sitzt, wie der Schriftsteller Börne, der kann auch solche Ansprüche an die Welt machen, wie der Politiker Börne. Ja, Börne war ein Republikaner, Er durfte es sein, denn er war tugendhaft, frei von Egoismus, frei von persönlichem gemeinen Ehrgeiz, er liebte die Gesammtheit tausendfach mehr als sein eigenes Ich, er war bereit, sich zu opfern, wo es der Allgemeinheit galt, er konnte und durfte eine Republik sich träumen, denn er war streng gegen sich, mild gegen Andere, sich nur als Ziffer, nicht als Summe zählend; ein Charakter wie die Geschichte der griechischen Republiken keinen reineren zu nennen weiß. Börne hat viel Liebe und viel Haß erfahren. Die neue¬ ste Ausgabe seiner Schriften ist ein Denkmal, welches das Herz seiner nächsten Freunde ihm errichteten. Wochenlang wurde im Kreise derselben darüber discutirt, ob diese oder jene Stelle zuläßlich sei oder nicht, und ob der Geist des Verstorbenen nicht darüber zürnen könne, daß man diesen oder jenen Aufsatz aus der Vergessenheit wieder hervorruft, zu der er selbst ihn verdammt hatte. Möchte es doch jener treuen und würdigen Freundin Bör¬ nes, welche die Redaktion dieser neuen Ausgabe mit solcher Pietät leitete, jener Dame, an welche er seine Briefe richtete, und die in neuester Zeit, wider ihren Willen auf den großen Markt der Oeffentlichkeit gezogen wurde, möchte es ihr doch gefallen, aus dem reichen und kostbaren Briefschatz, den sie noch von ihm in Händen hat, das Zweckmäßigste zu veröffentlichen. Bei dem scharfen geistigen Stempel, der fast jeder Zeile aufgeprägt ist, die Börne geschrieben, müssen wir noch einen ganzen blühenden Gedankengarten in dem Hintergrunde vermuthen, zu welchem Mad. W. S. allein den Schlüssel hat.
Ueber Eins können wir unsere Verwunderung hier nicht unterdrücken. Wie kömmt es daß die neueste Ausgabe nicht mit den Aufsätzen bereichert wurde, welche der letzten Lebenszeit Börnes entsproßen, wir meinen jene wundersamen Artikel der Balance, welche in Frankreich Aufsehen erregten, und in Deutschland unbekannt geblieben sind? Allerdings wäre man hier¬ mit auf Censurhindernisse gestoßen, welche der Verbreitung der ganzen Ausgabe entgegen gewesen wären, auch hat ein Theil dieser Ba¬ lance-Artikel das Material zu dem "Franzosenfresser" geliefert. Immerhin aber blieb noch so viel übrig, um die Möglichkeit zu geben, dem deutschen Publikum einige Fragmente vorzuführen, die vielleicht das Schönste bilden, was der Feder des gefeierten Schriftstellers entflossen.
Die Balance hat nur in sehr wenigen Exemplare über die deutsche Grenze sich geschlichen. In Frankreich selbst ist dieselbe bloß in die Hände der Literaten gekommen. Das größere Publikum ist auf die, auf grauem Papier gedruckte, im Selbstverlag und in unregelmä¬ ßigen Lieferungen erschienene Publication, nicht aufmerksam geworden. So sind diese merkwürdigen Blätter versickert und zerstreut worden, und eine
sitzt, wie der Schriftsteller Börne, der kann auch solche Ansprüche an die Welt machen, wie der Politiker Börne. Ja, Börne war ein Republikaner, Er durfte es sein, denn er war tugendhaft, frei von Egoismus, frei von persönlichem gemeinen Ehrgeiz, er liebte die Gesammtheit tausendfach mehr als sein eigenes Ich, er war bereit, sich zu opfern, wo es der Allgemeinheit galt, er konnte und durfte eine Republik sich träumen, denn er war streng gegen sich, mild gegen Andere, sich nur als Ziffer, nicht als Summe zählend; ein Charakter wie die Geschichte der griechischen Republiken keinen reineren zu nennen weiß. Börne hat viel Liebe und viel Haß erfahren. Die neue¬ ste Ausgabe seiner Schriften ist ein Denkmal, welches das Herz seiner nächsten Freunde ihm errichteten. Wochenlang wurde im Kreise derselben darüber discutirt, ob diese oder jene Stelle zuläßlich sei oder nicht, und ob der Geist des Verstorbenen nicht darüber zürnen könne, daß man diesen oder jenen Aufsatz aus der Vergessenheit wieder hervorruft, zu der er selbst ihn verdammt hatte. Möchte es doch jener treuen und würdigen Freundin Bör¬ nes, welche die Redaktion dieser neuen Ausgabe mit solcher Pietät leitete, jener Dame, an welche er seine Briefe richtete, und die in neuester Zeit, wider ihren Willen auf den großen Markt der Oeffentlichkeit gezogen wurde, möchte es ihr doch gefallen, aus dem reichen und kostbaren Briefschatz, den sie noch von ihm in Händen hat, das Zweckmäßigste zu veröffentlichen. Bei dem scharfen geistigen Stempel, der fast jeder Zeile aufgeprägt ist, die Börne geschrieben, müssen wir noch einen ganzen blühenden Gedankengarten in dem Hintergrunde vermuthen, zu welchem Mad. W. S. allein den Schlüssel hat.
Ueber Eins können wir unsere Verwunderung hier nicht unterdrücken. Wie kömmt es daß die neueste Ausgabe nicht mit den Aufsätzen bereichert wurde, welche der letzten Lebenszeit Börnes entsproßen, wir meinen jene wundersamen Artikel der Balance, welche in Frankreich Aufsehen erregten, und in Deutschland unbekannt geblieben sind? Allerdings wäre man hier¬ mit auf Censurhindernisse gestoßen, welche der Verbreitung der ganzen Ausgabe entgegen gewesen wären, auch hat ein Theil dieser Ba¬ lance-Artikel das Material zu dem „Franzosenfresser“ geliefert. Immerhin aber blieb noch so viel übrig, um die Möglichkeit zu geben, dem deutschen Publikum einige Fragmente vorzuführen, die vielleicht das Schönste bilden, was der Feder des gefeierten Schriftstellers entflossen.
Die Balance hat nur in sehr wenigen Exemplare über die deutsche Grenze sich geschlichen. In Frankreich selbst ist dieselbe bloß in die Hände der Literaten gekommen. Das größere Publikum ist auf die, auf grauem Papier gedruckte, im Selbstverlag und in unregelmä¬ ßigen Lieferungen erschienene Publication, nicht aufmerksam geworden. So sind diese merkwürdigen Blätter versickert und zerstreut worden, und eine
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[105/0113]
sitzt, wie der Schriftsteller Börne, der kann auch solche Ansprüche an die
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Er durfte es sein, denn er war tugendhaft, frei von Egoismus, frei von
persönlichem gemeinen Ehrgeiz, er liebte die Gesammtheit tausendfach mehr
als sein eigenes Ich, er war bereit, sich zu opfern, wo es der Allgemeinheit galt,
er konnte und durfte eine Republik sich träumen, denn er war streng gegen
sich, mild gegen Andere, sich nur als Ziffer, nicht als Summe zählend;
ein Charakter wie die Geschichte der griechischen Republiken keinen reineren
zu nennen weiß. Börne hat viel Liebe und viel Haß erfahren. Die neue¬
ste Ausgabe seiner Schriften ist ein Denkmal, welches das Herz seiner
nächsten Freunde ihm errichteten. Wochenlang wurde im Kreise derselben
darüber discutirt, ob diese oder jene Stelle zuläßlich sei oder nicht, und ob
der Geist des Verstorbenen nicht darüber zürnen könne, daß man diesen oder
jenen Aufsatz aus der Vergessenheit wieder hervorruft, zu der er selbst ihn
verdammt hatte. Möchte es doch jener treuen und würdigen Freundin Bör¬
nes, welche die Redaktion dieser neuen Ausgabe mit solcher Pietät leitete,
jener Dame, an welche er seine Briefe richtete, und die in neuester Zeit,
wider ihren Willen auf den großen Markt der Oeffentlichkeit gezogen wurde,
möchte es ihr doch gefallen, aus dem reichen und kostbaren Briefschatz, den
sie noch von ihm in Händen hat, das Zweckmäßigste zu veröffentlichen.
Bei dem scharfen geistigen Stempel, der fast jeder Zeile aufgeprägt ist, die
Börne geschrieben, müssen wir noch einen ganzen blühenden Gedankengarten
in dem Hintergrunde vermuthen, zu welchem Mad. W. S. allein den Schlüssel hat.
Ueber Eins können wir unsere Verwunderung hier nicht unterdrücken.
Wie kömmt es daß die neueste Ausgabe nicht mit den Aufsätzen bereichert
wurde, welche der letzten Lebenszeit Börnes entsproßen, wir meinen jene
wundersamen Artikel der Balance, welche in Frankreich Aufsehen erregten,
und in Deutschland unbekannt geblieben sind? Allerdings wäre man hier¬
mit auf Censurhindernisse gestoßen, welche der Verbreitung der ganzen
Ausgabe entgegen gewesen wären, auch hat ein Theil dieser Ba¬
lance-Artikel das Material zu dem „Franzosenfresser“ geliefert. Immerhin
aber blieb noch so viel übrig, um die Möglichkeit zu geben, dem deutschen
Publikum einige Fragmente vorzuführen, die vielleicht das Schönste bilden,
was der Feder des gefeierten Schriftstellers entflossen.
Die Balance hat nur in sehr wenigen Exemplare über die deutsche
Grenze sich geschlichen. In Frankreich selbst ist dieselbe bloß in die
Hände der Literaten gekommen. Das größere Publikum ist auf die,
auf grauem Papier gedruckte, im Selbstverlag und in unregelmä¬
ßigen Lieferungen erschienene Publication, nicht aufmerksam geworden. So
sind diese merkwürdigen Blätter versickert und zerstreut worden, und eine
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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/113>, abgerufen am 16.02.2025.
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