Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

pgo_170.001
Hyperbeln aus, in denen ein "wenn" und "eh" das übertriebene Bild pgo_170.002
einführt. So wenn Richard II. sagt:

pgo_170.003
Die Erde fühlt und diese Steine werden pgo_170.004
Bewehrte Krieger, eh' ihr echter König pgo_170.005
Des Aufruhrs schnöden Waffen unterliegt.

pgo_170.006
Mortimer in der "Maria Stuart" sagt:

pgo_170.007
Mag der Welten Band pgo_170.008
Sich lösen, eine zweite Wasserfluth pgo_170.009
Herwogend alles Athmende verschlingen -- pgo_170.010
Jch achte Nichts mehr -- eh' ich dir entsage, pgo_170.011
Eh' nahe sich das Ende aller Tage.

pgo_170.012
Jn Massinger's "Herzog von Mailand" sagt Sforza, indem er pgo_170.013
eine bekannte Hyperbel des Horaz weiter ausführt:

pgo_170.014
Und mag der Erde Grund zusammenstürzen, pgo_170.015
Und mag des Himmels glanzvoll Aug' erblinden, pgo_170.016
So unterstützt, werd' ich auf den Ruinen stehn pgo_170.017
Und rings ein neues Leben suchen.

pgo_170.018
Und wie Sforza die Liebe zu seiner Gattin, auf die er sich stützt, in pgo_170.019
dieser Hyperbel ausdrückt, so Dunois die Hoheit der Jungfrau:

pgo_170.020
Denn alle Fürstenthrone, aufeinander pgo_170.021
Gestellt, bis zu den Sternen fortgebaut, pgo_170.022
Erreichten nicht die Höhe, wo sie steht pgo_170.023
Jn ihrer Engelsmajestät!

pgo_170.024
Eine ähnliche Wendung der Reflexionshyperbel ist: mir ist, als ob:

pgo_170.025
Denn mir ist pgo_170.026
Als ob der Wüste unmitleid'ge Schaaren, pgo_170.027
Des Meeres Ungeheuer mich umständen.
pgo_170.028

Braut von Messina.

pgo_170.029
oder die Form des Wunsches:

pgo_170.030
Daß er noch lebte! pgo_170.031
Jch gäb' ein Jndien dafür --
pgo_170.032

Don Carlos.

pgo_170.033
O ich möchte den Ocean vergiften, daß sie den Tod aus allen pgo_170.034
Quellen saufen! -- -- o daß ich durch die ganze Natur das Horn pgo_170.035
des Aufruhrs blasen könnte, Luft, Erde und Meer wider pgo_170.036
das Hyänengezücht in das Treffen zu führen!
pgo_170.037

Räuber.

pgo_170.001
Hyperbeln aus, in denen ein „wenn“ und „eh“ das übertriebene Bild pgo_170.002
einführt. So wenn Richard II. sagt:

pgo_170.003
Die Erde fühlt und diese Steine werden pgo_170.004
Bewehrte Krieger, eh' ihr echter König pgo_170.005
Des Aufruhrs schnöden Waffen unterliegt.

pgo_170.006
Mortimer in der „Maria Stuart“ sagt:

pgo_170.007
Mag der Welten Band pgo_170.008
Sich lösen, eine zweite Wasserfluth pgo_170.009
Herwogend alles Athmende verschlingen — pgo_170.010
Jch achte Nichts mehr — eh' ich dir entsage, pgo_170.011
Eh' nahe sich das Ende aller Tage.

pgo_170.012
Jn Massinger's „Herzog von Mailand“ sagt Sforza, indem er pgo_170.013
eine bekannte Hyperbel des Horaz weiter ausführt:

pgo_170.014
Und mag der Erde Grund zusammenstürzen, pgo_170.015
Und mag des Himmels glanzvoll Aug' erblinden, pgo_170.016
So unterstützt, werd' ich auf den Ruinen stehn pgo_170.017
Und rings ein neues Leben suchen.

pgo_170.018
Und wie Sforza die Liebe zu seiner Gattin, auf die er sich stützt, in pgo_170.019
dieser Hyperbel ausdrückt, so Dunois die Hoheit der Jungfrau:

pgo_170.020
Denn alle Fürstenthrone, aufeinander pgo_170.021
Gestellt, bis zu den Sternen fortgebaut, pgo_170.022
Erreichten nicht die Höhe, wo sie steht pgo_170.023
Jn ihrer Engelsmajestät!

pgo_170.024
Eine ähnliche Wendung der Reflexionshyperbel ist: mir ist, als ob:

pgo_170.025
Denn mir ist pgo_170.026
Als ob der Wüste unmitleid'ge Schaaren, pgo_170.027
Des Meeres Ungeheuer mich umständen.
pgo_170.028

Braut von Messina.

pgo_170.029
oder die Form des Wunsches:

pgo_170.030
Daß er noch lebte! pgo_170.031
Jch gäb' ein Jndien dafür —
pgo_170.032

Don Carlos.

pgo_170.033
O ich möchte den Ocean vergiften, daß sie den Tod aus allen pgo_170.034
Quellen saufen! — — o daß ich durch die ganze Natur das Horn pgo_170.035
des Aufruhrs blasen könnte, Luft, Erde und Meer wider pgo_170.036
das Hyänengezücht in das Treffen zu führen!
pgo_170.037

Räuber.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0192" n="170"/><lb n="pgo_170.001"/>
Hyperbeln aus, in denen ein &#x201E;<hi rendition="#g">wenn</hi>&#x201C; und &#x201E;<hi rendition="#g">eh</hi>&#x201C; das übertriebene Bild <lb n="pgo_170.002"/>
einführt. So wenn Richard II. sagt:</p>
                  <lb n="pgo_170.003"/>
                  <lg>
                    <l>Die Erde fühlt und diese Steine werden</l>
                    <lb n="pgo_170.004"/>
                    <l>Bewehrte Krieger, <hi rendition="#g">eh'</hi> ihr echter König</l>
                    <lb n="pgo_170.005"/>
                    <l>Des Aufruhrs schnöden Waffen unterliegt.</l>
                  </lg>
                  <p><lb n="pgo_170.006"/><hi rendition="#g">Mortimer</hi> in der &#x201E;Maria Stuart&#x201C; sagt:</p>
                  <lb n="pgo_170.007"/>
                  <lg>
                    <l>  Mag der Welten Band</l>
                    <lb n="pgo_170.008"/>
                    <l>Sich lösen, eine zweite Wasserfluth</l>
                    <lb n="pgo_170.009"/>
                    <l>Herwogend alles Athmende verschlingen &#x2014;</l>
                    <lb n="pgo_170.010"/>
                    <l>Jch achte Nichts mehr &#x2014; <hi rendition="#g">eh' ich dir entsage,</hi></l>
                    <lb n="pgo_170.011"/>
                    <l>Eh' nahe sich das Ende aller Tage.</l>
                  </lg>
                  <p><lb n="pgo_170.012"/>
Jn Massinger's &#x201E;Herzog von Mailand&#x201C; sagt <hi rendition="#g">Sforza,</hi> indem er <lb n="pgo_170.013"/>
eine bekannte Hyperbel des Horaz weiter ausführt:</p>
                  <lb n="pgo_170.014"/>
                  <lg>
                    <l>Und mag der Erde Grund zusammenstürzen,</l>
                    <lb n="pgo_170.015"/>
                    <l>Und mag des Himmels glanzvoll Aug' erblinden,</l>
                    <lb n="pgo_170.016"/>
                    <l>So unterstützt, werd' ich auf den Ruinen stehn</l>
                    <lb n="pgo_170.017"/>
                    <l>Und rings ein neues Leben suchen.</l>
                  </lg>
                  <p><lb n="pgo_170.018"/>
Und wie <hi rendition="#g">Sforza</hi> die Liebe zu seiner Gattin, auf die er sich stützt, in <lb n="pgo_170.019"/>
dieser Hyperbel ausdrückt, so Dunois die Hoheit der Jungfrau:</p>
                  <lb n="pgo_170.020"/>
                  <lg>
                    <l>Denn alle Fürstenthrone, aufeinander</l>
                    <lb n="pgo_170.021"/>
                    <l>Gestellt, bis zu den Sternen fortgebaut,</l>
                    <lb n="pgo_170.022"/>
                    <l>Erreichten nicht die Höhe, wo <hi rendition="#g">sie</hi> steht</l>
                    <lb n="pgo_170.023"/>
                    <l>Jn ihrer Engelsmajestät!</l>
                  </lg>
                  <p><lb n="pgo_170.024"/>
Eine ähnliche Wendung der Reflexionshyperbel ist: <hi rendition="#g">mir ist, als ob:</hi></p>
                  <lb n="pgo_170.025"/>
                  <lg>
                    <l>  Denn mir ist</l>
                    <lb n="pgo_170.026"/>
                    <l>Als ob der Wüste unmitleid'ge Schaaren,</l>
                    <lb n="pgo_170.027"/>
                    <l>Des Meeres Ungeheuer mich umständen.</l>
                  </lg>
                  <lb n="pgo_170.028"/>
                  <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Braut von Messina</hi>.</hi> </p>
                  <p><lb n="pgo_170.029"/>
oder die Form des Wunsches:</p>
                  <lb n="pgo_170.030"/>
                  <lg>
                    <l>  Daß er noch lebte!</l>
                    <lb n="pgo_170.031"/>
                    <l>Jch gäb' ein Jndien dafür &#x2014;</l>
                  </lg>
                  <lb n="pgo_170.032"/>
                  <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Don Carlos</hi>.</hi> </p>
                  <lb n="pgo_170.033"/>
                  <lg>
                    <l>O ich möchte den Ocean vergiften, daß sie den Tod aus allen</l>
                    <lb n="pgo_170.034"/>
                    <l>Quellen saufen! &#x2014; &#x2014; o daß ich durch die ganze Natur das Horn</l>
                    <lb n="pgo_170.035"/>
                    <l>des Aufruhrs blasen könnte, Luft, Erde und Meer wider</l>
                    <lb n="pgo_170.036"/>
                    <l>das Hyänengezücht in das Treffen zu führen!</l>
                  </lg>
                  <lb n="pgo_170.037"/>
                  <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Räuber</hi>.</hi> </p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0192] pgo_170.001 Hyperbeln aus, in denen ein „wenn“ und „eh“ das übertriebene Bild pgo_170.002 einführt. So wenn Richard II. sagt: pgo_170.003 Die Erde fühlt und diese Steine werden pgo_170.004 Bewehrte Krieger, eh' ihr echter König pgo_170.005 Des Aufruhrs schnöden Waffen unterliegt. pgo_170.006 Mortimer in der „Maria Stuart“ sagt: pgo_170.007 Mag der Welten Band pgo_170.008 Sich lösen, eine zweite Wasserfluth pgo_170.009 Herwogend alles Athmende verschlingen — pgo_170.010 Jch achte Nichts mehr — eh' ich dir entsage, pgo_170.011 Eh' nahe sich das Ende aller Tage. pgo_170.012 Jn Massinger's „Herzog von Mailand“ sagt Sforza, indem er pgo_170.013 eine bekannte Hyperbel des Horaz weiter ausführt: pgo_170.014 Und mag der Erde Grund zusammenstürzen, pgo_170.015 Und mag des Himmels glanzvoll Aug' erblinden, pgo_170.016 So unterstützt, werd' ich auf den Ruinen stehn pgo_170.017 Und rings ein neues Leben suchen. pgo_170.018 Und wie Sforza die Liebe zu seiner Gattin, auf die er sich stützt, in pgo_170.019 dieser Hyperbel ausdrückt, so Dunois die Hoheit der Jungfrau: pgo_170.020 Denn alle Fürstenthrone, aufeinander pgo_170.021 Gestellt, bis zu den Sternen fortgebaut, pgo_170.022 Erreichten nicht die Höhe, wo sie steht pgo_170.023 Jn ihrer Engelsmajestät! pgo_170.024 Eine ähnliche Wendung der Reflexionshyperbel ist: mir ist, als ob: pgo_170.025 Denn mir ist pgo_170.026 Als ob der Wüste unmitleid'ge Schaaren, pgo_170.027 Des Meeres Ungeheuer mich umständen. pgo_170.028 Braut von Messina. pgo_170.029 oder die Form des Wunsches: pgo_170.030 Daß er noch lebte! pgo_170.031 Jch gäb' ein Jndien dafür — pgo_170.032 Don Carlos. pgo_170.033 O ich möchte den Ocean vergiften, daß sie den Tod aus allen pgo_170.034 Quellen saufen! — — o daß ich durch die ganze Natur das Horn pgo_170.035 des Aufruhrs blasen könnte, Luft, Erde und Meer wider pgo_170.036 das Hyänengezücht in das Treffen zu führen! pgo_170.037 Räuber.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/192
Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/192>, abgerufen am 28.04.2024.