Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_238.001 a. Die alcäische Strophe. pgo_238.002_- _ _ _ _- || _ _ _ _ _ _ pgo_238.003 pgo_238.006 pgo_238.030 Rinn' unterdeß, o Leben! Sie kommt gewiß, pgo_238.032 pgo_238.035Die Stunde, die uns nach der Cypresse ruft! pgo_238.033 Jhr andern seid der schwermuthsvollen pgo_238.034 Liebe geweiht, und umweht uns dunkel. Klopstock. pgo_238.001 a. Die alcäische Strophe. pgo_238.002‿─ _ ‿ _ ‿─ ‖ _ ‿ ‿ _ ‿ _̆ pgo_238.003 pgo_238.006 pgo_238.030 Rinn' unterdeß, o Leben! Sie kommt gewiß, pgo_238.032 pgo_238.035Die Stunde, die uns nach der Cypresse ruft! pgo_238.033 Jhr andern seid der schwermuthsvollen pgo_238.034 Liebe geweiht, und umweht uns dunkel. Klopstock. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0260" n="238"/> <div n="6"> <lb n="pgo_238.001"/> <head> <hi rendition="#c">a. <hi rendition="#g">Die alcäische Strophe.</hi></hi> </head> <lb n="pgo_238.002"/> <p> <hi rendition="#right">‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> _ ‿ _ ‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> ‖ _ ‿ ‿ _ ‿ _̆ <lb n="pgo_238.003"/> ‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> _ ‿ _ ‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> ‖ _ ‿ ‿ _ ‿ _ <lb n="pgo_238.004"/> ‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> _ ‿ _ ‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> ‖ _ ‿ _ ‿ <lb n="pgo_238.005"/> _ ‿ ‿ _ ‿ ‿ _ ‿ _ ‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark></hi> </p> <p><lb n="pgo_238.006"/> Diese Strophe, von dem Griechen Alkäos erfunden, hat in ihrem <lb n="pgo_238.007"/> Auf- und Abwogen einen majestätischen Gang. Die beiden ersten Zeilen <lb n="pgo_238.008"/> bestehn aus zwei Jamben mit einer Nachschlagsylbe und zwei Daktylen, <lb n="pgo_238.009"/> von denen sich der zweite in der Regel in einen Kretikus verwandelt, um <lb n="pgo_238.010"/> dem Vers durch die letzte Länge einen festen Halt zu geben. Der dritte <lb n="pgo_238.011"/> und vierte Vers sind gleichsam eine weitere Ausführung der beiden Vershälften <lb n="pgo_238.012"/> des ersten: der dritte ein vierfüßiger Jambus mit einer Nachschlagsylbe, <lb n="pgo_238.013"/> der vierte aus zwei Daktylen und einer trochäischen Dipodie <lb n="pgo_238.014"/> bestehend. So tritt die schöne Symmetrie dieses Verses zu Tage. Wir <lb n="pgo_238.015"/> haben in den beiden ersten Zeilen einen kühn vordringenden zweifüßigen <lb n="pgo_238.016"/> Jambus, der dann in Daktylen zurückwogt. Voller, mächtiger strömt <lb n="pgo_238.017"/> er in der dritten Zeile noch einmal an, um dann in der vierten in zwei <lb n="pgo_238.018"/> Daktylen zurückzuwogen und in zwei Trochäen beruhigter auszutönen. <lb n="pgo_238.019"/> Die Cäsur nach der Nachschlagsylbe der jambischen Dipodie in den ersten <lb n="pgo_238.020"/> Zeilen ist unerläßlich, weil auf ihr die Symmetrie der ganzen Strophe <lb n="pgo_238.021"/> beruht. Die alcäische Strophe eignet sich für schwunghafte Gedankendichtung <lb n="pgo_238.022"/> über die höchsten Probleme des Lebens, die der Dichter mit <lb n="pgo_238.023"/> mächtiger Begeisterung erfaßt. Schon ihr Erfinder hat in ihr den <lb n="pgo_238.024"/> gewaltigen Umschwung des Staatslebens gefeiert, <hi rendition="#g">Horaz</hi> Lehren ernster <lb n="pgo_238.025"/> Lebensweisheit und den Preis des Jmperators, <hi rendition="#g">Klopstock</hi> einige religiöse <lb n="pgo_238.026"/> Hymnen und seine politischen Revolutionsoden, <hi rendition="#g">Platen</hi> ebenfalls <lb n="pgo_238.027"/> manche politische Ode gedichtet. Auch ich habe die gereimte Strophe in <lb n="pgo_238.028"/> den „Neuen Gedichten“ zur Darstellung ernster und schwunghafter Gedanken <lb n="pgo_238.029"/> angewendet.</p> <p> <lb n="pgo_238.030"/> <hi rendition="#g">Beispiele:</hi> </p> <lb n="pgo_238.031"/> <lg> <l>Rinn' unterdeß, o Leben! Sie kommt gewiß,</l> <lb n="pgo_238.032"/> <l>Die Stunde, die uns nach der Cypresse ruft!</l> <lb n="pgo_238.033"/> <l>Jhr andern seid der schwermuthsvollen</l> <lb n="pgo_238.034"/> <l>Liebe geweiht, und umweht uns dunkel.</l> </lg> <lb n="pgo_238.035"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Klopstock</hi>.</hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [238/0260]
pgo_238.001
a. Die alcäische Strophe. pgo_238.002
‿─ _ ‿ _ ‿─ ‖ _ ‿ ‿ _ ‿ _̆ pgo_238.003
‿─ _ ‿ _ ‿─ ‖ _ ‿ ‿ _ ‿ _ pgo_238.004
‿─ _ ‿ _ ‿─ ‖ _ ‿ _ ‿ pgo_238.005
_ ‿ ‿ _ ‿ ‿ _ ‿ _ ‿─
pgo_238.006
Diese Strophe, von dem Griechen Alkäos erfunden, hat in ihrem pgo_238.007
Auf- und Abwogen einen majestätischen Gang. Die beiden ersten Zeilen pgo_238.008
bestehn aus zwei Jamben mit einer Nachschlagsylbe und zwei Daktylen, pgo_238.009
von denen sich der zweite in der Regel in einen Kretikus verwandelt, um pgo_238.010
dem Vers durch die letzte Länge einen festen Halt zu geben. Der dritte pgo_238.011
und vierte Vers sind gleichsam eine weitere Ausführung der beiden Vershälften pgo_238.012
des ersten: der dritte ein vierfüßiger Jambus mit einer Nachschlagsylbe, pgo_238.013
der vierte aus zwei Daktylen und einer trochäischen Dipodie pgo_238.014
bestehend. So tritt die schöne Symmetrie dieses Verses zu Tage. Wir pgo_238.015
haben in den beiden ersten Zeilen einen kühn vordringenden zweifüßigen pgo_238.016
Jambus, der dann in Daktylen zurückwogt. Voller, mächtiger strömt pgo_238.017
er in der dritten Zeile noch einmal an, um dann in der vierten in zwei pgo_238.018
Daktylen zurückzuwogen und in zwei Trochäen beruhigter auszutönen. pgo_238.019
Die Cäsur nach der Nachschlagsylbe der jambischen Dipodie in den ersten pgo_238.020
Zeilen ist unerläßlich, weil auf ihr die Symmetrie der ganzen Strophe pgo_238.021
beruht. Die alcäische Strophe eignet sich für schwunghafte Gedankendichtung pgo_238.022
über die höchsten Probleme des Lebens, die der Dichter mit pgo_238.023
mächtiger Begeisterung erfaßt. Schon ihr Erfinder hat in ihr den pgo_238.024
gewaltigen Umschwung des Staatslebens gefeiert, Horaz Lehren ernster pgo_238.025
Lebensweisheit und den Preis des Jmperators, Klopstock einige religiöse pgo_238.026
Hymnen und seine politischen Revolutionsoden, Platen ebenfalls pgo_238.027
manche politische Ode gedichtet. Auch ich habe die gereimte Strophe in pgo_238.028
den „Neuen Gedichten“ zur Darstellung ernster und schwunghafter Gedanken pgo_238.029
angewendet.
pgo_238.030
Beispiele:
pgo_238.031
Rinn' unterdeß, o Leben! Sie kommt gewiß, pgo_238.032
Die Stunde, die uns nach der Cypresse ruft! pgo_238.033
Jhr andern seid der schwermuthsvollen pgo_238.034
Liebe geweiht, und umweht uns dunkel.
pgo_238.035
Klopstock.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |