creation nicht, der in seinem poetischen Tractate p. 23, das lächer- liche Wesen der Oper gleichfalls abgemahlt. Sondern ich über- lasse nunmehro einem jeden die freye Wahl, ob er sich vor, oder wie- der die Opern erklären wolle. Jch meines Theils habe vor alle die geschickten und gelehrten Männer, die sich auch in diesem Stü- cke bey uns geübt haben, eine gebührende Hochachtung: Erfreue mich aber, wenn das Opern-Wesen in Deutschland mehr und mehr in Abnahme geräth.
Das Leipziger Theatrum ist fast seit zehn Jahren eingegan- gen, und das Hamburgische hat diesen Sommer aufgehöret: als ich eben daselbst war, und gern selbst einen Zuschauer abgegeben hätte. Dieses zeiget mir den zunehmenden guten Geschmack unsrer Landesleute, wozu ich ihnen Glück wünsche. Denn wären Liebhaber genug vorhanden gewesen, die einer solchen Lustbarkeit hätten beywohnen wollen: so würde man das Ende dieser beyden Schaubühnen noch nicht gesehen haben.
Dagegen sieht man, daß die Comödien und Tragödien täg- lich mehr und mehr Beyfall finden, und mit der Zeit allenthalben die Oberhand haben werden; wenn man nur erst großen Herrn die gar zu große Liebe ausländischer Sprachen aus dem Sinne bringen wird. Das wird aber bloß auf unsre Poeten und Comö- dianten ankommen: deren jene schöne, regelmäßige Stücke zu verfertigen; diese aber dieselben gehörig aufzuführen beflissen seyn müssen.
ENDE.
Regi-
Q q 3
Von Opern oder Singſpielen.
creation nicht, der in ſeinem poetiſchen Tractate p. 23, das laͤcher- liche Weſen der Oper gleichfalls abgemahlt. Sondern ich uͤber- laſſe nunmehro einem jeden die freye Wahl, ob er ſich vor, oder wie- der die Opern erklaͤren wolle. Jch meines Theils habe vor alle die geſchickten und gelehrten Maͤnner, die ſich auch in dieſem Stuͤ- cke bey uns geuͤbt haben, eine gebuͤhrende Hochachtung: Erfreue mich aber, wenn das Opern-Weſen in Deutſchland mehr und mehr in Abnahme geraͤth.
Das Leipziger Theatrum iſt faſt ſeit zehn Jahren eingegan- gen, und das Hamburgiſche hat dieſen Sommer aufgehoͤret: als ich eben daſelbſt war, und gern ſelbſt einen Zuſchauer abgegeben haͤtte. Dieſes zeiget mir den zunehmenden guten Geſchmack unſrer Landesleute, wozu ich ihnen Gluͤck wuͤnſche. Denn waͤren Liebhaber genug vorhanden geweſen, die einer ſolchen Luſtbarkeit haͤtten beywohnen wollen: ſo wuͤrde man das Ende dieſer beyden Schaubuͤhnen noch nicht geſehen haben.
Dagegen ſieht man, daß die Comoͤdien und Tragoͤdien taͤg- lich mehr und mehr Beyfall finden, und mit der Zeit allenthalben die Oberhand haben werden; wenn man nur erſt großen Herrn die gar zu große Liebe auslaͤndiſcher Sprachen aus dem Sinne bringen wird. Das wird aber bloß auf unſre Poeten und Comoͤ- dianten ankommen: deren jene ſchoͤne, regelmaͤßige Stuͤcke zu verfertigen; dieſe aber dieſelben gehoͤrig aufzufuͤhren befliſſen ſeyn muͤſſen.
ENDE.
Regi-
Q q 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0641"n="613"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von Opern oder Singſpielen.</hi></fw><lb/><hirendition="#aq">creation</hi> nicht, der in ſeinem poetiſchen Tractate <hirendition="#aq">p.</hi> 23, das laͤcher-<lb/>
liche Weſen der Oper gleichfalls abgemahlt. Sondern ich uͤber-<lb/>
laſſe nunmehro einem jeden die freye Wahl, ob er ſich vor, oder wie-<lb/>
der die Opern erklaͤren wolle. Jch meines Theils habe vor alle<lb/>
die geſchickten und gelehrten Maͤnner, die ſich auch in dieſem Stuͤ-<lb/>
cke bey uns geuͤbt haben, eine gebuͤhrende Hochachtung: Erfreue<lb/>
mich aber, wenn das Opern-Weſen in Deutſchland mehr und mehr<lb/>
in Abnahme geraͤth.</p><lb/><p>Das Leipziger Theatrum iſt faſt ſeit zehn Jahren eingegan-<lb/>
gen, und das Hamburgiſche hat dieſen Sommer aufgehoͤret: als<lb/>
ich eben daſelbſt war, und gern ſelbſt einen Zuſchauer abgegeben<lb/>
haͤtte. Dieſes zeiget mir den zunehmenden guten Geſchmack<lb/>
unſrer Landesleute, wozu ich ihnen Gluͤck wuͤnſche. Denn waͤren<lb/>
Liebhaber genug vorhanden geweſen, die einer ſolchen Luſtbarkeit<lb/>
haͤtten beywohnen wollen: ſo wuͤrde man das Ende dieſer beyden<lb/>
Schaubuͤhnen noch nicht geſehen haben.</p><lb/><p>Dagegen ſieht man, daß die Comoͤdien und Tragoͤdien taͤg-<lb/>
lich mehr und mehr Beyfall finden, und mit der Zeit allenthalben<lb/>
die Oberhand haben werden; wenn man nur erſt großen Herrn<lb/>
die gar zu große Liebe auslaͤndiſcher Sprachen aus dem Sinne<lb/>
bringen wird. Das wird aber bloß auf unſre Poeten und Comoͤ-<lb/><hirendition="#c">dianten ankommen: deren jene ſchoͤne, regelmaͤßige Stuͤcke zu<lb/>
verfertigen; dieſe aber dieſelben gehoͤrig aufzufuͤhren<lb/>
befliſſen ſeyn muͤſſen.</hi></p><lb/><p><hirendition="#c"><hirendition="#b"><hirendition="#g">ENDE.</hi></hi></hi></p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Q q 3</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Regi-</hi></fw><lb/></body></text></TEI>
[613/0641]
Von Opern oder Singſpielen.
creation nicht, der in ſeinem poetiſchen Tractate p. 23, das laͤcher-
liche Weſen der Oper gleichfalls abgemahlt. Sondern ich uͤber-
laſſe nunmehro einem jeden die freye Wahl, ob er ſich vor, oder wie-
der die Opern erklaͤren wolle. Jch meines Theils habe vor alle
die geſchickten und gelehrten Maͤnner, die ſich auch in dieſem Stuͤ-
cke bey uns geuͤbt haben, eine gebuͤhrende Hochachtung: Erfreue
mich aber, wenn das Opern-Weſen in Deutſchland mehr und mehr
in Abnahme geraͤth.
Das Leipziger Theatrum iſt faſt ſeit zehn Jahren eingegan-
gen, und das Hamburgiſche hat dieſen Sommer aufgehoͤret: als
ich eben daſelbſt war, und gern ſelbſt einen Zuſchauer abgegeben
haͤtte. Dieſes zeiget mir den zunehmenden guten Geſchmack
unſrer Landesleute, wozu ich ihnen Gluͤck wuͤnſche. Denn waͤren
Liebhaber genug vorhanden geweſen, die einer ſolchen Luſtbarkeit
haͤtten beywohnen wollen: ſo wuͤrde man das Ende dieſer beyden
Schaubuͤhnen noch nicht geſehen haben.
Dagegen ſieht man, daß die Comoͤdien und Tragoͤdien taͤg-
lich mehr und mehr Beyfall finden, und mit der Zeit allenthalben
die Oberhand haben werden; wenn man nur erſt großen Herrn
die gar zu große Liebe auslaͤndiſcher Sprachen aus dem Sinne
bringen wird. Das wird aber bloß auf unſre Poeten und Comoͤ-
dianten ankommen: deren jene ſchoͤne, regelmaͤßige Stuͤcke zu
verfertigen; dieſe aber dieſelben gehoͤrig aufzufuͤhren
befliſſen ſeyn muͤſſen.
ENDE.
Regi-
Q q 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/641>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.