Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.Die Erbschleicher. Gerhard (nimmt ein.) Es ist ein grober Pa- tron, der Herr Gevatter. -- Zu trinken! Justine (reicht ihm einen silbernen Becher.) So grob, als er breit ist. (Rückt ihm den kleinen Tisch näher.) Gerhard (nachdem er getrunken.) Aber bey dem allen bin ich übel daran. Justine. Sie sind vielmehr ein großes Uebel los. Gerhard. Ich muß mit dem Bader Ve- kanntschaft machen, der zwey Stunden von hier wohnt. Justine. Sie werden doch unsre Doktorzunft nicht so beschimpfen. Gerhard. Der Mann soll erstaunende Ku- ren thun. Justine (spöttisch) Ja, er räuchert mit Kräu- tern, die in der Walpurgisnacht gesammelt sind, bespricht das Fieber, und vergräbt die Gicht. Gerhard. O, die Sympathie hat ihr Gu- tes. Aber heute zu Tage sterben die Leute lieber methodisch. Justine. Fort müssen wir doch. -- Und ich denke in meiner Einfalt, wer einmal weg ist, sehnt sich nicht wieder zurück. Die Erbſchleicher. Gerhard (nimmt ein.) Es iſt ein grober Pa- tron, der Herr Gevatter. — Zu trinken! Juſtine (reicht ihm einen ſilbernen Becher.) So grob, als er breit iſt. (Rückt ihm den kleinen Tiſch näher.) Gerhard (nachdem er getrunken.) Aber bey dem allen bin ich uͤbel daran. Juſtine. Sie ſind vielmehr ein großes Uebel los. Gerhard. Ich muß mit dem Bader Ve- kanntſchaft machen, der zwey Stunden von hier wohnt. Juſtine. Sie werden doch unſre Doktorzunft nicht ſo beſchimpfen. Gerhard. Der Mann ſoll erſtaunende Ku- ren thun. Juſtine (ſpöttiſch) Ja, er raͤuchert mit Kraͤu- tern, die in der Walpurgisnacht geſammelt ſind, beſpricht das Fieber, und vergraͤbt die Gicht. Gerhard. O, die Sympathie hat ihr Gu- tes. Aber heute zu Tage ſterben die Leute lieber methodiſch. Juſtine. Fort muͤſſen wir doch. — Und ich denke in meiner Einfalt, wer einmal weg iſt, ſehnt ſich nicht wieder zuruͤck. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0092" n="86"/> <fw place="top" type="header">Die Erbſchleicher.</fw><lb/> <sp who="#GER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard</hi> </speaker> <stage>(nimmt ein.)</stage> <p>Es iſt ein grober Pa-<lb/> tron, der Herr Gevatter. — Zu trinken!</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </speaker> <stage>(reicht ihm einen ſilbernen Becher.)</stage> <p>So<lb/> grob, als er breit iſt.</p> <stage>(Rückt ihm den kleinen Tiſch<lb/> näher.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#GER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard</hi> </speaker> <stage>(nachdem er getrunken.)</stage> <p>Aber bey dem<lb/> allen bin ich uͤbel daran.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#fr">Juſtine.</hi> </speaker> <p>Sie ſind vielmehr ein großes Uebel<lb/> los.</p> </sp><lb/> <sp who="#GER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard.</hi> </speaker> <p>Ich muß mit dem Bader Ve-<lb/> kanntſchaft machen, der zwey Stunden von hier<lb/> wohnt.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#fr">Juſtine.</hi> </speaker> <p>Sie werden doch unſre Doktorzunft<lb/> nicht ſo beſchimpfen.</p> </sp><lb/> <sp who="#GER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard.</hi> </speaker> <p>Der Mann ſoll erſtaunende Ku-<lb/> ren thun.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </speaker> <stage>(ſpöttiſch)</stage> <p>Ja, er raͤuchert mit Kraͤu-<lb/> tern, die in der Walpurgisnacht geſammelt ſind,<lb/> beſpricht das Fieber, und vergraͤbt die Gicht.</p> </sp><lb/> <sp who="#GER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard.</hi> </speaker> <p>O, die Sympathie hat ihr Gu-<lb/> tes. Aber heute zu Tage ſterben die Leute lieber<lb/> methodiſch.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#fr">Juſtine.</hi> </speaker> <p>Fort muͤſſen wir doch. — Und ich<lb/> denke in meiner Einfalt, wer einmal weg iſt,<lb/> ſehnt ſich nicht wieder zuruͤck.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [86/0092]
Die Erbſchleicher.
Gerhard (nimmt ein.) Es iſt ein grober Pa-
tron, der Herr Gevatter. — Zu trinken!
Juſtine (reicht ihm einen ſilbernen Becher.) So
grob, als er breit iſt. (Rückt ihm den kleinen Tiſch
näher.)
Gerhard (nachdem er getrunken.) Aber bey dem
allen bin ich uͤbel daran.
Juſtine. Sie ſind vielmehr ein großes Uebel
los.
Gerhard. Ich muß mit dem Bader Ve-
kanntſchaft machen, der zwey Stunden von hier
wohnt.
Juſtine. Sie werden doch unſre Doktorzunft
nicht ſo beſchimpfen.
Gerhard. Der Mann ſoll erſtaunende Ku-
ren thun.
Juſtine (ſpöttiſch) Ja, er raͤuchert mit Kraͤu-
tern, die in der Walpurgisnacht geſammelt ſind,
beſpricht das Fieber, und vergraͤbt die Gicht.
Gerhard. O, die Sympathie hat ihr Gu-
tes. Aber heute zu Tage ſterben die Leute lieber
methodiſch.
Juſtine. Fort muͤſſen wir doch. — Und ich
denke in meiner Einfalt, wer einmal weg iſt,
ſehnt ſich nicht wieder zuruͤck.
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