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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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anschmiegt? Während er seine Nächte verwendet, um einen neuen "Cid,"
"Wallenstein" oder "Misantrop" zu schaffen, machen Herr Nestroy und drei
Dutzend pariser Vaudevillisten ihr Glück.

Es fehlt wenig und wir stehen wieder da, wo Rom in seinen ver¬
derbtesten Zeiten war, wo der Cultus der Sinnlichkeit über alles Maaß
und alle Grenzen der Schaam hinausgegangen.

Wir werden am Ende mit unserer Bewunderung bis auf die Helden
des Circus herabkommen, und wahrlich mancher dieser starkmuskeligen männ-
lichkräftigen Pferdebändiger verdient menschlicher unsere Theilnahme als die
dünnbeinigen Convulsionen einer tanzenden Phryne.*)

P--.






*) Wir haben dem Verfasser dieses Aufsatzes sein volles Recht widerfahren lassen,
indem wir seine Strafpredigt ungeschmälert hier wiedergeben. Indeß glauben
wir bei dieser Gelegenheit ans die Worte Schillers hinweisen zu müssen:
-- schnell und spurlos geht des Mimen Kunst,
Die wunderbare, an dem Sinn vorüber,
Wenn das Gebild des Meißels, der Gesang
Des Dichters, nach Jahrtausenden noch leben.
Hier stirbt der Zauber mit dem Künstler ab,
Und, wie der Klang verhallet in dem Ohr,
Verrauscht des Augenblicks geschwinde Schöpfung,
Und ihren Ruhm bewahrt kein dauernd Werk.
Schwer ist die Kunst, vergänglich ist ihr Preis;
Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze!
Drum muß er geizen mit der Gegenwart,
Den Augenblick, der sein ist, ganz erfüllen,
Muß seiner Mitwelt mächtig sich versichern
Und im Gefühl der Würdigsten und Besten
Ein lebend Denkmal sich erbaun -- So nimmt er
Sich seines Namens Ewigkeit voraus. -- -- --

Anmerk. d. Red.

anschmiegt? Während er seine Nächte verwendet, um einen neuen „Cid,“
„Wallenstein“ oder „Misantrop“ zu schaffen, machen Herr Nestroy und drei
Dutzend pariser Vaudevillisten ihr Glück.

Es fehlt wenig und wir stehen wieder da, wo Rom in seinen ver¬
derbtesten Zeiten war, wo der Cultus der Sinnlichkeit über alles Maaß
und alle Grenzen der Schaam hinausgegangen.

Wir werden am Ende mit unserer Bewunderung bis auf die Helden
des Circus herabkommen, und wahrlich mancher dieser starkmuskeligen männ-
lichkräftigen Pferdebändiger verdient menschlicher unsere Theilnahme als die
dünnbeinigen Convulsionen einer tanzenden Phryne.*)

P—.






*) Wir haben dem Verfasser dieses Aufsatzes sein volles Recht widerfahren lassen,
indem wir seine Strafpredigt ungeschmälert hier wiedergeben. Indeß glauben
wir bei dieser Gelegenheit ans die Worte Schillers hinweisen zu müssen:
— schnell und spurlos geht des Mimen Kunst,
Die wunderbare, an dem Sinn vorüber,
Wenn das Gebild des Meißels, der Gesang
Des Dichters, nach Jahrtausenden noch leben.
Hier stirbt der Zauber mit dem Künstler ab,
Und, wie der Klang verhallet in dem Ohr,
Verrauscht des Augenblicks geschwinde Schöpfung,
Und ihren Ruhm bewahrt kein dauernd Werk.
Schwer ist die Kunst, vergänglich ist ihr Preis;
Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze!
Drum muß er geizen mit der Gegenwart,
Den Augenblick, der sein ist, ganz erfüllen,
Muß seiner Mitwelt mächtig sich versichern
Und im Gefühl der Würdigsten und Besten
Ein lebend Denkmal sich erbaun — So nimmt er
Sich seines Namens Ewigkeit voraus. — — —

Anmerk. d. Red.
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[140/0148] anschmiegt? Während er seine Nächte verwendet, um einen neuen „Cid,“ „Wallenstein“ oder „Misantrop“ zu schaffen, machen Herr Nestroy und drei Dutzend pariser Vaudevillisten ihr Glück. Es fehlt wenig und wir stehen wieder da, wo Rom in seinen ver¬ derbtesten Zeiten war, wo der Cultus der Sinnlichkeit über alles Maaß und alle Grenzen der Schaam hinausgegangen. Wir werden am Ende mit unserer Bewunderung bis auf die Helden des Circus herabkommen, und wahrlich mancher dieser starkmuskeligen männ- lichkräftigen Pferdebändiger verdient menschlicher unsere Theilnahme als die dünnbeinigen Convulsionen einer tanzenden Phryne. *) P—. *) Wir haben dem Verfasser dieses Aufsatzes sein volles Recht widerfahren lassen, indem wir seine Strafpredigt ungeschmälert hier wiedergeben. Indeß glauben wir bei dieser Gelegenheit ans die Worte Schillers hinweisen zu müssen: — schnell und spurlos geht des Mimen Kunst, Die wunderbare, an dem Sinn vorüber, Wenn das Gebild des Meißels, der Gesang Des Dichters, nach Jahrtausenden noch leben. Hier stirbt der Zauber mit dem Künstler ab, Und, wie der Klang verhallet in dem Ohr, Verrauscht des Augenblicks geschwinde Schöpfung, Und ihren Ruhm bewahrt kein dauernd Werk. Schwer ist die Kunst, vergänglich ist ihr Preis; Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze! Drum muß er geizen mit der Gegenwart, Den Augenblick, der sein ist, ganz erfüllen, Muß seiner Mitwelt mächtig sich versichern Und im Gefühl der Würdigsten und Besten Ein lebend Denkmal sich erbaun — So nimmt er Sich seines Namens Ewigkeit voraus. — — — Anmerk. d. Red.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/148>, abgerufen am 21.11.2024.