Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_226.001 Geschaukel, das vom || phrygischen Blachgefild uns her pgo_226.002 pgo_226.004Auf sträubig hohem || Rücken durch Poseidon's Gunst pgo_226.003 Und Euros Kraft in || vaterländische Buchten trug. Goethe, Faust. pgo_226.005 Der langen Weile || nie versiechender Quell entspringt, pgo_226.011 pgo_226.012Wo nur den Boden || stampfen mag dein Pegasus. Romantischer Oedipus. pgo_226.013 pgo_226.024 b. Der Alexandriner. pgo_226.025 _- _ _ _ | _ _ || _ _ | _ _ _ _ | (_) pgo_226.029Die du mit ew'ger Gluth || mich Tag und Nacht begleitest, pgo_226.030 pgo_226.033Mir die Gedanken füllst || und meine Schritte leitest, pgo_226.031 O Rache, wende nicht || im letzten Augenblick pgo_226.032 Die Hand von deinem Knecht! || Es wägt sich mein Geschick. Goethe. pgo_226.034 pgo_226.001 Geschaukel, das vom ‖ phrygischen Blachgefild uns her pgo_226.002 pgo_226.004Auf sträubig hohem ‖ Rücken durch Poseidon's Gunst pgo_226.003 Und Euros Kraft in ‖ vaterländische Buchten trug. Goethe, Faust. pgo_226.005 Der langen Weile ‖ nie versiechender Quell entspringt, pgo_226.011 pgo_226.012Wo nur den Boden ‖ stampfen mag dein Pegasus. Romantischer Oedipus. pgo_226.013 pgo_226.024 β. Der Alexandriner. pgo_226.025 ‿─ _ ‿ _ | ‿ _ ‖ ‿ _ | ‿ _ ‿ _ | (‿) pgo_226.029Die du mit ew'ger Gluth ‖ mich Tag und Nacht begleitest, pgo_226.030 pgo_226.033Mir die Gedanken füllst ‖ und meine Schritte leitest, pgo_226.031 O Rache, wende nicht ‖ im letzten Augenblick pgo_226.032 Die Hand von deinem Knecht! ‖ Es wägt sich mein Geschick. 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Sonst <lb n="pgo_226.007"/> wird er vorzugsweise dann angewendet, wenn der Vers als Lustspielvers <lb n="pgo_226.008"/> einen leichteren hüpfenden Charakter annehmen soll, wie bei Aristophanes <lb n="pgo_226.009"/> und Platen:</p> <lb n="pgo_226.010"/> <lg> <l>Der langen Weile ‖ nie ver<hi rendition="#g">siechender</hi> Quell entspringt,</l> <lb n="pgo_226.011"/> <l>Wo nur den Boden ‖ stampfen mag dein Pegasus.</l> </lg> <lb n="pgo_226.012"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Romantischer Oedipus</hi>.</hi> </p> <p><lb n="pgo_226.013"/> Der <hi rendition="#g">Trimeter</hi> ist bekanntlich der Vers der griechischen Tragiker. <lb n="pgo_226.014"/> Er hat Ernst, Würde, feierlichen Gang, welcher durch die erlaubten <lb n="pgo_226.015"/> Spondäen noch würdevoller gemacht wird. Jn neuerer Zeit haben ihn <lb n="pgo_226.016"/> Goethe in der „Helena,“ Schiller in einigen Scenen der „Jungfrau“ <lb n="pgo_226.017"/> angewendet. Die Versuche von <hi rendition="#g">Minckwitz, Märker</hi> u. A., ihn für <lb n="pgo_226.018"/> größere Tragödieen in Anwendung zu bringen, müssen indeß für mißlungen <lb n="pgo_226.019"/> gelten. Denn der Vers gehört zum Kothurn und zur Maske der <lb n="pgo_226.020"/> alten Tragödie; er paßt zu ihrer feierlichen Plastik; aber ihm fehlt alle <lb n="pgo_226.021"/> individualisirende Kraft. Der charaktervolle Dialog des modernen <lb n="pgo_226.022"/> Drama's würde sein sprühendes Arom verlieren, wenn man ihn in die <lb n="pgo_226.023"/> spanischen Stiefel des alten Trimeters einschnüren wollte.</p> </div> <div n="7"> <lb n="pgo_226.024"/> <head> <hi rendition="#c"><foreign xml:lang="grc">β</foreign>. <hi rendition="#g">Der Alexandriner.</hi></hi> </head> <p><lb n="pgo_226.025"/> Der <hi rendition="#g">Alexandriner</hi> ist ein jambischer gereimter <hi rendition="#g">Sechsfüßler,</hi> <lb n="pgo_226.026"/> dessen Cäsur den Vers in zwei gleiche Hälften abtheilt, und der am <lb n="pgo_226.027"/> Schlusse den Wechsel männlicher und weiblicher Reime verträgt.</p> <lb n="pgo_226.028"/> <p> <hi rendition="#right">‿<metamark function="metEmph" place="superlinear">─</metamark> _ ‿ _ | ‿ _ ‖ ‿ _ | ‿ _ ‿ _ | (‿)</hi> </p> <lb n="pgo_226.029"/> <lg> <l>Die du mit ew'ger Gluth ‖ mich Tag und Nacht begleitest,</l> <lb n="pgo_226.030"/> <l>Mir die Gedanken füllst ‖ und meine Schritte leitest,</l> <lb n="pgo_226.031"/> <l>O Rache, wende nicht ‖ im letzten Augenblick</l> <lb n="pgo_226.032"/> <l>Die Hand von deinem Knecht! ‖ Es wägt sich mein Geschick.</l> </lg> <lb n="pgo_226.033"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Goethe</hi>.</hi> </p> <p><lb n="pgo_226.034"/> Die Cäsur des Trimeters ist trochäisch; die des Alexandriners, dessen <lb n="pgo_226.035"/> Schema nicht nach trochäischen Dipodieen entworfen werden darf, jambisch. <lb n="pgo_226.036"/> Da sie aber den Vers gleichmäßig abtheilt, so erhält er dadurch </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [226/0248]
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Geschaukel, das vom ‖ phrygischen Blachgefild uns her pgo_226.002
Auf sträubig hohem ‖ Rücken durch Poseidon's Gunst pgo_226.003
Und Euros Kraft in ‖ vaterländische Buchten trug.
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Goethe, Faust.
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Die Anapäste in der dritten und vierten Zeile geben dem Vers einen pgo_226.006
malerischen, das Gewoge des Meeres nachahmenden Charakter. Sonst pgo_226.007
wird er vorzugsweise dann angewendet, wenn der Vers als Lustspielvers pgo_226.008
einen leichteren hüpfenden Charakter annehmen soll, wie bei Aristophanes pgo_226.009
und Platen:
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Der langen Weile ‖ nie versiechender Quell entspringt, pgo_226.011
Wo nur den Boden ‖ stampfen mag dein Pegasus.
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Romantischer Oedipus.
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Der Trimeter ist bekanntlich der Vers der griechischen Tragiker. pgo_226.014
Er hat Ernst, Würde, feierlichen Gang, welcher durch die erlaubten pgo_226.015
Spondäen noch würdevoller gemacht wird. Jn neuerer Zeit haben ihn pgo_226.016
Goethe in der „Helena,“ Schiller in einigen Scenen der „Jungfrau“ pgo_226.017
angewendet. Die Versuche von Minckwitz, Märker u. A., ihn für pgo_226.018
größere Tragödieen in Anwendung zu bringen, müssen indeß für mißlungen pgo_226.019
gelten. Denn der Vers gehört zum Kothurn und zur Maske der pgo_226.020
alten Tragödie; er paßt zu ihrer feierlichen Plastik; aber ihm fehlt alle pgo_226.021
individualisirende Kraft. Der charaktervolle Dialog des modernen pgo_226.022
Drama's würde sein sprühendes Arom verlieren, wenn man ihn in die pgo_226.023
spanischen Stiefel des alten Trimeters einschnüren wollte.
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β. Der Alexandriner. pgo_226.025
Der Alexandriner ist ein jambischer gereimter Sechsfüßler, pgo_226.026
dessen Cäsur den Vers in zwei gleiche Hälften abtheilt, und der am pgo_226.027
Schlusse den Wechsel männlicher und weiblicher Reime verträgt.
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‿─ _ ‿ _ | ‿ _ ‖ ‿ _ | ‿ _ ‿ _ | (‿)
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Die du mit ew'ger Gluth ‖ mich Tag und Nacht begleitest, pgo_226.030
Mir die Gedanken füllst ‖ und meine Schritte leitest, pgo_226.031
O Rache, wende nicht ‖ im letzten Augenblick pgo_226.032
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Goethe.
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Die Cäsur des Trimeters ist trochäisch; die des Alexandriners, dessen pgo_226.035
Schema nicht nach trochäischen Dipodieen entworfen werden darf, jambisch. pgo_226.036
Da sie aber den Vers gleichmäßig abtheilt, so erhält er dadurch
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