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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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Die Erleichterung, welche die Bauern sich verschafft, war
ihm daher ganz recht, und es war ihm auch ganz gleich¬
gültig, ob sie dafür ihre Seelen verschrieben; denn was
gingen ihn der Bauern Seelen an, wenn einmal der Tod
ihre Leiber genommen. Er lachte jetzt über seine Ritter und
schützte die Bauern vor ihrem Muthwillen. Diese woll¬
ten den Handel doch ergründen und sandten Knappen
zur Wache; die fand man des Morgens halb todt in
Gräben, wohin eine unsichtbare Hand sie geschleudert.

"Da zogen zwei Ritter hin nach Bärhegen; es wa¬
ren kühne Degen, und wo ein Wagniß zu bestehen ge¬
wesen im Heidenland, da hatten sie es bestanden. Am
Morgen fand man sie erstarrt am Boden, und als sie
der Rede wieder mächtig waren, sagten sie, ein rother
Ritter mit feuriger Lanze hätte sie niedergerannt. Hie
und da konnte eine neugierige Weibsseele sich nicht ent¬
halten, wenn es Mitternacht war, durch eine Spalte
oder Lucke nach dem Wege im Thale zu sehen. Alsbald
wehete ein giftiger Wind sie an; das Gesicht schwoll
auf, Wochen lang konnte man weder Nase noch Augen
sehen, den Mund mit Mühe finden. Da verging den
Leuten das Spähen, und kein Auge sah mehr zu Thale,
wenn Mitternacht über demselben lag.

"Einmal aber kam plötzlich einen Mann das Ster¬
ben an; er bedurfte des letzten Trostes, aber Niemand
durfte den Priester holen, denn Mitternacht war nahe
und der Weg führte am Kilchstalden vorbei. Da lief ein
unschuldig Bübchen, Gott und Menschen lieb, aus
Angst um den Vater ungeheißen Sumiswald zu. Als
es gegen den Kilchstalden kam, sah er von dort die
Buchen auffahren vom Boden, jede von zwei feurigen
Eichhörnchen gezogen und nebenbei sah es reiten auf
schwarzem Bocke einen grünen Mann, eine feurige Geisel

I. 4

Die Erleichterung, welche die Bauern ſich verſchafft, war
ihm daher ganz recht, und es war ihm auch ganz gleich¬
gültig, ob ſie dafür ihre Seelen verſchrieben; denn was
gingen ihn der Bauern Seelen an, wenn einmal der Tod
ihre Leiber genommen. Er lachte jetzt über ſeine Ritter und
ſchützte die Bauern vor ihrem Muthwillen. Dieſe woll¬
ten den Handel doch ergründen und ſandten Knappen
zur Wache; die fand man des Morgens halb todt in
Gräben, wohin eine unſichtbare Hand ſie geſchleudert.

„Da zogen zwei Ritter hin nach Bärhegen; es wa¬
ren kühne Degen, und wo ein Wagniß zu beſtehen ge¬
weſen im Heidenland, da hatten ſie es beſtanden. Am
Morgen fand man ſie erſtarrt am Boden, und als ſie
der Rede wieder mächtig waren, ſagten ſie, ein rother
Ritter mit feuriger Lanze hätte ſie niedergerannt. Hie
und da konnte eine neugierige Weibsſeele ſich nicht ent¬
halten, wenn es Mitternacht war, durch eine Spalte
oder Lucke nach dem Wege im Thale zu ſehen. Alsbald
wehete ein giftiger Wind ſie an; das Geſicht ſchwoll
auf, Wochen lang konnte man weder Naſe noch Augen
ſehen, den Mund mit Mühe finden. Da verging den
Leuten das Spähen, und kein Auge ſah mehr zu Thale,
wenn Mitternacht über demſelben lag.

„Einmal aber kam plötzlich einen Mann das Ster¬
ben an; er bedurfte des letzten Troſtes, aber Niemand
durfte den Prieſter holen, denn Mitternacht war nahe
und der Weg führte am Kilchſtalden vorbei. Da lief ein
unſchuldig Bübchen, Gott und Menſchen lieb, aus
Angſt um den Vater ungeheißen Sumiswald zu. Als
es gegen den Kilchſtalden kam, ſah er von dort die
Buchen auffahren vom Boden, jede von zwei feurigen
Eichhörnchen gezogen und nebenbei ſah es reiten auf
ſchwarzem Bocke einen grünen Mann, eine feurige Geiſel

I. 4
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[49/0059] Die Erleichterung, welche die Bauern ſich verſchafft, war ihm daher ganz recht, und es war ihm auch ganz gleich¬ gültig, ob ſie dafür ihre Seelen verſchrieben; denn was gingen ihn der Bauern Seelen an, wenn einmal der Tod ihre Leiber genommen. Er lachte jetzt über ſeine Ritter und ſchützte die Bauern vor ihrem Muthwillen. Dieſe woll¬ ten den Handel doch ergründen und ſandten Knappen zur Wache; die fand man des Morgens halb todt in Gräben, wohin eine unſichtbare Hand ſie geſchleudert. „Da zogen zwei Ritter hin nach Bärhegen; es wa¬ ren kühne Degen, und wo ein Wagniß zu beſtehen ge¬ weſen im Heidenland, da hatten ſie es beſtanden. Am Morgen fand man ſie erſtarrt am Boden, und als ſie der Rede wieder mächtig waren, ſagten ſie, ein rother Ritter mit feuriger Lanze hätte ſie niedergerannt. Hie und da konnte eine neugierige Weibsſeele ſich nicht ent¬ halten, wenn es Mitternacht war, durch eine Spalte oder Lucke nach dem Wege im Thale zu ſehen. Alsbald wehete ein giftiger Wind ſie an; das Geſicht ſchwoll auf, Wochen lang konnte man weder Naſe noch Augen ſehen, den Mund mit Mühe finden. Da verging den Leuten das Spähen, und kein Auge ſah mehr zu Thale, wenn Mitternacht über demſelben lag. „Einmal aber kam plötzlich einen Mann das Ster¬ ben an; er bedurfte des letzten Troſtes, aber Niemand durfte den Prieſter holen, denn Mitternacht war nahe und der Weg führte am Kilchſtalden vorbei. Da lief ein unſchuldig Bübchen, Gott und Menſchen lieb, aus Angſt um den Vater ungeheißen Sumiswald zu. Als es gegen den Kilchſtalden kam, ſah er von dort die Buchen auffahren vom Boden, jede von zwei feurigen Eichhörnchen gezogen und nebenbei ſah es reiten auf ſchwarzem Bocke einen grünen Mann, eine feurige Geiſel I. 4

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/59>, abgerufen am 22.11.2024.