Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung.
System in das andere übergeht. Dieser Uebergang der verschiedenen
Systeme in einander bildet daher eine zweite natürliche Stufe in
dem Gebiete der Ausdehnungslehre, und mit ihr ist dann das Ge-
biet der elementaren Darstellung dieser Wissenschaft beschlossen.

Es entspricht dieser Uebergang der Systeme in einander der
Schwenkungsbewegung in der Raumlehre, und mit dieser hängt
zusammen die Winkelgrösse, die absolute Länge, der senkrechte
Stand u. s. w.; was alles seine Erledigung erst in dem zweiten
Theile der Ausdehnungslehre finden wird.

D. Form der Darstellung.

13. Das Eigenthümliche der philosophischen Methode ist,
dass sie in Gegensätzen fortschreitet, und so vom Allgemeinen zum
Besonderen gelangt; die mathematische Methode hingegen schreitet
von den einfachsten Begriffen zu den zusammengesetzteren fort,
und gewinnt so durch Verknüpfung des Besonderen neue und all-
gemeinere Begriffe.

Während also dort die Uebersicht über das Ganze vorwaltet,
und die Entwickelung eben in der allmäligen Verzweigung und
Gliederung des Ganzen bestest, so herrscht hier die Aneinander-
kettung des Besonderen hervor, und jede in sich geschlossene
Entwickelungsreihe bildet zusammen wieder nur ein Glied für die
folgende Verkettung, und diese Differenz der Methode liegt in dem
Begriffe, denn in der Philosophie ist eben die Einheit der Idee das
ursprüngliche, in der Mathematik hingegen die Besonderheit, das
ursprüngliche, hingegen die Idee das letzte, angestrebte; wodurch
die entgegengesetzte Fortschreitung bedingt ist.

14. Da sowohl die Mathematik als die Philosophie Wissen-
schaften im strengsten Sinne sind, so muss die Methode in beiden
etwas gemeinschaftliches haben, was sie eben zur wissenschaftlichen
macht. Nun legen wir einer Behandlungsweise Wissenschaftlichkeit
bei, wenn der Leser durch sie einestheils mit Nothwendigkeit zur
Anerkennung jeder einzelnen Wahrheit geführt wird, andrerseits in

Einleitung.
System in das andere übergeht. Dieser Uebergang der verschiedenen
Systeme in einander bildet daher eine zweite natürliche Stufe in
dem Gebiete der Ausdehnungslehre, und mit ihr ist dann das Ge-
biet der elementaren Darstellung dieser Wissenschaft beschlossen.

Es entspricht dieser Uebergang der Systeme in einander der
Schwenkungsbewegung in der Raumlehre, und mit dieser hängt
zusammen die Winkelgrösse, die absolute Länge, der senkrechte
Stand u. s. w.; was alles seine Erledigung erst in dem zweiten
Theile der Ausdehnungslehre finden wird.

D. Form der Darstellung.

13. Das Eigenthümliche der philosophischen Methode ist,
dass sie in Gegensätzen fortschreitet, und so vom Allgemeinen zum
Besonderen gelangt; die mathematische Methode hingegen schreitet
von den einfachsten Begriffen zu den zusammengesetzteren fort,
und gewinnt so durch Verknüpfung des Besonderen neue und all-
gemeinere Begriffe.

Während also dort die Uebersicht über das Ganze vorwaltet,
und die Entwickelung eben in der allmäligen Verzweigung und
Gliederung des Ganzen bestest, so herrscht hier die Aneinander-
kettung des Besonderen hervor, und jede in sich geschlossene
Entwickelungsreihe bildet zusammen wieder nur ein Glied für die
folgende Verkettung, und diese Differenz der Methode liegt in dem
Begriffe, denn in der Philosophie ist eben die Einheit der Idee das
ursprüngliche, in der Mathematik hingegen die Besonderheit, das
ursprüngliche, hingegen die Idee das letzte, angestrebte; wodurch
die entgegengesetzte Fortschreitung bedingt ist.

14. Da sowohl die Mathematik als die Philosophie Wissen-
schaften im strengsten Sinne sind, so muss die Methode in beiden
etwas gemeinschaftliches haben, was sie eben zur wissenschaftlichen
macht. Nun legen wir einer Behandlungsweise Wissenschaftlichkeit
bei, wenn der Leser durch sie einestheils mit Nothwendigkeit zur
Anerkennung jeder einzelnen Wahrheit geführt wird, andrerseits in

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0033" n="XXIX"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung.</hi></fw><lb/>
System in das andere übergeht. Dieser Uebergang der verschiedenen<lb/>
Systeme in einander bildet daher eine zweite natürliche Stufe in<lb/>
dem Gebiete der Ausdehnungslehre, und mit ihr ist dann das Ge-<lb/>
biet der elementaren Darstellung dieser Wissenschaft beschlossen.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Es entspricht dieser Uebergang der Systeme in einander der<lb/>
Schwenkungsbewegung in der Raumlehre, und mit dieser hängt<lb/>
zusammen die Winkelgrösse, die absolute Länge, der senkrechte<lb/>
Stand u. s. w.; was alles seine Erledigung erst in dem zweiten<lb/>
Theile der Ausdehnungslehre finden wird.</hi> </p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">D. <hi rendition="#g">Form der Darstellung.</hi></hi> </head><lb/>
          <p>13. Das Eigenthümliche der philosophischen Methode ist,<lb/>
dass sie in Gegensätzen fortschreitet, und so vom Allgemeinen zum<lb/>
Besonderen gelangt; die mathematische Methode hingegen schreitet<lb/>
von den einfachsten Begriffen zu den zusammengesetzteren fort,<lb/>
und gewinnt so durch Verknüpfung des Besonderen neue und all-<lb/>
gemeinere Begriffe.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Während also dort die Uebersicht über das Ganze vorwaltet,<lb/>
und die Entwickelung eben in der allmäligen Verzweigung und<lb/>
Gliederung des Ganzen bestest, so herrscht hier die Aneinander-<lb/>
kettung des Besonderen hervor, und jede in sich geschlossene<lb/>
Entwickelungsreihe bildet zusammen wieder nur ein Glied für die<lb/>
folgende Verkettung, und diese Differenz der Methode liegt in dem<lb/>
Begriffe, denn in der Philosophie ist eben die Einheit der Idee das<lb/>
ursprüngliche, in der Mathematik hingegen die Besonderheit, das<lb/>
ursprüngliche, hingegen die Idee das letzte, angestrebte; wodurch<lb/>
die entgegengesetzte Fortschreitung bedingt ist.</hi> </p><lb/>
          <p>14. Da sowohl die Mathematik als die Philosophie Wissen-<lb/>
schaften im strengsten Sinne sind, so muss die Methode in beiden<lb/>
etwas gemeinschaftliches haben, was sie eben zur wissenschaftlichen<lb/>
macht. Nun legen wir einer Behandlungsweise Wissenschaftlichkeit<lb/>
bei, wenn der Leser durch sie einestheils mit Nothwendigkeit zur<lb/>
Anerkennung jeder einzelnen Wahrheit geführt wird, andrerseits in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XXIX/0033] Einleitung. System in das andere übergeht. Dieser Uebergang der verschiedenen Systeme in einander bildet daher eine zweite natürliche Stufe in dem Gebiete der Ausdehnungslehre, und mit ihr ist dann das Ge- biet der elementaren Darstellung dieser Wissenschaft beschlossen. Es entspricht dieser Uebergang der Systeme in einander der Schwenkungsbewegung in der Raumlehre, und mit dieser hängt zusammen die Winkelgrösse, die absolute Länge, der senkrechte Stand u. s. w.; was alles seine Erledigung erst in dem zweiten Theile der Ausdehnungslehre finden wird. D. Form der Darstellung. 13. Das Eigenthümliche der philosophischen Methode ist, dass sie in Gegensätzen fortschreitet, und so vom Allgemeinen zum Besonderen gelangt; die mathematische Methode hingegen schreitet von den einfachsten Begriffen zu den zusammengesetzteren fort, und gewinnt so durch Verknüpfung des Besonderen neue und all- gemeinere Begriffe. Während also dort die Uebersicht über das Ganze vorwaltet, und die Entwickelung eben in der allmäligen Verzweigung und Gliederung des Ganzen bestest, so herrscht hier die Aneinander- kettung des Besonderen hervor, und jede in sich geschlossene Entwickelungsreihe bildet zusammen wieder nur ein Glied für die folgende Verkettung, und diese Differenz der Methode liegt in dem Begriffe, denn in der Philosophie ist eben die Einheit der Idee das ursprüngliche, in der Mathematik hingegen die Besonderheit, das ursprüngliche, hingegen die Idee das letzte, angestrebte; wodurch die entgegengesetzte Fortschreitung bedingt ist. 14. Da sowohl die Mathematik als die Philosophie Wissen- schaften im strengsten Sinne sind, so muss die Methode in beiden etwas gemeinschaftliches haben, was sie eben zur wissenschaftlichen macht. Nun legen wir einer Behandlungsweise Wissenschaftlichkeit bei, wenn der Leser durch sie einestheils mit Nothwendigkeit zur Anerkennung jeder einzelnen Wahrheit geführt wird, andrerseits in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/33
Zitationshilfe: Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844, S. XXIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/33>, abgerufen am 29.03.2024.