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Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736.

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Die Pietisterey
und ordentlich ists nicht geschrieben! Man sollte
schwören, der Autor hätte einen Schul-Knaben
von der andern Claße vor sich.
Jacob.
Ja! man sagt, diese Wiederlegung sey zwar
nicht so beschaffen, daß der Gegner dadurch über-
zeuget werde; aber sie soll doch sehr schön geschrie-
ben seyn.
Frau Zanckenheimin.
Was mir am besten gefällt, das ist, daß der
Autor sich gar nichts vor übel nimmt, und an der
Bündigkeit seiner Schlüße gar nicht zweifelt. O!
das ist ein Mann, der lacht über alle Philosophie
und Vernunfft! So bald ein Schrifft-Steller
etwas herausgibt, welches auf diese zwey Stücke
hinaus läufft, so macht er sich über ihn her, und
widerlegt ihn, ohne zu erforschen, was er meynt,
und ob er seine Sätze auch erweiset. Das sind
Poßen! Er mags gut bewiesen haben oder nicht:
Herr D. Lange widerlegt ihn; und fügt dieser Wi-
derlegung noch einen Hauffen Schimpff-Wörter
hinzu, ohne daß er den Autorem kennet: Und das
alles zur Erbauung frommer Hertzen. Das nenne
ich einen rechten Amts-Eifer.
Frau Glaubeleichtin.
Nun, Jacob! lasst ihr diese Bücher nur hier,
Morgen kommt wieder, so sollt ihr Antwort haben,
was
Die Pietiſterey
und ordentlich iſts nicht geſchrieben! Man ſollte
ſchwoͤren, der Autor haͤtte einen Schul-Knaben
von der andern Claße vor ſich.
Jacob.
Ja! man ſagt, dieſe Wiederlegung ſey zwar
nicht ſo beſchaffen, daß der Gegner dadurch uͤber-
zeuget werde; aber ſie ſoll doch ſehr ſchoͤn geſchrie-
ben ſeyn.
Frau Zanckenheimin.
Was mir am beſten gefaͤllt, das iſt, daß der
Autor ſich gar nichts vor uͤbel nimmt, und an der
Buͤndigkeit ſeiner Schluͤße gar nicht zweifelt. O!
das iſt ein Mann, der lacht uͤber alle Philoſophie
und Vernunfft! So bald ein Schrifft-Steller
etwas herausgibt, welches auf dieſe zwey Stuͤcke
hinaus laͤufft, ſo macht er ſich uͤber ihn her, und
widerlegt ihn, ohne zu erforſchen, was er meynt,
und ob er ſeine Saͤtze auch erweiſet. Das ſind
Poßen! Er mags gut bewieſen haben oder nicht:
Herr D. Lange widerlegt ihn; und fuͤgt dieſer Wi-
derlegung noch einen Hauffen Schimpff-Woͤrter
hinzu, ohne daß er den Autorem kennet: Und das
alles zur Erbauung frommer Hertzen. Das nenne
ich einen rechten Amts-Eifer.
Frau Glaubeleichtin.
Nun, Jacob! laſſt ihr dieſe Buͤcher nur hier,
Morgen kommt wieder, ſo ſollt ihr Antwort haben,
was
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[122/0142] Die Pietiſterey und ordentlich iſts nicht geſchrieben! Man ſollte ſchwoͤren, der Autor haͤtte einen Schul-Knaben von der andern Claße vor ſich. Jacob. Ja! man ſagt, dieſe Wiederlegung ſey zwar nicht ſo beſchaffen, daß der Gegner dadurch uͤber- zeuget werde; aber ſie ſoll doch ſehr ſchoͤn geſchrie- ben ſeyn. Frau Zanckenheimin. Was mir am beſten gefaͤllt, das iſt, daß der Autor ſich gar nichts vor uͤbel nimmt, und an der Buͤndigkeit ſeiner Schluͤße gar nicht zweifelt. O! das iſt ein Mann, der lacht uͤber alle Philoſophie und Vernunfft! So bald ein Schrifft-Steller etwas herausgibt, welches auf dieſe zwey Stuͤcke hinaus laͤufft, ſo macht er ſich uͤber ihn her, und widerlegt ihn, ohne zu erforſchen, was er meynt, und ob er ſeine Saͤtze auch erweiſet. Das ſind Poßen! Er mags gut bewieſen haben oder nicht: Herr D. Lange widerlegt ihn; und fuͤgt dieſer Wi- derlegung noch einen Hauffen Schimpff-Woͤrter hinzu, ohne daß er den Autorem kennet: Und das alles zur Erbauung frommer Hertzen. Das nenne ich einen rechten Amts-Eifer. Frau Glaubeleichtin. Nun, Jacob! laſſt ihr dieſe Buͤcher nur hier, Morgen kommt wieder, ſo ſollt ihr Antwort haben, was

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Zitationshilfe: Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/142>, abgerufen am 27.11.2024.