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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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Verschwunden ist der Glanz, entflohn die Ruhe -- pgo_196.002
Jch kenne mich in der Gefahr nicht mehr, pgo_196.003
Und schäme mich nicht mehr, es zu bekennen. pgo_196.004
Zerbrochen ist das Steuer, und es kracht pgo_196.005
Das Schiff an allen Seiten. Berstend reißt pgo_196.006
Der Boden unter meinen Füßen auf. pgo_196.007
Jch fasse Dich mit beiden Armen an. pgo_196.008
So klammert sich der Schiffer endlich noch pgo_196.009
Am Felsen fest, an dem er scheitern sollte.

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Tasso vergleicht sich anfangs mit den sturmbewegten Wellen, und pgo_196.011
nachdem die Phantasie sich diesem herrlich ausgemalten Bilde mit Wohlgefallen pgo_196.012
hingegeben, verwandelt sich die Welle plötzlich in den scheiternden pgo_196.013
Schiffer.
Diese Katachrese ist um so empfindlicher, als die pgo_196.014
andern Elemente des Bildes unverändert bleiben, denn die Phantasie pgo_196.015
verträgt eher einen kühnen Sprung in einen andern Kreis der Stoffwelt, pgo_196.016
als eine Metamorphose, während sie in dem Rahmen desselben Bildes pgo_196.017
verharren muß. Solche Katachresen sind die härtesten z. B.

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Du kannst nicht klagen, daß ich Dich vergessen, pgo_196.019
Sieh' her, in meines Herzens off'ne Wunden -- pgo_196.020
So viele Stunden, als ich dich besessen, pgo_196.021
So viele Narben werden drin gefunden.
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Dingelstedt.

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Der Dichter, der auf die off'nen Wunden seines Herzens zeigt und pgo_196.024
dieselben in einem Augenblick in Narben verwandelt, muthet der Phantasie pgo_196.025
zuviel zu, die einer solchen Eskamotage nicht folgen kann.

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Unmöglich kann man indeß von Katachresen sprechen, wenn viele pgo_196.027
selbstständige bildliche Appositionen neben dem Hauptwort stehn:

pgo_196.028
Der Königsthron hier, dies gekrönte Eiland, pgo_196.029
Dies Land der Majestät, der Sitz des Mars, pgo_196.030
Dies zweite Eden, halbe Paradies u. s. f.
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Shakespeare.

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oder wenn in einem Relativsatze ein neues Bild angeknüpft wird, da dies pgo_196.033
einen selbstständigen grammatischen Rahmen hat: z. B.

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Jn diesem Jahrhundert durfte der Mensch nicht bei sich selbst pgo_196.035
den Keim eines Talentes suchen, dessen Quelle sinnlich ist.

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Noch wird die Vermischung des bildlichen und eigentlichen Ausdruckes

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Verschwunden ist der Glanz, entflohn die Ruhe — pgo_196.002
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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/218>, abgerufen am 24.11.2024.