Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mit moderner Unverschämtheit. Der Ritter wäre gerne durch Wald und Berg gebrochen nach Etlswyl, Huttwyl, Rohrbach u. s. w. das reiche Thal hinab, welches die Langeten bewässert. Aber dort wohnten viele Edle, Freunde des neuen Klosters, absonderlich auch die Edlen von Madiswyl. Alle hätte er aufgejagt, ans seine Fährte gezogen, und viele Hunde sind bekanntlich des Hasen Tod. Er zog daher östlich, das Thal abwärts, Großdietwyl und Altbüren zu. Mancher Freund gesellte sich zu ihm auf dem Wege, und als er seine angeschwollene Schaar übersah, drängte es ihn, an St. Urban selbst sich zu versuchen, mit einem kühnen Streich all dem Ding ein Ende Zu machen. Er wußte, daß einer seiner Vettern dort sich aufhielt: konnte er den als Geisel in seine Hände bekommen, so hatte er von den Folgen des Ueberfalls nicht viel zu fürchten. Er hielt, zog Kunde ein, aber sie gefiel ihm nicht; er vernahm, daß viele Edle mit Gefolge im Kloster sich aufhielten, daß noch mehr erwartet würden, ein Ueberfall also nicht räthlich sei. Er bog links ins waldige Gebirge, durch dasselbe konnte er unbemerkt bis gegen die reichen Langenthaler Höfe ziehen, dieselben Plündern und auf der dortigen Straße vielleicht einen reichen Fang thun, Einen schnappen, der nach dem Kloster wollte. In Langenthal ruhte die ländliche Arbeit, das Vieh war eingetrieben, das Gesinde heimgekehrt, die Mutter kochte, die Töchter kämmten ihre Haare, was mit moderner Unverschämtheit. Der Ritter wäre gerne durch Wald und Berg gebrochen nach Etlswyl, Huttwyl, Rohrbach u. s. w. das reiche Thal hinab, welches die Langeten bewässert. Aber dort wohnten viele Edle, Freunde des neuen Klosters, absonderlich auch die Edlen von Madiswyl. Alle hätte er aufgejagt, ans seine Fährte gezogen, und viele Hunde sind bekanntlich des Hasen Tod. Er zog daher östlich, das Thal abwärts, Großdietwyl und Altbüren zu. Mancher Freund gesellte sich zu ihm auf dem Wege, und als er seine angeschwollene Schaar übersah, drängte es ihn, an St. Urban selbst sich zu versuchen, mit einem kühnen Streich all dem Ding ein Ende Zu machen. Er wußte, daß einer seiner Vettern dort sich aufhielt: konnte er den als Geisel in seine Hände bekommen, so hatte er von den Folgen des Ueberfalls nicht viel zu fürchten. Er hielt, zog Kunde ein, aber sie gefiel ihm nicht; er vernahm, daß viele Edle mit Gefolge im Kloster sich aufhielten, daß noch mehr erwartet würden, ein Ueberfall also nicht räthlich sei. Er bog links ins waldige Gebirge, durch dasselbe konnte er unbemerkt bis gegen die reichen Langenthaler Höfe ziehen, dieselben Plündern und auf der dortigen Straße vielleicht einen reichen Fang thun, Einen schnappen, der nach dem Kloster wollte. In Langenthal ruhte die ländliche Arbeit, das Vieh war eingetrieben, das Gesinde heimgekehrt, die Mutter kochte, die Töchter kämmten ihre Haare, was <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0069"/> mit moderner Unverschämtheit. Der Ritter wäre gerne durch Wald und Berg gebrochen nach Etlswyl, Huttwyl, Rohrbach u. s. w. das reiche Thal hinab, welches die Langeten bewässert. Aber dort wohnten viele Edle, Freunde des neuen Klosters, absonderlich auch die Edlen von Madiswyl. Alle hätte er aufgejagt, ans seine Fährte gezogen, und viele Hunde sind bekanntlich des Hasen Tod. Er zog daher östlich, das Thal abwärts, Großdietwyl und Altbüren zu. Mancher Freund gesellte sich zu ihm auf dem Wege, und als er seine angeschwollene Schaar übersah, drängte es ihn, an St. Urban selbst sich zu versuchen, mit einem kühnen Streich all dem Ding ein Ende Zu machen. Er wußte, daß einer seiner Vettern dort sich aufhielt: konnte er den als Geisel in seine Hände bekommen, so hatte er von den Folgen des Ueberfalls nicht viel zu fürchten. Er hielt, zog Kunde ein, aber sie gefiel ihm nicht; er vernahm, daß viele Edle mit Gefolge im Kloster sich aufhielten, daß noch mehr erwartet würden, ein Ueberfall also nicht räthlich sei. Er bog links ins waldige Gebirge, durch dasselbe konnte er unbemerkt bis gegen die reichen Langenthaler Höfe ziehen, dieselben Plündern und auf der dortigen Straße vielleicht einen reichen Fang thun, Einen schnappen, der nach dem Kloster wollte.</p><lb/> <p>In Langenthal ruhte die ländliche Arbeit, das Vieh war eingetrieben, das Gesinde heimgekehrt, die Mutter kochte, die Töchter kämmten ihre Haare, was<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0069]
mit moderner Unverschämtheit. Der Ritter wäre gerne durch Wald und Berg gebrochen nach Etlswyl, Huttwyl, Rohrbach u. s. w. das reiche Thal hinab, welches die Langeten bewässert. Aber dort wohnten viele Edle, Freunde des neuen Klosters, absonderlich auch die Edlen von Madiswyl. Alle hätte er aufgejagt, ans seine Fährte gezogen, und viele Hunde sind bekanntlich des Hasen Tod. Er zog daher östlich, das Thal abwärts, Großdietwyl und Altbüren zu. Mancher Freund gesellte sich zu ihm auf dem Wege, und als er seine angeschwollene Schaar übersah, drängte es ihn, an St. Urban selbst sich zu versuchen, mit einem kühnen Streich all dem Ding ein Ende Zu machen. Er wußte, daß einer seiner Vettern dort sich aufhielt: konnte er den als Geisel in seine Hände bekommen, so hatte er von den Folgen des Ueberfalls nicht viel zu fürchten. Er hielt, zog Kunde ein, aber sie gefiel ihm nicht; er vernahm, daß viele Edle mit Gefolge im Kloster sich aufhielten, daß noch mehr erwartet würden, ein Ueberfall also nicht räthlich sei. Er bog links ins waldige Gebirge, durch dasselbe konnte er unbemerkt bis gegen die reichen Langenthaler Höfe ziehen, dieselben Plündern und auf der dortigen Straße vielleicht einen reichen Fang thun, Einen schnappen, der nach dem Kloster wollte.
In Langenthal ruhte die ländliche Arbeit, das Vieh war eingetrieben, das Gesinde heimgekehrt, die Mutter kochte, die Töchter kämmten ihre Haare, was
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Zitationshilfe: | Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/69>, abgerufen am 27.07.2024. |