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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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dem Wege; wenn ihm der Tod bestimmt sei, so entrinne
er ihm hier nicht und dort nicht.

"Er machte sich auf den Weg, aber Stunde um Stunde
rann vorüber, kein Bote kam wieder. Wuth und Jammer
wurden immer entsetzlicher, die Geburt rückte immer näher.
Da riß das Weib in der Wuth der Verzweiflung vom
Lager sich auf und stürzte hin nach Christens Haus, dem
tausendfach Verwünschten, der betend bei seinen Kin¬
dern saß, des Kampfes mit der Spinne gewärtig.
Weither schon tönte ihr Geschrei, ihre Verwünschungen
donnerten an Christens Thüre lange, ehe sie dieselbe
aufriß und den Donner in die Stube ihm brachte. Als
sie hereinstürzte so schrecklichen Angesichtes, da fuhr er
auf, er wußte erst nicht, war es Christine in ihrer
ursprünglichen Gestalt. Aber unter der Thüre hemmte
der Schmerz ihren Lauf, an den Thürpfosten wand sie
sich, die Fluth ihrer Verwünschungen ausgießend über
den armen Christen. Er sollte der Bote sein, wenn er
nicht verflucht sein wolle mit Kind und Kindeskindern
in Zeit und Ewigkeit. Da überwallete der Schmerz
ihr Fluchen, und ein Söhnlein war geboren vom wil¬
den Weibe auf Christens Schwelle, und Alle die ihr
gefolget waren, stoben ins Weite, des Schrecklichsten
gewärtig. Das unschuldige Kindlein hielt Christen in
den Armen; stechend und wild und giftig starrten aus des
Weibes verzerrten Zügen dessen Augen ihn an und es
ward ihm immer mehr, als trete die Spinne aus ihnen
heraus, als sei sie es selbst. Da kam eine Kraft Got¬
tes in ihn und ein übermenschlicher Wille ward in ihm
mächtig; einen innigen Blick warf er auf seine Kinder,
hüllte das neugeborne Kind in sein warm Gewand,
sprang über das glotzende Weib, den Berg hinunter
das Thal entlang, Sumiswald zu. Zur heiligen Weihe

dem Wege; wenn ihm der Tod beſtimmt ſei, ſo entrinne
er ihm hier nicht und dort nicht.

„Er machte ſich auf den Weg, aber Stunde um Stunde
rann vorüber, kein Bote kam wieder. Wuth und Jammer
wurden immer entſetzlicher, die Geburt rückte immer näher.
Da riß das Weib in der Wuth der Verzweiflung vom
Lager ſich auf und ſtürzte hin nach Chriſtens Haus, dem
tauſendfach Verwünſchten, der betend bei ſeinen Kin¬
dern ſaß, des Kampfes mit der Spinne gewärtig.
Weither ſchon tönte ihr Geſchrei, ihre Verwünſchungen
donnerten an Chriſtens Thüre lange, ehe ſie dieſelbe
aufriß und den Donner in die Stube ihm brachte. Als
ſie hereinſtürzte ſo ſchrecklichen Angeſichtes, da fuhr er
auf, er wußte erſt nicht, war es Chriſtine in ihrer
urſprünglichen Geſtalt. Aber unter der Thüre hemmte
der Schmerz ihren Lauf, an den Thürpfoſten wand ſie
ſich, die Fluth ihrer Verwünſchungen ausgießend über
den armen Chriſten. Er ſollte der Bote ſein, wenn er
nicht verflucht ſein wolle mit Kind und Kindeskindern
in Zeit und Ewigkeit. Da überwallete der Schmerz
ihr Fluchen, und ein Söhnlein war geboren vom wil¬
den Weibe auf Chriſtens Schwelle, und Alle die ihr
gefolget waren, ſtoben ins Weite, des Schrecklichſten
gewärtig. Das unſchuldige Kindlein hielt Chriſten in
den Armen; ſtechend und wild und giftig ſtarrten aus des
Weibes verzerrten Zügen deſſen Augen ihn an und es
ward ihm immer mehr, als trete die Spinne aus ihnen
heraus, als ſei ſie es ſelbſt. Da kam eine Kraft Got¬
tes in ihn und ein übermenſchlicher Wille ward in ihm
mächtig; einen innigen Blick warf er auf ſeine Kinder,
hüllte das neugeborne Kind in ſein warm Gewand,
ſprang über das glotzende Weib, den Berg hinunter
das Thal entlang, Sumiswald zu. Zur heiligen Weihe

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[104/0114] dem Wege; wenn ihm der Tod beſtimmt ſei, ſo entrinne er ihm hier nicht und dort nicht. „Er machte ſich auf den Weg, aber Stunde um Stunde rann vorüber, kein Bote kam wieder. Wuth und Jammer wurden immer entſetzlicher, die Geburt rückte immer näher. Da riß das Weib in der Wuth der Verzweiflung vom Lager ſich auf und ſtürzte hin nach Chriſtens Haus, dem tauſendfach Verwünſchten, der betend bei ſeinen Kin¬ dern ſaß, des Kampfes mit der Spinne gewärtig. Weither ſchon tönte ihr Geſchrei, ihre Verwünſchungen donnerten an Chriſtens Thüre lange, ehe ſie dieſelbe aufriß und den Donner in die Stube ihm brachte. Als ſie hereinſtürzte ſo ſchrecklichen Angeſichtes, da fuhr er auf, er wußte erſt nicht, war es Chriſtine in ihrer urſprünglichen Geſtalt. Aber unter der Thüre hemmte der Schmerz ihren Lauf, an den Thürpfoſten wand ſie ſich, die Fluth ihrer Verwünſchungen ausgießend über den armen Chriſten. Er ſollte der Bote ſein, wenn er nicht verflucht ſein wolle mit Kind und Kindeskindern in Zeit und Ewigkeit. Da überwallete der Schmerz ihr Fluchen, und ein Söhnlein war geboren vom wil¬ den Weibe auf Chriſtens Schwelle, und Alle die ihr gefolget waren, ſtoben ins Weite, des Schrecklichſten gewärtig. Das unſchuldige Kindlein hielt Chriſten in den Armen; ſtechend und wild und giftig ſtarrten aus des Weibes verzerrten Zügen deſſen Augen ihn an und es ward ihm immer mehr, als trete die Spinne aus ihnen heraus, als ſei ſie es ſelbſt. Da kam eine Kraft Got¬ tes in ihn und ein übermenſchlicher Wille ward in ihm mächtig; einen innigen Blick warf er auf ſeine Kinder, hüllte das neugeborne Kind in ſein warm Gewand, ſprang über das glotzende Weib, den Berg hinunter das Thal entlang, Sumiswald zu. Zur heiligen Weihe

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/114>, abgerufen am 24.11.2024.