Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.ten nicht mehr zu entlehnen, und immer elender ward ten nicht mehr zu entlehnen, und immer elender ward <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0153" n="143"/> ten nicht mehr zu entlehnen, und immer elender ward<lb/> der Vater, und immer kälter wurden ſeine Beine und<lb/> ſeine Backen, wenn ſie auch Alles auf ihn deckten, was<lb/> ſie vermochten. Da hielt es Margrithli nicht mehr aus<lb/> in dieſem Jammer. Es dachte, der liebe Gott werde<lb/> ſicher nicht zürnen, wenn es betteln gehe in dieſer Noth;<lb/> er habe ja ſo vielen Leuten gute Herzen gegeben und<lb/> Reichthum, damit ſie armen Kindern hülfen, wenn der<lb/> Aetti oder das Müeti krank ſeien. Es ſchlich ſich leiſe<lb/> wieder zur Thüre hinaus in die ſtrenge Kälte, und doch<lb/> wollte es nicht in der Nähe betteln, nicht einmal bei<lb/> der guten Frau, die ihm Kirſchen gegeben hatte. Ins<lb/> nächſte Dorf wollte es gehen, da werden doch auch<lb/> gute Leute wohnen, die ihm Holz gäben oder einen<lb/> Kreuzer Geld, um ſolches zu kaufen. Ach es fror es<lb/> ganz grauſam, das arme Meiteli, als es recht an den<lb/> Bysluft kam. Es hatte nichts an als ein durchſichtiges<lb/> Hemmeli, ein dünnes indienniges Tſchöpeli, ein böſes<lb/> kurzes Kitteli, abgeſchabte Strümpfchen und ausgetrap¬<lb/> pete Schuhe, wo bei jedem Tritt die blutti Ferſere an die<lb/> Kälte kam, kein Gloſchli, kein Pfäffli, keine Händſchli,<lb/> die kalten Hände hatte es unter ſeinem baueligen Schäu¬<lb/> beli, aber wärmen konnte es ſie da nicht. So lief es<lb/> dem nächſten Dorfe zu, und je näher es ihm kam, deſto<lb/> ängſter wurde ihm; es hatte noch nie gebettelt bei<lb/> fremden Leuten. Und als es zum erſten Hauſe kam,<lb/> da durfte es faſt nicht döppeln und döppelte ſo leiſe,<lb/> daß man es lange nicht hörte, und als man endlich<lb/> kam, da redete es ſo leiſe, daß die Frau es lange nicht<lb/> verſtund, am kalten Bysluft ungeduldig wurde, es an¬<lb/> ſchnauzte, wenn es ihr das Maul nicht gönnen möge,<lb/> ſo ſöll es ſie wyter gheie, und die Küchenthür wieder<lb/> zuſchlug. Es durfte nun faſt gar nicht zum nächſten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [143/0153]
ten nicht mehr zu entlehnen, und immer elender ward
der Vater, und immer kälter wurden ſeine Beine und
ſeine Backen, wenn ſie auch Alles auf ihn deckten, was
ſie vermochten. Da hielt es Margrithli nicht mehr aus
in dieſem Jammer. Es dachte, der liebe Gott werde
ſicher nicht zürnen, wenn es betteln gehe in dieſer Noth;
er habe ja ſo vielen Leuten gute Herzen gegeben und
Reichthum, damit ſie armen Kindern hülfen, wenn der
Aetti oder das Müeti krank ſeien. Es ſchlich ſich leiſe
wieder zur Thüre hinaus in die ſtrenge Kälte, und doch
wollte es nicht in der Nähe betteln, nicht einmal bei
der guten Frau, die ihm Kirſchen gegeben hatte. Ins
nächſte Dorf wollte es gehen, da werden doch auch
gute Leute wohnen, die ihm Holz gäben oder einen
Kreuzer Geld, um ſolches zu kaufen. Ach es fror es
ganz grauſam, das arme Meiteli, als es recht an den
Bysluft kam. Es hatte nichts an als ein durchſichtiges
Hemmeli, ein dünnes indienniges Tſchöpeli, ein böſes
kurzes Kitteli, abgeſchabte Strümpfchen und ausgetrap¬
pete Schuhe, wo bei jedem Tritt die blutti Ferſere an die
Kälte kam, kein Gloſchli, kein Pfäffli, keine Händſchli,
die kalten Hände hatte es unter ſeinem baueligen Schäu¬
beli, aber wärmen konnte es ſie da nicht. So lief es
dem nächſten Dorfe zu, und je näher es ihm kam, deſto
ängſter wurde ihm; es hatte noch nie gebettelt bei
fremden Leuten. Und als es zum erſten Hauſe kam,
da durfte es faſt nicht döppeln und döppelte ſo leiſe,
daß man es lange nicht hörte, und als man endlich
kam, da redete es ſo leiſe, daß die Frau es lange nicht
verſtund, am kalten Bysluft ungeduldig wurde, es an¬
ſchnauzte, wenn es ihr das Maul nicht gönnen möge,
ſo ſöll es ſie wyter gheie, und die Küchenthür wieder
zuſchlug. Es durfte nun faſt gar nicht zum nächſten
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