Man wolle sie gewiß zu seiner Frauen machen. Das Ding ist gar zu wunderlich! Denn wer ein Mädgen liebt, der will sie nicht gleich nehmen. Die guten Kinder trügen sich, Und sollten sich der groben Einfalt schämen. Gesetzt man hätte gleich einmahl in hundert Jahren, Dergleichen Ding erfahren, So ist es doch nicht gar zu offt geschehn.
Palämon.
So haben denn die schönsten Schäferinnen, Die dich allhier so reitzend angesehn, Noch nie vermocht, dein Hertze zu gewinnen?
Thyrsis.
Bisher Palämon, warlich nicht! Doch höre was itzt Thyrsis spricht: Weil Pylades, mein Freund, in seinem Vaterlande, Cytherens Hertz und Mund gewonnen hat: So soll mich weder Feld noch Stadt, An diesem Saal- und jenem Pleißen-Strande, Durch seiner Nymphen Reitz und Lieblichkeit berücken, So wird es mir dereinst wie meinem Freunde glücken.
Palämon.
Du sagest recht, gelichter Freund, Jndessen müssen wir, unfehlbar, wie es scheint, Dem Pylades der alten Freundschafft Pflichten, Durch einen treuen Wunsch nach Schäferart entrichten. Sey nur bereit sein Hochzeit-Fest, Sobald er uns davon die Nachricht geben läßt, Durch deine Lieder zu beehren.
Thyrsis.
Jch folge dir, du must der erste seyn, Jch falle, wenn du singst, mit meiner Flöten ein.
Palämon.
Werther Pylades, dein Freyen, Müsse dir nach Wunsch gedeyen, Müsse dir ersprießlich seyn. Deiner Schönen Lieblichkeiten, N[eh]men dich zu allen Zeiten Mit erneuter Reitzung ein.
Thyr-
Des II Theils III Capitel
Man wolle ſie gewiß zu ſeiner Frauen machen. Das Ding iſt gar zu wunderlich! Denn wer ein Maͤdgen liebt, der will ſie nicht gleich nehmen. Die guten Kinder truͤgen ſich, Und ſollten ſich der groben Einfalt ſchaͤmen. Geſetzt man haͤtte gleich einmahl in hundert Jahren, Dergleichen Ding erfahren, So iſt es doch nicht gar zu offt geſchehn.
Palaͤmon.
So haben denn die ſchoͤnſten Schaͤferinnen, Die dich allhier ſo reitzend angeſehn, Noch nie vermocht, dein Hertze zu gewinnen?
Thyrſis.
Bisher Palaͤmon, warlich nicht! Doch hoͤre was itzt Thyrſis ſpricht: Weil Pylades, mein Freund, in ſeinem Vaterlande, Cytherens Hertz und Mund gewonnen hat: So ſoll mich weder Feld noch Stadt, An dieſem Saal- und jenem Pleißen-Strande, Durch ſeiner Nymphen Reitz und Lieblichkeit beruͤcken, So wird es mir dereinſt wie meinem Freunde gluͤcken.
Palaͤmon.
Du ſageſt recht, gelichter Freund, Jndeſſen muͤſſen wir, unfehlbar, wie es ſcheint, Dem Pylades der alten Freundſchafft Pflichten, Durch einen treuen Wunſch nach Schaͤferart entrichten. Sey nur bereit ſein Hochzeit-Feſt, Sobald er uns davon die Nachricht geben laͤßt, Durch deine Lieder zu beehren.
Thyrſis.
Jch folge dir, du muſt der erſte ſeyn, Jch falle, wenn du ſingſt, mit meiner Floͤten ein.
Palaͤmon.
Werther Pylades, dein Freyen, Muͤſſe dir nach Wunſch gedeyen, Muͤſſe dir erſprießlich ſeyn. Deiner Schoͤnen Lieblichkeiten, N[eh]men dich zu allen Zeiten Mit erneuter Reitzung ein.
Thyr-
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Des II Theils III Capitel
Man wolle ſie gewiß zu ſeiner Frauen machen.
Das Ding iſt gar zu wunderlich!
Denn wer ein Maͤdgen liebt, der will ſie nicht gleich nehmen.
Die guten Kinder truͤgen ſich,
Und ſollten ſich der groben Einfalt ſchaͤmen.
Geſetzt man haͤtte gleich einmahl in hundert Jahren,
Dergleichen Ding erfahren,
So iſt es doch nicht gar zu offt geſchehn.
Palaͤmon.
So haben denn die ſchoͤnſten Schaͤferinnen,
Die dich allhier ſo reitzend angeſehn,
Noch nie vermocht, dein Hertze zu gewinnen?
Thyrſis.
Bisher Palaͤmon, warlich nicht!
Doch hoͤre was itzt Thyrſis ſpricht:
Weil Pylades, mein Freund, in ſeinem Vaterlande,
Cytherens Hertz und Mund gewonnen hat:
So ſoll mich weder Feld noch Stadt,
An dieſem Saal- und jenem Pleißen-Strande,
Durch ſeiner Nymphen Reitz und Lieblichkeit beruͤcken,
So wird es mir dereinſt wie meinem Freunde gluͤcken.
Palaͤmon.
Du ſageſt recht, gelichter Freund,
Jndeſſen muͤſſen wir, unfehlbar, wie es ſcheint,
Dem Pylades der alten Freundſchafft Pflichten,
Durch einen treuen Wunſch nach Schaͤferart entrichten.
Sey nur bereit ſein Hochzeit-Feſt,
Sobald er uns davon die Nachricht geben laͤßt,
Durch deine Lieder zu beehren.
Thyrſis.
Jch folge dir, du muſt der erſte ſeyn,
Jch falle, wenn du ſingſt, mit meiner Floͤten ein.
Palaͤmon.
Werther Pylades, dein Freyen,
Muͤſſe dir nach Wunſch gedeyen,
Muͤſſe dir erſprießlich ſeyn.
Deiner Schoͤnen Lieblichkeiten,
Nehmen dich zu allen Zeiten
Mit erneuter Reitzung ein.
Thyr-
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/434>, abgerufen am 16.02.2025.
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