Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.
Wenn ich denn selbst einmahl ein Spott-Gedichte schreib, So denckt nicht daß ich nur bey schlechten Worten bleib, Die wir von Kindheit an, ohn alle Kunst gewohnen, Und die kein Putz erhöht; ihr trefflichen Pisonen! 300 303 305 306 307 311 Auch 300 Wagt sich unter uns. Jn Rom sind dieser Art Schauspiele niemahls eingeführet worden: obgleich einige die Fabulas Atellanas dahin haben rechnen wollen. Gleichwohl giebt Horatz auf allen Fall Regeln, die allen Satyrenschrei- bern dienen können. 303 Ein Gott, ein Held. Diese Personen gehören eigentlich nicht in die Co- mödien, sondern in die Tragödien: doch in den atellanischen Fabeln, pflegten die Römer auch diese aufzuführen, und was lustiges mit unterzumischen. Eine solche Atellana war gleichsam das Nachspiel einer Tragödie in Rom, wie Dacier will, und ward von eben denselben Personen gespielt, die im Vorspiele in Kron und Pur- pur erschienen waren. 305 306 Sich weder etc. noch etc. Die Schreibart in dieser Art von Schau- spielen soll das Mittel halten, weder pöbelhafft und niederträchtig, noch gar zu hochtrabend und aufgeblasen seyn. Die Römer hatten noch Fabulas Taberna- rias, da auf der Bühne die Hütten schlechter Leute vorgestellt wurden, und worinn lauter schlechte Leute auftraten, die gantz gemein redeten. Zwischen diesen und den tragischen Ausdrückungen sollen die atellanischen Fabeln das Mittel halten. 307 So erbar eine Frau. Dieß Gleichniß ist überaus geschickt das obige zu erläutern. Eine Matrone muste zwar an Festtagen tantzen; aber gantz erbar: nicht so lustig als junge Mädchen, die sich recht ergetzen wollten. So auch diese Art von Tragödien etc. Es waren aber nur gewisse Feste, da die Frauen in Rom den Göttern zu Ehren tantzen durften, und sie wurden von den Priestern dazu gewehlet. Das heist moveri jussa. 311 Ein Spottgedichte, Satirorum Scriptor: oder solcher atellanischen Tra-
gicomödien. Dieß giebt allen Satiren-Schreibern eine treffliche Regel. Sie soll
Wenn ich denn ſelbſt einmahl ein Spott-Gedichte ſchreib, So denckt nicht daß ich nur bey ſchlechten Worten bleib, Die wir von Kindheit an, ohn alle Kunſt gewohnen, Und die kein Putz erhoͤht; ihr trefflichen Piſonen! 300 303 305 306 307 311 Auch 300 Wagt ſich unter uns. Jn Rom ſind dieſer Art Schauſpiele niemahls eingefuͤhret worden: obgleich einige die Fabulas Atellanas dahin haben rechnen wollen. Gleichwohl giebt Horatz auf allen Fall Regeln, die allen Satyrenſchrei- bern dienen koͤnnen. 303 Ein Gott, ein Held. Dieſe Perſonen gehoͤren eigentlich nicht in die Co- moͤdien, ſondern in die Tragoͤdien: doch in den atellaniſchen Fabeln, pflegten die Roͤmer auch dieſe aufzufuͤhren, und was luſtiges mit unterzumiſchen. Eine ſolche Atellana war gleichſam das Nachſpiel einer Tragoͤdie in Rom, wie Dacier will, und ward von eben denſelben Perſonen geſpielt, die im Vorſpiele in Kron und Pur- pur erſchienen waren. 305 306 Sich weder ꝛc. noch ꝛc. Die Schreibart in dieſer Art von Schau- ſpielen ſoll das Mittel halten, weder poͤbelhafft und niedertraͤchtig, noch gar zu hochtrabend und aufgeblaſen ſeyn. Die Roͤmer hatten noch Fabulas Taberna- rias, da auf der Buͤhne die Huͤtten ſchlechter Leute vorgeſtellt wurden, und worinn lauter ſchlechte Leute auftraten, die gantz gemein redeten. Zwiſchen dieſen und den tragiſchen Ausdruͤckungen ſollen die atellaniſchen Fabeln das Mittel halten. 307 So erbar eine Frau. Dieß Gleichniß iſt uͤberaus geſchickt das obige zu erlaͤutern. Eine Matrone muſte zwar an Feſttagen tantzen; aber gantz erbar: nicht ſo luſtig als junge Maͤdchen, die ſich recht ergetzen wollten. So auch dieſe Art von Tragoͤdien ꝛc. Es waren aber nur gewiſſe Feſte, da die Frauen in Rom den Goͤttern zu Ehren tantzen durften, und ſie wurden von den Prieſtern dazu gewehlet. Das heiſt moveri juſſa. 311 Ein Spottgedichte, Satirorum Scriptor: oder ſolcher atellaniſchen Tra-
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Horatius von der Dicht-Kunſt.
Sich toll und voll gezecht. So fieng das Luſt-Spiel an.
Doch wagt ſich unter uns ein neuer Dichter dran;
So muß er ſeinen Schertz und ſein ſatyriſch Lachen
Nicht frech und regelloß; vielmehr ſo kluͤglich machen,
Daß wenn ein Gott, ein Held, ſich auf der Buͤhne zeigt,
Der Gold und Purpur traͤgt, und kaum vom Throne ſteigt,
Sein Mund ſich weder gantz zum tiefſten Poͤbel neige
Noch gar zu voller Schwulſt die Wolcken uͤberſteige.
So erbar eine Frau, wenn ſie ein hohes Feſt,
Nach unſrer Stadt Gebrauch zum Tanze ruffen laͤſſt,
Jn ihrem Reyhen geht: So pflegt ſich bey Satyren
Das hohe Trauer-Spiel gantz ſchamhafft auf zufuͤhren.
Wenn ich denn ſelbſt einmahl ein Spott-Gedichte ſchreib,
So denckt nicht daß ich nur bey ſchlechten Worten bleib,
Die wir von Kindheit an, ohn alle Kunſt gewohnen,
Und die kein Putz erhoͤht; ihr trefflichen Piſonen!
Auch
300
303
305 306
307
311
300 Wagt ſich unter uns. Jn Rom ſind dieſer Art Schauſpiele niemahls
eingefuͤhret worden: obgleich einige die Fabulas Atellanas dahin haben rechnen
wollen. Gleichwohl giebt Horatz auf allen Fall Regeln, die allen Satyrenſchrei-
bern dienen koͤnnen.
303 Ein Gott, ein Held. Dieſe Perſonen gehoͤren eigentlich nicht in die Co-
moͤdien, ſondern in die Tragoͤdien: doch in den atellaniſchen Fabeln, pflegten die
Roͤmer auch dieſe aufzufuͤhren, und was luſtiges mit unterzumiſchen. Eine ſolche
Atellana war gleichſam das Nachſpiel einer Tragoͤdie in Rom, wie Dacier will,
und ward von eben denſelben Perſonen geſpielt, die im Vorſpiele in Kron und Pur-
pur erſchienen waren.
305 306 Sich weder ꝛc. noch ꝛc. Die Schreibart in dieſer Art von Schau-
ſpielen ſoll das Mittel halten, weder poͤbelhafft und niedertraͤchtig, noch gar zu
hochtrabend und aufgeblaſen ſeyn. Die Roͤmer hatten noch Fabulas Taberna-
rias, da auf der Buͤhne die Huͤtten ſchlechter Leute vorgeſtellt wurden, und worinn
lauter ſchlechte Leute auftraten, die gantz gemein redeten. Zwiſchen dieſen und
den tragiſchen Ausdruͤckungen ſollen die atellaniſchen Fabeln das Mittel halten.
307 So erbar eine Frau. Dieß Gleichniß iſt uͤberaus geſchickt das obige zu
erlaͤutern. Eine Matrone muſte zwar an Feſttagen tantzen; aber gantz erbar: nicht
ſo luſtig als junge Maͤdchen, die ſich recht ergetzen wollten. So auch dieſe Art von
Tragoͤdien ꝛc. Es waren aber nur gewiſſe Feſte, da die Frauen in Rom den Goͤttern
zu Ehren tantzen durften, und ſie wurden von den Prieſtern dazu gewehlet. Das
heiſt moveri juſſa.
311 Ein Spottgedichte, Satirorum Scriptor: oder ſolcher atellaniſchen Tra-
gicomoͤdien. Dieß giebt allen Satiren-Schreibern eine treffliche Regel. Sie
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