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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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niedere, aber umfangreiche Hütte oder Haus, wie man lieber will. Niemand hätte da eine menschliche Wohnung gesucht, und ungesucht auf sie zulaufen, war ein halbes Wunder, denn ein Zugang zu derselben hatte seinen Anfang im Bette der Emme, und den andern Zugang bildete ein Bach, welchen man eine lange Strecke hinauf durchwaten oder reiten mußte, ehe man zum Hause kam. Wer am Tage auf dieselbe gelaufen wäre, hatte kaum etwas Verdächtiges an ihr gesehen, und wenn ihm ihre Größe aufgefallen wäre, so war diese leicht dadurch zu erklären, daß mehrere Fischer in den äußerst fischreichen Wassern diesen trocknen Fleck sich auserlesen und darauf eine gemeinsame Wohnung sich erbaut. Im anderthalb Stunden entfernten Solothurn, in den vielen Klöstern darum herum, im Kloster Fraubrunnen war reicher Absatz für Fischer. Hätte Jemand nachsehen wollen, ob es wirklich so sei, dem wäre es sehr schwer geworden, vielleicht unmöglich geblieben: die einzige Thüre der Hütte war immer fest verschlossen, und sehr oft hätte er stundenlang dran klopfen können, es hätte sie ihm Niemand geöffnet; im günstigsten Falle wäre sie endlich nach langem Warten aufgegangen, und froh wäre er sicherlich gewesen, er hätte nie geklopft. Wenn er scharfsichtig gewesen, so hätte er leicht wahrgenommen das Eigenthümliche, Unnennbare in jeglichem Gegenstände, welches sagt, da sei es nicht geheuer, er wäre plötzlich umgekehrt, aber zu spät schon, wenn sein

niedere, aber umfangreiche Hütte oder Haus, wie man lieber will. Niemand hätte da eine menschliche Wohnung gesucht, und ungesucht auf sie zulaufen, war ein halbes Wunder, denn ein Zugang zu derselben hatte seinen Anfang im Bette der Emme, und den andern Zugang bildete ein Bach, welchen man eine lange Strecke hinauf durchwaten oder reiten mußte, ehe man zum Hause kam. Wer am Tage auf dieselbe gelaufen wäre, hatte kaum etwas Verdächtiges an ihr gesehen, und wenn ihm ihre Größe aufgefallen wäre, so war diese leicht dadurch zu erklären, daß mehrere Fischer in den äußerst fischreichen Wassern diesen trocknen Fleck sich auserlesen und darauf eine gemeinsame Wohnung sich erbaut. Im anderthalb Stunden entfernten Solothurn, in den vielen Klöstern darum herum, im Kloster Fraubrunnen war reicher Absatz für Fischer. Hätte Jemand nachsehen wollen, ob es wirklich so sei, dem wäre es sehr schwer geworden, vielleicht unmöglich geblieben: die einzige Thüre der Hütte war immer fest verschlossen, und sehr oft hätte er stundenlang dran klopfen können, es hätte sie ihm Niemand geöffnet; im günstigsten Falle wäre sie endlich nach langem Warten aufgegangen, und froh wäre er sicherlich gewesen, er hätte nie geklopft. Wenn er scharfsichtig gewesen, so hätte er leicht wahrgenommen das Eigenthümliche, Unnennbare in jeglichem Gegenstände, welches sagt, da sei es nicht geheuer, er wäre plötzlich umgekehrt, aber zu spät schon, wenn sein

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[0134] niedere, aber umfangreiche Hütte oder Haus, wie man lieber will. Niemand hätte da eine menschliche Wohnung gesucht, und ungesucht auf sie zulaufen, war ein halbes Wunder, denn ein Zugang zu derselben hatte seinen Anfang im Bette der Emme, und den andern Zugang bildete ein Bach, welchen man eine lange Strecke hinauf durchwaten oder reiten mußte, ehe man zum Hause kam. Wer am Tage auf dieselbe gelaufen wäre, hatte kaum etwas Verdächtiges an ihr gesehen, und wenn ihm ihre Größe aufgefallen wäre, so war diese leicht dadurch zu erklären, daß mehrere Fischer in den äußerst fischreichen Wassern diesen trocknen Fleck sich auserlesen und darauf eine gemeinsame Wohnung sich erbaut. Im anderthalb Stunden entfernten Solothurn, in den vielen Klöstern darum herum, im Kloster Fraubrunnen war reicher Absatz für Fischer. Hätte Jemand nachsehen wollen, ob es wirklich so sei, dem wäre es sehr schwer geworden, vielleicht unmöglich geblieben: die einzige Thüre der Hütte war immer fest verschlossen, und sehr oft hätte er stundenlang dran klopfen können, es hätte sie ihm Niemand geöffnet; im günstigsten Falle wäre sie endlich nach langem Warten aufgegangen, und froh wäre er sicherlich gewesen, er hätte nie geklopft. Wenn er scharfsichtig gewesen, so hätte er leicht wahrgenommen das Eigenthümliche, Unnennbare in jeglichem Gegenstände, welches sagt, da sei es nicht geheuer, er wäre plötzlich umgekehrt, aber zu spät schon, wenn sein

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:57:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:57:28Z)

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/134>, abgerufen am 05.05.2024.