In einem kleinen Stübchen begann es zu dunkeln. Am Fenster saß ein altes Mütterchen; an seiner Schürze hingen ihm zwei muntere Enkel. Draußen hingen die Bäume voll Schnee; beißig war die Kälte und an den kleinen Scheiben begann sie Blumen zu bilden. Gar gewaltig plagten die Kleinen das Großmütterli, daß es ihnen noch etwas erzählen möchte, und das Großmütterli klagte, es wisse bald nicht mehr was. Von den Erdmännchen hätte es ihnen erzählt, wie sie ganz kleine kleine Leutchen seien und den lieben Kindern allerlei schönes Gfätterzeug brächten; auch von der schö¬ nen Feefrau, die im Walde sei und verirrte Kinder heimbrächte; auch vom Mäuschen und seinem Gro߬ mütti, und jetzt wisse es nichts mehr. Aber die Kinder ließen nicht nach und baten fort und fort: Großmütti, ume no eis G'schichtli. Da rief plötzlich eins der Kin¬ der: "Luegit, luegit doch das schön gäl Vögeli, das da am Fenster steit mit dene Spatze u so gwungerig is Stübli luegt. Großmütti lueg doch, wie schön und wie gwungerig es isch, dörfe mer ne Brodbrösmeli gäh us dr Tischdrucke?" Die Großmutter konnte natürlich, wie die meisten Großmütter, den Kleinen nichts abschlagen, und das Fensterchen ward geöffnet und die Brösmeli auf den Sinzel gestreut.
Die Vögelchen flogen beim Oeffnen des Fensters auf die nächsten Bäume, und wie es wieder zu ging,
In einem kleinen Stübchen begann es zu dunkeln. Am Fenſter ſaß ein altes Mütterchen; an ſeiner Schürze hingen ihm zwei muntere Enkel. Draußen hingen die Bäume voll Schnee; beißig war die Kälte und an den kleinen Scheiben begann ſie Blumen zu bilden. Gar gewaltig plagten die Kleinen das Großmütterli, daß es ihnen noch etwas erzählen möchte, und das Großmütterli klagte, es wiſſe bald nicht mehr was. Von den Erdmännchen hätte es ihnen erzählt, wie ſie ganz kleine kleine Leutchen ſeien und den lieben Kindern allerlei ſchönes Gfätterzeug brächten; auch von der ſchö¬ nen Feefrau, die im Walde ſei und verirrte Kinder heimbrächte; auch vom Mäuschen und ſeinem Gro߬ mütti, und jetzt wiſſe es nichts mehr. Aber die Kinder ließen nicht nach und baten fort und fort: Großmütti, ume no eis G’ſchichtli. Da rief plötzlich eins der Kin¬ der: „Luegit, luegit doch das ſchön gäl Vögeli, das da am Fenſter ſteit mit dene Spatze u ſo gwungerig is Stübli luegt. Großmütti lueg doch, wie ſchön und wie gwungerig es iſch, dörfe mer ne Brodbrösmeli gäh us dr Tiſchdrucke?“ Die Großmutter konnte natürlich, wie die meiſten Großmütter, den Kleinen nichts abſchlagen, und das Fenſterchen ward geöffnet und die Brösmeli auf den Sinzel geſtreut.
Die Vögelchen flogen beim Oeffnen des Fenſters auf die nächſten Bäume, und wie es wieder zu ging,
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In einem kleinen Stübchen begann es zu dunkeln. Am
Fenſter ſaß ein altes Mütterchen; an ſeiner Schürze
hingen ihm zwei muntere Enkel. Draußen hingen
die Bäume voll Schnee; beißig war die Kälte und an
den kleinen Scheiben begann ſie Blumen zu bilden.
Gar gewaltig plagten die Kleinen das Großmütterli,
daß es ihnen noch etwas erzählen möchte, und das
Großmütterli klagte, es wiſſe bald nicht mehr was.
Von den Erdmännchen hätte es ihnen erzählt, wie ſie
ganz kleine kleine Leutchen ſeien und den lieben Kindern
allerlei ſchönes Gfätterzeug brächten; auch von der ſchö¬
nen Feefrau, die im Walde ſei und verirrte Kinder
heimbrächte; auch vom Mäuschen und ſeinem Gro߬
mütti, und jetzt wiſſe es nichts mehr. Aber die Kinder
ließen nicht nach und baten fort und fort: Großmütti,
ume no eis G’ſchichtli. Da rief plötzlich eins der Kin¬
der: „Luegit, luegit doch das ſchön gäl Vögeli, das
da am Fenſter ſteit mit dene Spatze u ſo gwungerig is
Stübli luegt. Großmütti lueg doch, wie ſchön und wie
gwungerig es iſch, dörfe mer ne Brodbrösmeli gäh us
dr Tiſchdrucke?“ Die Großmutter konnte natürlich, wie
die meiſten Großmütter, den Kleinen nichts abſchlagen,
und das Fenſterchen ward geöffnet und die Brösmeli
auf den Sinzel geſtreut.
Die Vögelchen flogen beim Oeffnen des Fenſters
auf die nächſten Bäume, und wie es wieder zu ging,
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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. [137]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/147>, abgerufen am 16.06.2024.
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