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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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"Ein wilder Küherbub, der Ziger von der Alp
gebracht, wagte es endlich, sprang voran und fand
keine Buchen mehr, und keine Hinterlist that auf dem
Platze sich kund. Noch trauten sie dem Spiele nicht;
ihnen vorauf mußte der Küherbub nach Bärhegen.
Dort war Alles in der Ordnung, hundert Buchen
standen in Reih und Glied, keine war verdorret, Kei¬
nem aus ihnen lief das Gesicht auf, Keinem that ein
Glied weh. Da stieg der Jubel hoch in ihren Herzen
und viel Spott gegen den Grünen und gegen die Rit¬
ter floß. Zum dritten Mal sandten sie aus den wil¬
den Küherbub und ließen dem von Stoffeln sagen:
es sei auf Bärhegen nun Alles in der Ordnung, er
möchte kommen und die Buchen zählen. Dem aber
ward es graulicht und er ließ ihnen sagen, sie sollten
machen, daß sie heimkämen. Gerne hätte er ihnen
sagen lassen, sie sollten den ganzen Schattengang wie¬
der wegschaffen, aber er that es nicht, seiner Ritter
wegen, es sollte nicht heißen, er fürchte sich; aber er
wußte nicht um der Bauern Pacht und wer sich in den
Handel mischen könnte.

"Als der Kühersbub den Bescheid brachte, da schwol¬
len die Herzen noch trotziger auf; die wilde Jugend
tanzte im Schattengange, wildes Jodeln hallte von
Kluft zu Kluft, von Berg zu Berg, hallte an den
Mauern des Schlosses Sumiswald wieder. Bedächtige
Alte warnten und baten, aber trotzige Herzen achten
bedächtiger Alten Warnung nicht; wenn dann das
Unglück da ist, so sollen es die Alten mit ihrem Za¬
gen und Warnen herbeigezogen haben. Die Zeit ist
noch nicht da, wo man es erkennt, daß der Trotz das
Unglück aus dem Boden stampft. Der Jubel zog sich
über Berg und Thal in alle Häuser, und wo noch ei¬

„Ein wilder Küherbub, der Ziger von der Alp
gebracht, wagte es endlich, ſprang voran und fand
keine Buchen mehr, und keine Hinterliſt that auf dem
Platze ſich kund. Noch trauten ſie dem Spiele nicht;
ihnen vorauf mußte der Küherbub nach Bärhegen.
Dort war Alles in der Ordnung, hundert Buchen
ſtanden in Reih und Glied, keine war verdorret, Kei¬
nem aus ihnen lief das Geſicht auf, Keinem that ein
Glied weh. Da ſtieg der Jubel hoch in ihren Herzen
und viel Spott gegen den Grünen und gegen die Rit¬
ter floß. Zum dritten Mal ſandten ſie aus den wil¬
den Küherbub und ließen dem von Stoffeln ſagen:
es ſei auf Bärhegen nun Alles in der Ordnung, er
möchte kommen und die Buchen zählen. Dem aber
ward es graulicht und er ließ ihnen ſagen, ſie ſollten
machen, daß ſie heimkämen. Gerne hätte er ihnen
ſagen laſſen, ſie ſollten den ganzen Schattengang wie¬
der wegſchaffen, aber er that es nicht, ſeiner Ritter
wegen, es ſollte nicht heißen, er fürchte ſich; aber er
wußte nicht um der Bauern Pacht und wer ſich in den
Handel miſchen könnte.

„Als der Kühersbub den Beſcheid brachte, da ſchwol¬
len die Herzen noch trotziger auf; die wilde Jugend
tanzte im Schattengange, wildes Jodeln hallte von
Kluft zu Kluft, von Berg zu Berg, hallte an den
Mauern des Schloſſes Sumiswald wieder. Bedächtige
Alte warnten und baten, aber trotzige Herzen achten
bedächtiger Alten Warnung nicht; wenn dann das
Unglück da iſt, ſo ſollen es die Alten mit ihrem Za¬
gen und Warnen herbeigezogen haben. Die Zeit iſt
noch nicht da, wo man es erkennt, daß der Trotz das
Unglück aus dem Boden ſtampft. Der Jubel zog ſich
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[51/0061] „Ein wilder Küherbub, der Ziger von der Alp gebracht, wagte es endlich, ſprang voran und fand keine Buchen mehr, und keine Hinterliſt that auf dem Platze ſich kund. Noch trauten ſie dem Spiele nicht; ihnen vorauf mußte der Küherbub nach Bärhegen. Dort war Alles in der Ordnung, hundert Buchen ſtanden in Reih und Glied, keine war verdorret, Kei¬ nem aus ihnen lief das Geſicht auf, Keinem that ein Glied weh. Da ſtieg der Jubel hoch in ihren Herzen und viel Spott gegen den Grünen und gegen die Rit¬ ter floß. Zum dritten Mal ſandten ſie aus den wil¬ den Küherbub und ließen dem von Stoffeln ſagen: es ſei auf Bärhegen nun Alles in der Ordnung, er möchte kommen und die Buchen zählen. Dem aber ward es graulicht und er ließ ihnen ſagen, ſie ſollten machen, daß ſie heimkämen. Gerne hätte er ihnen ſagen laſſen, ſie ſollten den ganzen Schattengang wie¬ der wegſchaffen, aber er that es nicht, ſeiner Ritter wegen, es ſollte nicht heißen, er fürchte ſich; aber er wußte nicht um der Bauern Pacht und wer ſich in den Handel miſchen könnte. „Als der Kühersbub den Beſcheid brachte, da ſchwol¬ len die Herzen noch trotziger auf; die wilde Jugend tanzte im Schattengange, wildes Jodeln hallte von Kluft zu Kluft, von Berg zu Berg, hallte an den Mauern des Schloſſes Sumiswald wieder. Bedächtige Alte warnten und baten, aber trotzige Herzen achten bedächtiger Alten Warnung nicht; wenn dann das Unglück da iſt, ſo ſollen es die Alten mit ihrem Za¬ gen und Warnen herbeigezogen haben. Die Zeit iſt noch nicht da, wo man es erkennt, daß der Trotz das Unglück aus dem Boden ſtampft. Der Jubel zog ſich über Berg und Thal in alle Häuſer, und wo noch ei¬

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/61>, abgerufen am 22.11.2024.