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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sie am strengsten an ihn dachte, so mußte sie seufzen und denken, wenn sie Flügel hätte, sie flöge ihm nach! Mit der Spendvögtin durfte sie über Mannspersonen nicht reden, ausgenommen über den alten Spendvogt selig, es schicke sich nicht für so junge dumme Dinger, meinte die Spendvögtin, und doch war Luise näher den Dreißigen als den Zwanzigen. Durch die Heirath ihrer Freundinnen war sie nach und nach von der Welt so quasi getrennt worden, d. h. sie machte ihre Schwingungen nicht mehr mit, glich so gleichsam einem Krebs, der bei einer Meeresfluth weit auf den Strand getrieben wurde, und als die Ebbe kam, in einer Pfütze einsam zurückgelassen worden war. Endlich vernahm sie, Julie sei wieder angelangt, sie säumte nicht, der jungen Frau ihre Aufwartung zu machen. Sie fand diese voller Freuden, sie hatte einen ganzen Himmel voll Hoffnungen, und zwar ganz solide, mitgebracht. Sie waren nicht weit gereis't, aber mehr als acht Tage hatten sie sich in der Hauptstadt aufgehalten, wo Fritz, der Spitzbube, vornehme Bekanntschaften hat, welche ihn versicherten, daß er nicht länger bloßes Subject bleiben, sondern die erste beste Stelle, welche brav eintrage, erhalten solle. Sie könnten sich ganz bestimmt darauf verlassen, die Herren hätten es ihr selbst in die Hand versprochen und sie hätte versprechen müssen, dieselben aufzunehmen und gut zu bewirthen, wenn sie hinaus zu ihnen kämen; sie wollten wissen, ob die junge Frau Fische backen und Mehlsuppen machen könnte. Es seien gar scharmante Herren, und wer bei ihnen den Fuß im Hafen hätte, könnte haben was er wolle, die sorgten für ihre alten Freunde und Bekannten. Julie war so voll Freude und Hoffnung, daß es Luise viele Mühe kostete, das Gespräch so unvermerkt als thunlich auf ihren Notar zu bringen und so unverfänglich als möglich merken zu lassen, was das für ein herrlicher Mensch sei; sie glaube nicht, daß es zwei von dieser Sorte auf Erden gebe.

Da lächelte Julie schalkhaft und sagte: Luise, nimm dich in Acht, der sagt dir nicht Herr, der will oben aus,

sie am strengsten an ihn dachte, so mußte sie seufzen und denken, wenn sie Flügel hätte, sie flöge ihm nach! Mit der Spendvögtin durfte sie über Mannspersonen nicht reden, ausgenommen über den alten Spendvogt selig, es schicke sich nicht für so junge dumme Dinger, meinte die Spendvögtin, und doch war Luise näher den Dreißigen als den Zwanzigen. Durch die Heirath ihrer Freundinnen war sie nach und nach von der Welt so quasi getrennt worden, d. h. sie machte ihre Schwingungen nicht mehr mit, glich so gleichsam einem Krebs, der bei einer Meeresfluth weit auf den Strand getrieben wurde, und als die Ebbe kam, in einer Pfütze einsam zurückgelassen worden war. Endlich vernahm sie, Julie sei wieder angelangt, sie säumte nicht, der jungen Frau ihre Aufwartung zu machen. Sie fand diese voller Freuden, sie hatte einen ganzen Himmel voll Hoffnungen, und zwar ganz solide, mitgebracht. Sie waren nicht weit gereis't, aber mehr als acht Tage hatten sie sich in der Hauptstadt aufgehalten, wo Fritz, der Spitzbube, vornehme Bekanntschaften hat, welche ihn versicherten, daß er nicht länger bloßes Subject bleiben, sondern die erste beste Stelle, welche brav eintrage, erhalten solle. Sie könnten sich ganz bestimmt darauf verlassen, die Herren hätten es ihr selbst in die Hand versprochen und sie hätte versprechen müssen, dieselben aufzunehmen und gut zu bewirthen, wenn sie hinaus zu ihnen kämen; sie wollten wissen, ob die junge Frau Fische backen und Mehlsuppen machen könnte. Es seien gar scharmante Herren, und wer bei ihnen den Fuß im Hafen hätte, könnte haben was er wolle, die sorgten für ihre alten Freunde und Bekannten. Julie war so voll Freude und Hoffnung, daß es Luise viele Mühe kostete, das Gespräch so unvermerkt als thunlich auf ihren Notar zu bringen und so unverfänglich als möglich merken zu lassen, was das für ein herrlicher Mensch sei; sie glaube nicht, daß es zwei von dieser Sorte auf Erden gebe.

Da lächelte Julie schalkhaft und sagte: Luise, nimm dich in Acht, der sagt dir nicht Herr, der will oben aus,

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[0028] sie am strengsten an ihn dachte, so mußte sie seufzen und denken, wenn sie Flügel hätte, sie flöge ihm nach! Mit der Spendvögtin durfte sie über Mannspersonen nicht reden, ausgenommen über den alten Spendvogt selig, es schicke sich nicht für so junge dumme Dinger, meinte die Spendvögtin, und doch war Luise näher den Dreißigen als den Zwanzigen. Durch die Heirath ihrer Freundinnen war sie nach und nach von der Welt so quasi getrennt worden, d. h. sie machte ihre Schwingungen nicht mehr mit, glich so gleichsam einem Krebs, der bei einer Meeresfluth weit auf den Strand getrieben wurde, und als die Ebbe kam, in einer Pfütze einsam zurückgelassen worden war. Endlich vernahm sie, Julie sei wieder angelangt, sie säumte nicht, der jungen Frau ihre Aufwartung zu machen. Sie fand diese voller Freuden, sie hatte einen ganzen Himmel voll Hoffnungen, und zwar ganz solide, mitgebracht. Sie waren nicht weit gereis't, aber mehr als acht Tage hatten sie sich in der Hauptstadt aufgehalten, wo Fritz, der Spitzbube, vornehme Bekanntschaften hat, welche ihn versicherten, daß er nicht länger bloßes Subject bleiben, sondern die erste beste Stelle, welche brav eintrage, erhalten solle. Sie könnten sich ganz bestimmt darauf verlassen, die Herren hätten es ihr selbst in die Hand versprochen und sie hätte versprechen müssen, dieselben aufzunehmen und gut zu bewirthen, wenn sie hinaus zu ihnen kämen; sie wollten wissen, ob die junge Frau Fische backen und Mehlsuppen machen könnte. Es seien gar scharmante Herren, und wer bei ihnen den Fuß im Hafen hätte, könnte haben was er wolle, die sorgten für ihre alten Freunde und Bekannten. Julie war so voll Freude und Hoffnung, daß es Luise viele Mühe kostete, das Gespräch so unvermerkt als thunlich auf ihren Notar zu bringen und so unverfänglich als möglich merken zu lassen, was das für ein herrlicher Mensch sei; sie glaube nicht, daß es zwei von dieser Sorte auf Erden gebe. Da lächelte Julie schalkhaft und sagte: Luise, nimm dich in Acht, der sagt dir nicht Herr, der will oben aus,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:45:11Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:45:11Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_notar_1910/28>, abgerufen am 24.11.2024.