Amt, wie ganz „Dazu geeignet, Ihren Sohn im Tempel „Des Ruhmes einzuführen! Mir, mein König, „Mir übergeben Sie das Heer. „Schon der Name „Des königlichen Sohnes, der voraus „Vor meinen Fahnen fliegen wird, erobert, „Wo Herzog Albas Henker nur verheeren. „Auf meinen Knieen bitt' ich drum. Es ist „Die erste Bitte meines Lebens Vater „Vertrauen Sie mir Flandern!“ Und eine tiefe Stimme antwortet darauf: „Und zugleich „Mein bestes Heer Deiner Herschbegierde, „Das Messer meinem Mörder?“ – – – Armer Carlos! Auch Dein Vater war für Deinen Ruhm besorgt, und deßhalb hat er nicht nur Deinen Körper, sondern auch die Erinnerung an Dich zerstören lassen. Deine Henker haben nicht nur in die Quellen Deines Lebens ihr Gift gegossen, auch die Quellen Deines Todes, Deiner Geschichte, Deines Wollens und Strebens, haben sie sorgfältig vergiftet und Deine „weiche Seele,“ Dein edles Herz, Deine völkerbeglückende Wün- sche, welche die Sehergabe der Poesie in so schönem Lichte uns enthüllte, sind von jenen unter dem Schutte schwerer Anklagen und verfinsternder Zweifel, der Nachwelt überliefert worden. 27*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/215>, abgerufen am 25.11.2024.