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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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und glücklich, die Bewegung rasch, die Schilderung ansprechend, voll
lebendiger Züge und Farben. --

St. Hubertustag, Novelle von L. Storch, ist eine complicirte
und spannende Familiengeschichte, mit jener Geschicklichkeit angelegt und be¬
rechnet, die bei Romanen, deren Motive Schuld, Fluch, gespenstische Ein¬
wirkungen, Träume, Rache und Schicksal sind, in die Stelle des freien
dichterischen Ergusses zu treten pflegt.

Aus einem furchtbaren Frevel, den ein hartherziger Baron und
Waidmann, an einem Bauer, wegen Wildschießens, verübt hat, ent¬
springt ein Familienfluch, dessen zahlreiche Opfer am St. Hubertustage
dem rächenden Dämon verfallen. Die Reihe derselben schließt Emil,
ein junger Edelmann, den wir den Helden der Erzählung nennen wür¬
den, wenn dazu in ihm eine Anlage wäre. Am Tage vor seiner fest¬
gesetzten Vermählung erreicht ihn das Geschick. Indeß erleidet seine
Geliebte dadurch keinen Verlust; sie empfand mehr Mitleiden und freund¬
schaftliches Zutrauen als Liebe zu dem von Schwermuth und Lebensunlust
geplagten, weichherzigen Jüngling, dessen ganzes Sein sich auf kränkliche
Weise an ein weibliches Wesen klammert, nicht mit dem Gefühl, das¬
selbe beglücken zu können, sondern von dem dunkeln Verlangen getrieben,
für das sonst farblose Leben irgend einen festen Halt zu finden. Sigis-
munde liebt den Grafen Born, und nachdem alle dunkeln Mächte das
Feld geräumt haben, wird sie seine glückliche Gemahlin. -- Die gelun¬
generen Partien der Erzählung sind die Spukscenen im Schlosse Tannen¬
forst. Auf dergleichen, wie es scheint nie abzunutzenden Effekten, beruht
größtentheils das Interesse dieser übrigens mit viel Gewandtheit gearbei¬
teten Novelle. An treffenden Schilderungen fehlt es nicht. Doch ist der
Eindruck der Geschichte mehr peinigend als anziehend. Alles das Unge¬
mach, welches die Familie des Barons betrifft, ist Folge der Schlech¬
tigkeit, der rohen Willkühr, gemeiner Tyrannei; nicht ein mächtiges
Gefühl, nicht eine gewichtige Individualität, welche uns dem drückenden
Mitleiden enthübe, womit wir den Begebenheiten zu folgen gezwungen
sind. Die edle Figur des Stücks ist der Graf; aber dieser glückliche
Schlußheld ist von Anfang an so fertig, so abgeschlossen, so ein bloßer
Mann der Welt, in alles von vorn herein sich schickend, daß er keine
große Theilnahme erwecken kann. Emil ist eine unschuldige, aber be¬
trübte Natur; er ringt nicht einmal mit seinem Geschick; er erliegt ohne
Kampf und Entschluß. Wie kann eine solche Figur den Dämon zur
Ruhe bringen? -- Die bloße Fatalität, die uns mechanisch faßt, gehört

und glücklich, die Bewegung rasch, die Schilderung ansprechend, voll
lebendiger Züge und Farben. —

St. Hubertustag, Novelle von L. Storch, ist eine complicirte
und spannende Familiengeschichte, mit jener Geschicklichkeit angelegt und be¬
rechnet, die bei Romanen, deren Motive Schuld, Fluch, gespenstische Ein¬
wirkungen, Träume, Rache und Schicksal sind, in die Stelle des freien
dichterischen Ergusses zu treten pflegt.

Aus einem furchtbaren Frevel, den ein hartherziger Baron und
Waidmann, an einem Bauer, wegen Wildschießens, verübt hat, ent¬
springt ein Familienfluch, dessen zahlreiche Opfer am St. Hubertustage
dem rächenden Dämon verfallen. Die Reihe derselben schließt Emil,
ein junger Edelmann, den wir den Helden der Erzählung nennen wür¬
den, wenn dazu in ihm eine Anlage wäre. Am Tage vor seiner fest¬
gesetzten Vermählung erreicht ihn das Geschick. Indeß erleidet seine
Geliebte dadurch keinen Verlust; sie empfand mehr Mitleiden und freund¬
schaftliches Zutrauen als Liebe zu dem von Schwermuth und Lebensunlust
geplagten, weichherzigen Jüngling, dessen ganzes Sein sich auf kränkliche
Weise an ein weibliches Wesen klammert, nicht mit dem Gefühl, das¬
selbe beglücken zu können, sondern von dem dunkeln Verlangen getrieben,
für das sonst farblose Leben irgend einen festen Halt zu finden. Sigis-
munde liebt den Grafen Born, und nachdem alle dunkeln Mächte das
Feld geräumt haben, wird sie seine glückliche Gemahlin. — Die gelun¬
generen Partien der Erzählung sind die Spukscenen im Schlosse Tannen¬
forst. Auf dergleichen, wie es scheint nie abzunutzenden Effekten, beruht
größtentheils das Interesse dieser übrigens mit viel Gewandtheit gearbei¬
teten Novelle. An treffenden Schilderungen fehlt es nicht. Doch ist der
Eindruck der Geschichte mehr peinigend als anziehend. Alles das Unge¬
mach, welches die Familie des Barons betrifft, ist Folge der Schlech¬
tigkeit, der rohen Willkühr, gemeiner Tyrannei; nicht ein mächtiges
Gefühl, nicht eine gewichtige Individualität, welche uns dem drückenden
Mitleiden enthübe, womit wir den Begebenheiten zu folgen gezwungen
sind. Die edle Figur des Stücks ist der Graf; aber dieser glückliche
Schlußheld ist von Anfang an so fertig, so abgeschlossen, so ein bloßer
Mann der Welt, in alles von vorn herein sich schickend, daß er keine
große Theilnahme erwecken kann. Emil ist eine unschuldige, aber be¬
trübte Natur; er ringt nicht einmal mit seinem Geschick; er erliegt ohne
Kampf und Entschluß. Wie kann eine solche Figur den Dämon zur
Ruhe bringen? — Die bloße Fatalität, die uns mechanisch faßt, gehört

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[201/0209] und glücklich, die Bewegung rasch, die Schilderung ansprechend, voll lebendiger Züge und Farben. — St. Hubertustag, Novelle von L. Storch, ist eine complicirte und spannende Familiengeschichte, mit jener Geschicklichkeit angelegt und be¬ rechnet, die bei Romanen, deren Motive Schuld, Fluch, gespenstische Ein¬ wirkungen, Träume, Rache und Schicksal sind, in die Stelle des freien dichterischen Ergusses zu treten pflegt. Aus einem furchtbaren Frevel, den ein hartherziger Baron und Waidmann, an einem Bauer, wegen Wildschießens, verübt hat, ent¬ springt ein Familienfluch, dessen zahlreiche Opfer am St. Hubertustage dem rächenden Dämon verfallen. Die Reihe derselben schließt Emil, ein junger Edelmann, den wir den Helden der Erzählung nennen wür¬ den, wenn dazu in ihm eine Anlage wäre. Am Tage vor seiner fest¬ gesetzten Vermählung erreicht ihn das Geschick. Indeß erleidet seine Geliebte dadurch keinen Verlust; sie empfand mehr Mitleiden und freund¬ schaftliches Zutrauen als Liebe zu dem von Schwermuth und Lebensunlust geplagten, weichherzigen Jüngling, dessen ganzes Sein sich auf kränkliche Weise an ein weibliches Wesen klammert, nicht mit dem Gefühl, das¬ selbe beglücken zu können, sondern von dem dunkeln Verlangen getrieben, für das sonst farblose Leben irgend einen festen Halt zu finden. Sigis- munde liebt den Grafen Born, und nachdem alle dunkeln Mächte das Feld geräumt haben, wird sie seine glückliche Gemahlin. — Die gelun¬ generen Partien der Erzählung sind die Spuckscenen im Schlosse Tannen¬ forst. Auf dergleichen, wie es scheint nie abzunutzenden Effekten, beruht größtentheils das Interesse dieser übrigens mit viel Gewandtheit gearbei¬ teten Novelle. An treffenden Schilderungen fehlt es nicht. Doch ist der Eindruck der Geschichte mehr peinigend als anziehend. Alles das Unge¬ mach, welches die Familie des Barons betrifft, ist Folge der Schlech¬ tigkeit, der rohen Willkühr, gemeiner Tyrannei; nicht ein mächtiges Gefühl, nicht eine gewichtige Individualität, welche uns dem drückenden Mitleiden enthübe, womit wir den Begebenheiten zu folgen gezwungen sind. Die edle Figur des Stücks ist der Graf; aber dieser glückliche Schlußheld ist von Anfang an so fertig, so abgeschlossen, so ein bloßer Mann der Welt, in alles von vorn herein sich schickend, daß er keine große Theilnahme erwecken kann. Emil ist eine unschuldige, aber be¬ trübte Natur; er ringt nicht einmal mit seinem Geschick; er erliegt ohne Kampf und Entschluß. Wie kann eine solche Figur den Dämon zur Ruhe bringen? — Die bloße Fatalität, die uns mechanisch faßt, gehört

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Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-19T17:23:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Signatur Per 61 k-1). (2013-11-19T17:23:38Z)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/209>, abgerufen am 22.11.2024.