"Zugleich mit dem Müller trat er in den Hof, ras¬ selnd in schwerer Rüstung, fast sieben Schuh hoch, mit rothen Augenbraunen fast fingerslang. Sein graues Augenpaar blitzte wild durch den Hof, Flüche donnerte sein bärtiger Mund über die Knechte, die ihm zu lang¬ sam schienen in seiner Bärenbrunst. Da nahm der Müller sein Herz in beide Hände, stellte sich ihm unter das Gesicht und bat mit demüthigen Geberden gar dringlich: daß der hohe Herr ihm doch gestatten möchte, zu Hause zu bleiben mit noch Einigen, zu schwellen an der Emme, sonst gehe Haus und Hof zu Grunde. Der Flühluft gehe, der Styggrad habe einen Weg fast so breit wie der Schloßweg; schon regne es warm über die Berge und Schwelle sei keine mehr, wie der Freiherr selbst gesehen. Wie er so geredet, schlug mit eisernem Handschuh der Ritter den Müller aufs Maul, und donnerte die Worte ihm zu: "Wohl, die Steine magst du lassen, aber die Bären hilfst du treiben; die Steine fährst du morgen; die Mühle ist mein, und was die Emme mit ihr macht, kümmere dich nicht." Der Müller wollte noch einmal ansetzen zur Rede, aber der Ritter, schon zu Roß, schlug ihn auf den Kopf mit der Eisenfaust, trieb ihn mit bäumendem Rosse zum Thore hinaus, und voran durch den schmel¬ zenden Schnee mußte der Müller dem Ritter. Mit altem Buchenlaube wischte der Müller sein blutend Gesicht ab, aber sein wuthblutendes Herz konnte er mit keinem Laube abwischen.
"Rasch ritt der Ritter der Hölle zu, voran der Mül¬ ler, er mochte nicht erwarten bis er darinnen war; rasch trieben die Knechte die keuchenden Bäuerlein nach. Als sie hinaus kamen, wo jetzt Neuegg liegt, weit außen auf der Egg, fand sich die Bärenspur und
„Zugleich mit dem Müller trat er in den Hof, raſ¬ ſelnd in ſchwerer Rüſtung, faſt ſieben Schuh hoch, mit rothen Augenbraunen faſt fingerslang. Sein graues Augenpaar blitzte wild durch den Hof, Flüche donnerte ſein bärtiger Mund über die Knechte, die ihm zu lang¬ ſam ſchienen in ſeiner Bärenbrunſt. Da nahm der Müller ſein Herz in beide Hände, ſtellte ſich ihm unter das Geſicht und bat mit demüthigen Geberden gar dringlich: daß der hohe Herr ihm doch geſtatten möchte, zu Hauſe zu bleiben mit noch Einigen, zu ſchwellen an der Emme, ſonſt gehe Haus und Hof zu Grunde. Der Flühluft gehe, der Styggrad habe einen Weg faſt ſo breit wie der Schloßweg; ſchon regne es warm über die Berge und Schwelle ſei keine mehr, wie der Freiherr ſelbſt geſehen. Wie er ſo geredet, ſchlug mit eiſernem Handſchuh der Ritter den Müller aufs Maul, und donnerte die Worte ihm zu: „Wohl, die Steine magſt du laſſen, aber die Bären hilfſt du treiben; die Steine fährſt du morgen; die Mühle iſt mein, und was die Emme mit ihr macht, kümmere dich nicht.“ Der Müller wollte noch einmal anſetzen zur Rede, aber der Ritter, ſchon zu Roß, ſchlug ihn auf den Kopf mit der Eiſenfauſt, trieb ihn mit bäumendem Roſſe zum Thore hinaus, und voran durch den ſchmel¬ zenden Schnee mußte der Müller dem Ritter. Mit altem Buchenlaube wiſchte der Müller ſein blutend Geſicht ab, aber ſein wuthblutendes Herz konnte er mit keinem Laube abwiſchen.
„Raſch ritt der Ritter der Hölle zu, voran der Mül¬ ler, er mochte nicht erwarten bis er darinnen war; raſch trieben die Knechte die keuchenden Bäuerlein nach. Als ſie hinaus kamen, wo jetzt Neuegg liegt, weit außen auf der Egg, fand ſich die Bärenſpur und
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„Zugleich mit dem Müller trat er in den Hof, raſ¬
ſelnd in ſchwerer Rüſtung, faſt ſieben Schuh hoch, mit
rothen Augenbraunen faſt fingerslang. Sein graues
Augenpaar blitzte wild durch den Hof, Flüche donnerte
ſein bärtiger Mund über die Knechte, die ihm zu lang¬
ſam ſchienen in ſeiner Bärenbrunſt. Da nahm der
Müller ſein Herz in beide Hände, ſtellte ſich ihm unter
das Geſicht und bat mit demüthigen Geberden gar
dringlich: daß der hohe Herr ihm doch geſtatten möchte,
zu Hauſe zu bleiben mit noch Einigen, zu ſchwellen
an der Emme, ſonſt gehe Haus und Hof zu Grunde.
Der Flühluft gehe, der Styggrad habe einen Weg faſt
ſo breit wie der Schloßweg; ſchon regne es warm
über die Berge und Schwelle ſei keine mehr, wie der
Freiherr ſelbſt geſehen. Wie er ſo geredet, ſchlug mit
eiſernem Handſchuh der Ritter den Müller aufs Maul,
und donnerte die Worte ihm zu: „Wohl, die Steine
magſt du laſſen, aber die Bären hilfſt du treiben; die
Steine fährſt du morgen; die Mühle iſt mein, und
was die Emme mit ihr macht, kümmere dich nicht.“
Der Müller wollte noch einmal anſetzen zur Rede,
aber der Ritter, ſchon zu Roß, ſchlug ihn auf den
Kopf mit der Eiſenfauſt, trieb ihn mit bäumendem
Roſſe zum Thore hinaus, und voran durch den ſchmel¬
zenden Schnee mußte der Müller dem Ritter. Mit
altem Buchenlaube wiſchte der Müller ſein blutend
Geſicht ab, aber ſein wuthblutendes Herz konnte er
mit keinem Laube abwiſchen.
„Raſch ritt der Ritter der Hölle zu, voran der Mül¬
ler, er mochte nicht erwarten bis er darinnen war;
raſch trieben die Knechte die keuchenden Bäuerlein nach.
Als ſie hinaus kamen, wo jetzt Neuegg liegt, weit
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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/137>, abgerufen am 16.02.2025.
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