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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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und Bücher ist hier willkürlicher und fällt weniger in's Gewicht. Dagegen pgo_112.002
kann die Skizze des Dramatikers von doppelter Art sein und zwar pgo_112.003
so, daß sich der Fortgang von der ersten Skizze zur zweiten als nothwendig pgo_112.004
erweist. Zunächst entwirft der Dramatiker blos die Fabel im Zusammenhange pgo_112.005
einer Erzählung, d. h. seine Fabel, in welcher der überlieferte pgo_112.006
Stoff der Geschichte oder Novelle bereits eine wesentliche Umschmelzung pgo_112.007
erlitten hat. Dann aber folgt der zweite genauere Entwurf, in welchem pgo_112.008
die Handlung auf die einzelnen Acte und die einzelnen Scenen vertheilt pgo_112.009
wird und das Skelett des ganzen Drama's fest und klar zu Tage liegt. pgo_112.010
Wohl ist diese Skizze nicht unumstößlich; denn je mehr sie sich mit Leben pgo_112.011
und Farben erfüllt, desto mehr wird die ausfüllende Gestaltung diese oder pgo_112.012
jene Andeutung ergänzen und verbessern. Jn den von Schiller hinterlassenen pgo_112.013
dramatischen Skizzen ist der Gang des Drama's mit vollkommener pgo_112.014
Klarheit entworfen; doch nur in der Skizze des "Warbeck" ist pgo_112.015
auch die Eintheilung der Acte ausgesprochen, während in den "Malthesern," pgo_112.016
den "Kindern des Hauses" und den Fragmenten des pgo_112.017
"Demetrius" nur die Aufeinanderfolge der Scenen angegeben ist. pgo_112.018
Den "Malthesern" und den "Kindern des Hauses" hat Schiller eine pgo_112.019
Darstellung der historischen und socialen Situation vorausgeschickt, aus pgo_112.020
welcher das Drama herauswachsen soll, und zugleich die künstlerische Jdee pgo_112.021
entwickelt, die ihm vorschwebte! Hinterlassene Skizzen anderer Autoren pgo_112.022
zeigen uns eine Eigenthümlichkeit der Production, welche gleich zu dem pgo_112.023
prägnanten Gipfel der Entwickelung, den eigentlichen Schlagscenen pgo_112.024
hineilt und alles Andere zunächst unausgeführt läßt, um sich gewissermaßen pgo_112.025
selbst den Erfolg zu sichern oder die Begeisterung zu einem feurigen pgo_112.026
Kern zu condensiren, an den das übrige Drama anschießt. Doch pgo_112.027
wird solchen Werken die organische Entwickelung fehlen, das allmähliche pgo_112.028
Wachsthum der Charaktere und der Handlung, mit dem auch die Seele pgo_112.029
des Dichters, harmonisch begleitend, zu den Höhepunkten der Begeisterung pgo_112.030
heranwächst. Davon abweichend ist die Art und Weise, wie z. B. Tibull pgo_112.031
nachweisbar seine Elegieen producirt, indem er sich an den Hauptstellen pgo_112.032
dem freien Strome seiner Begeisterung überläßt und was dazwischen pgo_112.033
liegt, zunächst nur andeutet und lässig ausführt, um einer späteren nachhaltigen pgo_112.034
Begeisterung die vollständige künstlerische Durchführung vorzubehalten. pgo_112.035
Sich nicht an einzelne Hemmungen der Form zu stoßen, deren

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und Bücher ist hier willkürlicher und fällt weniger in's Gewicht. Dagegen pgo_112.002
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Stoff der Geschichte oder Novelle bereits eine wesentliche Umschmelzung pgo_112.007
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Demetrius“ nur die Aufeinanderfolge der Scenen angegeben ist. pgo_112.018
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hineilt und alles Andere zunächst unausgeführt läßt, um sich gewissermaßen pgo_112.025
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Kern zu condensiren, an den das übrige Drama anschießt. Doch pgo_112.027
wird solchen Werken die organische Entwickelung fehlen, das allmähliche pgo_112.028
Wachsthum der Charaktere und der Handlung, mit dem auch die Seele pgo_112.029
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liegt, zunächst nur andeutet und lässig ausführt, um einer späteren nachhaltigen pgo_112.034
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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/134>, abgerufen am 22.11.2024.