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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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weder er sei ihnen gestohlen worden, oder davon gelaufen; sie thaten das nicht, aber wenn er gestorben, wäre es ihnen sicher sehr recht gewesen; sie behandelten ihn nicht eben zart, sparten Stöße nicht, und wenn die Pferde traben wollten, so konnten sie. Sie wählten den längeren Weg über Herzogenbuchsee, um dort im Kloster Einkehr zu halten, ein tüchtig Frühstück einzunehmen, damit sie die Reise bis Denz, welches keine halbe Stunde von Herzogenbuchsee entfernt war, auszuhalten vermöchten. So ward es Mittag, ehe sie nach Denz kamen, und Kurt war noch immer bewußtlos. Nach sicheren Nachrichten sollen schon damals Fräuleins zuweilen der Langeweile unterworfen gewesen sein. Sie verstanden freilich damals das Spinnen und Weben, vielleicht sogar das Nähen, sahen zu Milch und Eiern, zu Küche und Keller, was heutzutage nicht mehr Mode ist, zerlegten die Leute, welche ihnen vor die Augen kamen, welches dagegen in der Mode geblieben (es würde ein sehr curios Werk geben, wenn Jemand zusammenstellen wollte, was aus der Mode gekommen, was Mode geblieben, und was neue Mode scheint, aber eigentlich eine uralte ist, nur mit einem neuen Mäntelchen); trotzdem hatten schon damals Fräuleins Langeweile und sahen nach etwas Neuem aus, besonders wenn der Vater nicht zu Hause war. Freilich das muß man sagen, sie hatten damals den Eugen Sue nicht, die Sand nicht, den Storch nicht, und wenn sie dieselben schon gehabt, hätte es Mancher wenig

weder er sei ihnen gestohlen worden, oder davon gelaufen; sie thaten das nicht, aber wenn er gestorben, wäre es ihnen sicher sehr recht gewesen; sie behandelten ihn nicht eben zart, sparten Stöße nicht, und wenn die Pferde traben wollten, so konnten sie. Sie wählten den längeren Weg über Herzogenbuchsee, um dort im Kloster Einkehr zu halten, ein tüchtig Frühstück einzunehmen, damit sie die Reise bis Denz, welches keine halbe Stunde von Herzogenbuchsee entfernt war, auszuhalten vermöchten. So ward es Mittag, ehe sie nach Denz kamen, und Kurt war noch immer bewußtlos. Nach sicheren Nachrichten sollen schon damals Fräuleins zuweilen der Langeweile unterworfen gewesen sein. Sie verstanden freilich damals das Spinnen und Weben, vielleicht sogar das Nähen, sahen zu Milch und Eiern, zu Küche und Keller, was heutzutage nicht mehr Mode ist, zerlegten die Leute, welche ihnen vor die Augen kamen, welches dagegen in der Mode geblieben (es würde ein sehr curios Werk geben, wenn Jemand zusammenstellen wollte, was aus der Mode gekommen, was Mode geblieben, und was neue Mode scheint, aber eigentlich eine uralte ist, nur mit einem neuen Mäntelchen); trotzdem hatten schon damals Fräuleins Langeweile und sahen nach etwas Neuem aus, besonders wenn der Vater nicht zu Hause war. Freilich das muß man sagen, sie hatten damals den Eugen Sue nicht, die Sand nicht, den Storch nicht, und wenn sie dieselben schon gehabt, hätte es Mancher wenig

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/80>, abgerufen am 02.05.2024.