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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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seine Gedanken versunken, ließ er sein Roß nach Belieben schreiten durch Nebel und Schnee, und da auf dem weiten Felde keine besondern Merkmale standen, welche anzeigten, ob man weiter oben oder weiter unten sei, so kam er viel weiter unten an den Wald, als es sonst zu geschehen pflegte; gerade unten an dem einzigen Hügel, welcher auf dem großen Felde und am Walde liegt, der Willenrain geheißen; an demselben merkte er, wo er war. Er hielt nun aufwärts südöstlich, ritt zwischen mächtigen Eichen dem Bachtelenbrunnen zu, wollte unten an der Bürglen durch den nächsten Weg nach Koppigen. Daß es die heilige Nacht war, daran dachte er schon nicht mehr, viele Gedanken auf einmal barg er in seinem Kopfe nicht; hätte er noch daran gedacht, er hätte sicherlich den Bachtelenbrunnen und Bürglen gemieden, denn daß es dort in der heiligen Nacht nicht geheuer war, das war ihm gar wohl bekannt. Es war eine rohe, wilde Zeit, roh und wild war zumeist, was im Leben sich zeigte, daneben mochten wohl in vielen Herzen herrliche Gefühle blühen, der Friede Gottes sich wölben, ein hehrer Geist durch viele Häuser wehen, denn große Thaten sah man hie und da ins Leben treten, die einen tiefen Grund haben mußten, nur von hoher Kraft geboren waren. Roh, wie seine Zeit, war Kurt; das Zeichen des Kreuzes machte er wohl in Nothfällen, aber dessen Bedeutung kannte er kaum; an den Teufel glaubte er ebenfalls, wie wir gesehen, und aus diesen

seine Gedanken versunken, ließ er sein Roß nach Belieben schreiten durch Nebel und Schnee, und da auf dem weiten Felde keine besondern Merkmale standen, welche anzeigten, ob man weiter oben oder weiter unten sei, so kam er viel weiter unten an den Wald, als es sonst zu geschehen pflegte; gerade unten an dem einzigen Hügel, welcher auf dem großen Felde und am Walde liegt, der Willenrain geheißen; an demselben merkte er, wo er war. Er hielt nun aufwärts südöstlich, ritt zwischen mächtigen Eichen dem Bachtelenbrunnen zu, wollte unten an der Bürglen durch den nächsten Weg nach Koppigen. Daß es die heilige Nacht war, daran dachte er schon nicht mehr, viele Gedanken auf einmal barg er in seinem Kopfe nicht; hätte er noch daran gedacht, er hätte sicherlich den Bachtelenbrunnen und Bürglen gemieden, denn daß es dort in der heiligen Nacht nicht geheuer war, das war ihm gar wohl bekannt. Es war eine rohe, wilde Zeit, roh und wild war zumeist, was im Leben sich zeigte, daneben mochten wohl in vielen Herzen herrliche Gefühle blühen, der Friede Gottes sich wölben, ein hehrer Geist durch viele Häuser wehen, denn große Thaten sah man hie und da ins Leben treten, die einen tiefen Grund haben mußten, nur von hoher Kraft geboren waren. Roh, wie seine Zeit, war Kurt; das Zeichen des Kreuzes machte er wohl in Nothfällen, aber dessen Bedeutung kannte er kaum; an den Teufel glaubte er ebenfalls, wie wir gesehen, und aus diesen

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[0168] seine Gedanken versunken, ließ er sein Roß nach Belieben schreiten durch Nebel und Schnee, und da auf dem weiten Felde keine besondern Merkmale standen, welche anzeigten, ob man weiter oben oder weiter unten sei, so kam er viel weiter unten an den Wald, als es sonst zu geschehen pflegte; gerade unten an dem einzigen Hügel, welcher auf dem großen Felde und am Walde liegt, der Willenrain geheißen; an demselben merkte er, wo er war. Er hielt nun aufwärts südöstlich, ritt zwischen mächtigen Eichen dem Bachtelenbrunnen zu, wollte unten an der Bürglen durch den nächsten Weg nach Koppigen. Daß es die heilige Nacht war, daran dachte er schon nicht mehr, viele Gedanken auf einmal barg er in seinem Kopfe nicht; hätte er noch daran gedacht, er hätte sicherlich den Bachtelenbrunnen und Bürglen gemieden, denn daß es dort in der heiligen Nacht nicht geheuer war, das war ihm gar wohl bekannt. Es war eine rohe, wilde Zeit, roh und wild war zumeist, was im Leben sich zeigte, daneben mochten wohl in vielen Herzen herrliche Gefühle blühen, der Friede Gottes sich wölben, ein hehrer Geist durch viele Häuser wehen, denn große Thaten sah man hie und da ins Leben treten, die einen tiefen Grund haben mußten, nur von hoher Kraft geboren waren. Roh, wie seine Zeit, war Kurt; das Zeichen des Kreuzes machte er wohl in Nothfällen, aber dessen Bedeutung kannte er kaum; an den Teufel glaubte er ebenfalls, wie wir gesehen, und aus diesen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:57:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:57:28Z)

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/168>, abgerufen am 25.11.2024.