Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ihn fast für einen Altar nehmen können; es war eigentlich auch einer, aber er trug die Opfer eines bösen Gottes. Hier wurden die Würfel geschüttelt und geworfen; was man gewonnen mit dem Einsätze seines Lebens, das ward hier auf die Würfel gesetzt, ward verloren, gewonnen, dann an Dirnen, welche sich immer einfanden nach einem Raube, so wie Bienen, welche sicherlich am Morgen dahin fliegen, wo Honigthau gefallen ist während der Nacht -- verschleudert oder verschachert, um Nichts an das Gesindel, welches ihnen immer nachzog, wie der Schweif dem Kometen. Schließlich erhob sich nicht selten ein wilder Streit, es setzte Wunden, und feucht von Blut ward die Küche. Die wildesten der Leidenschaften braus'ten hier, ungehemmt durch Sitte und Scham, wild durch einander. Leidenschaften kennen weder Vater noch Mutter, machen keinen Unterschied zwischen Freund und Feind, sie kennen den eigenen Herrn nicht, drehen gerade ihm am liebsten den Hals um. Leidenschaften sind eben Geister des Abgrundes; heraufbeschworen aus dem Abgrunde, gelöst aus ihren Banden, treiben sie Zerstörung rund um sich, zerstören das Haus, in welchem sie wohnen, den Körper, welcher sie beherberget, richten den eigenen Herrn zu Grunde, die Seele, welche sie heraufbeschworen aus den Tiefen; kehren erst wieder zurück in den Abgrund, wenn ihr Werk vollbracht ist, zerstören die Stätte, wo sie weilten, zerstören Leib und Seele dem, der sie herbergete. In diesem wilden, ihn fast für einen Altar nehmen können; es war eigentlich auch einer, aber er trug die Opfer eines bösen Gottes. Hier wurden die Würfel geschüttelt und geworfen; was man gewonnen mit dem Einsätze seines Lebens, das ward hier auf die Würfel gesetzt, ward verloren, gewonnen, dann an Dirnen, welche sich immer einfanden nach einem Raube, so wie Bienen, welche sicherlich am Morgen dahin fliegen, wo Honigthau gefallen ist während der Nacht — verschleudert oder verschachert, um Nichts an das Gesindel, welches ihnen immer nachzog, wie der Schweif dem Kometen. Schließlich erhob sich nicht selten ein wilder Streit, es setzte Wunden, und feucht von Blut ward die Küche. Die wildesten der Leidenschaften braus'ten hier, ungehemmt durch Sitte und Scham, wild durch einander. Leidenschaften kennen weder Vater noch Mutter, machen keinen Unterschied zwischen Freund und Feind, sie kennen den eigenen Herrn nicht, drehen gerade ihm am liebsten den Hals um. Leidenschaften sind eben Geister des Abgrundes; heraufbeschworen aus dem Abgrunde, gelöst aus ihren Banden, treiben sie Zerstörung rund um sich, zerstören das Haus, in welchem sie wohnen, den Körper, welcher sie beherberget, richten den eigenen Herrn zu Grunde, die Seele, welche sie heraufbeschworen aus den Tiefen; kehren erst wieder zurück in den Abgrund, wenn ihr Werk vollbracht ist, zerstören die Stätte, wo sie weilten, zerstören Leib und Seele dem, der sie herbergete. In diesem wilden, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0142"/> ihn fast für einen Altar nehmen können; es war eigentlich auch einer, aber er trug die Opfer eines bösen Gottes. Hier wurden die Würfel geschüttelt und geworfen; was man gewonnen mit dem Einsätze seines Lebens, das ward hier auf die Würfel gesetzt, ward verloren, gewonnen, dann an Dirnen, welche sich immer einfanden nach einem Raube, so wie Bienen, welche sicherlich am Morgen dahin fliegen, wo Honigthau gefallen ist während der Nacht — verschleudert oder verschachert, um Nichts an das Gesindel, welches ihnen immer nachzog, wie der Schweif dem Kometen. Schließlich erhob sich nicht selten ein wilder Streit, es setzte Wunden, und feucht von Blut ward die Küche. Die wildesten der Leidenschaften braus'ten hier, ungehemmt durch Sitte und Scham, wild durch einander. Leidenschaften kennen weder Vater noch Mutter, machen keinen Unterschied zwischen Freund und Feind, sie kennen den eigenen Herrn nicht, drehen gerade ihm am liebsten den Hals um. Leidenschaften sind eben Geister des Abgrundes; heraufbeschworen aus dem Abgrunde, gelöst aus ihren Banden, treiben sie Zerstörung rund um sich, zerstören das Haus, in welchem sie wohnen, den Körper, welcher sie beherberget, richten den eigenen Herrn zu Grunde, die Seele, welche sie heraufbeschworen aus den Tiefen; kehren erst wieder zurück in den Abgrund, wenn ihr Werk vollbracht ist, zerstören die Stätte, wo sie weilten, zerstören Leib und Seele dem, der sie herbergete. In diesem wilden,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0142]
ihn fast für einen Altar nehmen können; es war eigentlich auch einer, aber er trug die Opfer eines bösen Gottes. Hier wurden die Würfel geschüttelt und geworfen; was man gewonnen mit dem Einsätze seines Lebens, das ward hier auf die Würfel gesetzt, ward verloren, gewonnen, dann an Dirnen, welche sich immer einfanden nach einem Raube, so wie Bienen, welche sicherlich am Morgen dahin fliegen, wo Honigthau gefallen ist während der Nacht — verschleudert oder verschachert, um Nichts an das Gesindel, welches ihnen immer nachzog, wie der Schweif dem Kometen. Schließlich erhob sich nicht selten ein wilder Streit, es setzte Wunden, und feucht von Blut ward die Küche. Die wildesten der Leidenschaften braus'ten hier, ungehemmt durch Sitte und Scham, wild durch einander. Leidenschaften kennen weder Vater noch Mutter, machen keinen Unterschied zwischen Freund und Feind, sie kennen den eigenen Herrn nicht, drehen gerade ihm am liebsten den Hals um. Leidenschaften sind eben Geister des Abgrundes; heraufbeschworen aus dem Abgrunde, gelöst aus ihren Banden, treiben sie Zerstörung rund um sich, zerstören das Haus, in welchem sie wohnen, den Körper, welcher sie beherberget, richten den eigenen Herrn zu Grunde, die Seele, welche sie heraufbeschworen aus den Tiefen; kehren erst wieder zurück in den Abgrund, wenn ihr Werk vollbracht ist, zerstören die Stätte, wo sie weilten, zerstören Leib und Seele dem, der sie herbergete. In diesem wilden,
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Zitationshilfe: | Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/142>, abgerufen am 27.07.2024. |