Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.
Viel Glück zum neuen Stande! Der Himmel knüpft die Liebes-Bande, Wo sich ein Paar, wie hier, vertraut. Das holde Bild der Jungfer Braut Hat in der That uns allen Von Hertzen wohlgefallen: Weil Geist und Witz und Sittsamkeit Aus allen ihren Minen Erschienen. Was haben wir denn mehr zu sagen? Es müsse dieses neue Paar Sein Lebenlang sich über nichts beklagen. So manchen Tag, so manches Jahr, So manches Jahr, so manchen Tag, Als es sich selber wünschen mag, Soll es die Lust der Hochzeit wiederhohlen, Die süsser schmecken soll, als wenn man sie gestohlen. So viel Gras die Erde träget, So viel Jungfern Leipzig heget, So viel Mädchen heimlich lieben, So viel Briefe sie geschrieben, So viel Weiber auf der Erden Jhren Männern untreu werden, So viel Männer offtmahls lauschen, Und mit ihren Nachbarn tauschen, So viel man bey allen Sachen Falsche Glossen pflegt zu machen, So viel Dichter Zoten reißen, Die doch schön und artig heißen, So viel Hertzen schöne Wangen Hier in Leipzig schon gefangen, So viel wir Coffee verzehren, Eh wir diese Stadt ernähren, So viel Seegen Glück und Freude Treffe die Verlobten Beyde. Nun Kinder, geht zu Bette, Und schlafet um die Wette. Der Nachbar hält das Hörnchen schon, Und bläßt aus einem süßen Thon. Wiewohl wer weiß, ob ihr davon erwacht! Gute Nacht! Gute Nacht! Das
Viel Gluͤck zum neuen Stande! Der Himmel knuͤpft die Liebes-Bande, Wo ſich ein Paar, wie hier, vertraut. Das holde Bild der Jungfer Braut Hat in der That uns allen Von Hertzen wohlgefallen: Weil Geiſt und Witz und Sittſamkeit Aus allen ihren Minen Erſchienen. Was haben wir denn mehr zu ſagen? Es muͤſſe dieſes neue Paar Sein Lebenlang ſich uͤber nichts beklagen. So manchen Tag, ſo manches Jahr, So manches Jahr, ſo manchen Tag, Als es ſich ſelber wuͤnſchen mag, Soll es die Luſt der Hochzeit wiederhohlen, Die ſuͤſſer ſchmecken ſoll, als wenn man ſie geſtohlen. So viel Gras die Erde traͤget, So viel Jungfern Leipzig heget, So viel Maͤdchen heimlich lieben, So viel Briefe ſie geſchrieben, So viel Weiber auf der Erden Jhren Maͤnnern untreu werden, So viel Maͤnner offtmahls lauſchen, Und mit ihren Nachbarn tauſchen, So viel man bey allen Sachen Falſche Gloſſen pflegt zu machen, So viel Dichter Zoten reißen, Die doch ſchoͤn und artig heißen, So viel Hertzen ſchoͤne Wangen Hier in Leipzig ſchon gefangen, So viel wir Coffee verzehren, Eh wir dieſe Stadt ernaͤhren, So viel Seegen Gluͤck und Freude Treffe die Verlobten Beyde. Nun Kinder, geht zu Bette, Und ſchlafet um die Wette. Der Nachbar haͤlt das Hoͤrnchen ſchon, Und blaͤßt aus einem ſuͤßen Thon. Wiewohl wer weiß, ob ihr davon erwacht! Gute Nacht! Gute Nacht! Das
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <lg n="21"> <l> <pb facs="#f0540" n="512"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Des <hi rendition="#aq">II</hi> Theils <hi rendition="#aq">VII</hi> Capitel</hi> </fw> </l><lb/> <l>Daß wir es mit ihm ehrlich meynen.</l><lb/> <l>Drum giebt ſie uns Gehoͤr:</l><lb/> <l>Und was iſts endlich mehr?</l><lb/> <l>Wo alles lacht, da koͤnnen wir nicht weinen.</l> </lg><lb/> <lg n="22"> <l>Viel Gluͤck zum neuen Stande!</l><lb/> <l>Der Himmel knuͤpft die Liebes-Bande,</l><lb/> <l>Wo ſich ein Paar, wie hier, vertraut.</l><lb/> <l>Das holde Bild der Jungfer Braut</l><lb/> <l>Hat in der That uns allen</l><lb/> <l>Von Hertzen wohlgefallen:</l><lb/> <l>Weil Geiſt und Witz und Sittſamkeit</l><lb/> <l>Aus allen ihren Minen</l><lb/> <l>Erſchienen.</l><lb/> <l>Was haben wir denn mehr zu ſagen?</l><lb/> <l>Es muͤſſe dieſes neue Paar</l><lb/> <l>Sein Lebenlang ſich uͤber nichts beklagen.</l><lb/> <l>So manchen Tag, ſo manches Jahr,</l><lb/> <l>So manches Jahr, ſo manchen Tag,</l><lb/> <l>Als es ſich ſelber wuͤnſchen mag,</l><lb/> <l>Soll es die Luſt der Hochzeit wiederhohlen,</l><lb/> <l>Die ſuͤſſer ſchmecken ſoll, als wenn man ſie geſtohlen.</l> </lg><lb/> <lg n="23"> <l>So viel Gras die Erde traͤget,</l><lb/> <l>So viel Jungfern Leipzig heget,</l><lb/> <l>So viel Maͤdchen heimlich lieben,</l><lb/> <l>So viel Briefe ſie geſchrieben,</l><lb/> <l>So viel Weiber auf der Erden</l><lb/> <l>Jhren Maͤnnern untreu werden,</l><lb/> <l>So viel Maͤnner offtmahls lauſchen,</l><lb/> <l>Und mit ihren Nachbarn tauſchen,</l><lb/> <l>So viel man bey allen Sachen</l><lb/> <l>Falſche Gloſſen pflegt zu machen,</l><lb/> <l>So viel Dichter Zoten reißen,</l><lb/> <l>Die doch ſchoͤn und artig heißen,</l><lb/> <l>So viel Hertzen ſchoͤne Wangen</l><lb/> <l>Hier in Leipzig ſchon gefangen,</l><lb/> <l>So viel wir Coffee verzehren,</l><lb/> <l>Eh wir dieſe Stadt ernaͤhren,</l><lb/> <l>So viel Seegen Gluͤck und Freude</l><lb/> <l>Treffe die Verlobten Beyde.</l> </lg><lb/> <lg n="24"> <l>Nun Kinder, geht zu Bette,</l><lb/> <l>Und ſchlafet um die Wette.</l><lb/> <l>Der Nachbar haͤlt das Hoͤrnchen ſchon,</l><lb/> <l>Und blaͤßt aus einem ſuͤßen Thon.</l><lb/> <l>Wiewohl wer weiß, ob ihr davon erwacht!</l><lb/> <l>Gute Nacht! Gute Nacht!</l> </lg> </lg> </div> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [512/0540]
Des II Theils VII Capitel
Daß wir es mit ihm ehrlich meynen.
Drum giebt ſie uns Gehoͤr:
Und was iſts endlich mehr?
Wo alles lacht, da koͤnnen wir nicht weinen.
Viel Gluͤck zum neuen Stande!
Der Himmel knuͤpft die Liebes-Bande,
Wo ſich ein Paar, wie hier, vertraut.
Das holde Bild der Jungfer Braut
Hat in der That uns allen
Von Hertzen wohlgefallen:
Weil Geiſt und Witz und Sittſamkeit
Aus allen ihren Minen
Erſchienen.
Was haben wir denn mehr zu ſagen?
Es muͤſſe dieſes neue Paar
Sein Lebenlang ſich uͤber nichts beklagen.
So manchen Tag, ſo manches Jahr,
So manches Jahr, ſo manchen Tag,
Als es ſich ſelber wuͤnſchen mag,
Soll es die Luſt der Hochzeit wiederhohlen,
Die ſuͤſſer ſchmecken ſoll, als wenn man ſie geſtohlen.
So viel Gras die Erde traͤget,
So viel Jungfern Leipzig heget,
So viel Maͤdchen heimlich lieben,
So viel Briefe ſie geſchrieben,
So viel Weiber auf der Erden
Jhren Maͤnnern untreu werden,
So viel Maͤnner offtmahls lauſchen,
Und mit ihren Nachbarn tauſchen,
So viel man bey allen Sachen
Falſche Gloſſen pflegt zu machen,
So viel Dichter Zoten reißen,
Die doch ſchoͤn und artig heißen,
So viel Hertzen ſchoͤne Wangen
Hier in Leipzig ſchon gefangen,
So viel wir Coffee verzehren,
Eh wir dieſe Stadt ernaͤhren,
So viel Seegen Gluͤck und Freude
Treffe die Verlobten Beyde.
Nun Kinder, geht zu Bette,
Und ſchlafet um die Wette.
Der Nachbar haͤlt das Hoͤrnchen ſchon,
Und blaͤßt aus einem ſuͤßen Thon.
Wiewohl wer weiß, ob ihr davon erwacht!
Gute Nacht! Gute Nacht!
Das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |