Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.Die Erbschleicher. nis -- aber soll ein ehrbarer, dem schönen Ge-schlechte von jeher ergebener Junggeselle -- keine Frau nehmen, weil er in sechzigen steht? Gerhard (auffahrend.) Steht! steht! -- Auf Johanni tret' ich sie erst an. Sternberg (zu Justinen.) Da hört Sies! Er tritt sie erst an. Ist das ein Alter in den Au- gen eines Frauenzimmers von Erziehung? ist das ein Gegenstand des Spottes? Mad. Anker (ihres Verdrußes nicht mehr mäch- tig, zu Sternberg.) Aber wie kann man darüber nur ein Wort verlieren? Die Haushälterin- nen sind ja privilegirt, sich über die Heira- then ihrer Herren lustig zu machen. Justine. Madam -- ich fühle den Stich, aber ich darf nicht antworten. Gerhard (der sich indessen den Angstschweiß ab- getrocknet, und an einem Balsambüchschen gerochen hat, schleicht seitwärts und ruft.) Justine! Justine (ihm nachgehend.) Herr Gerhard! Gerhard (im Hintergrunde, auf einen Stuhl ge- stützt.) Sieht Sie nicht, daß mir schlimm wird? Justine. Einbildung! Gerhard (immer ängstlicher.) Nein, nein! Das Stehen -- der Zwang -- die abwechseln- Die Erbſchleicher. nis — aber ſoll ein ehrbarer, dem ſchönen Ge-ſchlechte von jeher ergebener Junggeſelle — keine Frau nehmen, weil er in ſechzigen ſteht? Gerhard (auffahrend.) Steht! ſteht! — Auf Johanni tret’ ich ſie erſt an. Sternberg (zu Juſtinen.) Da hoͤrt Sies! Er tritt ſie erſt an. Iſt das ein Alter in den Au- gen eines Frauenzimmers von Erziehung? iſt das ein Gegenſtand des Spottes? Mad. Anker (ihres Verdrußes nicht mehr mäch- tig, zu Sternberg.) Aber wie kann man daruͤber nur ein Wort verlieren? Die Haushaͤlterin- nen ſind ja privilegirt, ſich uͤber die Heira- then ihrer Herren luſtig zu machen. Juſtine. Madam — ich fuͤhle den Stich, aber ich darf nicht antworten. Gerhard (der ſich indeſſen den Angſtſchweiß ab- getrocknet, und an einem Balſambüchschen gerochen hat, ſchleicht ſeitwärts und ruft.) Juſtine! Juſtine (ihm nachgehend.) Herr Gerhard! Gerhard (im Hintergrunde, auf einen Stuhl ge- ſtützt.) Sieht Sie nicht, daß mir ſchlimm wird? Juſtine. Einbildung! Gerhard (immer ängſtlicher.) Nein, nein! Das Stehen — der Zwang — die abwechſeln- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#STE"> <p><pb facs="#f0048" n="42"/><fw place="top" type="header">Die Erbſchleicher.</fw><lb/><hi rendition="#g">nis</hi> — aber ſoll ein ehrbarer, dem ſchönen Ge-<lb/> ſchlechte von jeher ergebener Junggeſelle — keine<lb/> Frau nehmen, weil er in ſechzigen ſteht?</p> </sp><lb/> <sp who="#GER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard</hi> </speaker> <stage>(auffahrend.)</stage> <p>Steht! ſteht! — Auf<lb/> Johanni tret’ ich ſie erſt an.</p> </sp><lb/> <sp who="#STE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Sternberg</hi> </speaker> <stage>(zu Juſtinen.)</stage> <p>Da hoͤrt Sies! Er<lb/> tritt ſie <hi rendition="#g">erſt</hi> an. Iſt das ein Alter in den Au-<lb/> gen eines Frauenzimmers von Erziehung? iſt das<lb/> ein Gegenſtand des Spottes?</p> </sp><lb/> <sp who="#ANKER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Mad. Anker</hi> </speaker> <stage>(ihres Verdrußes nicht mehr mäch-<lb/> tig, zu Sternberg.)</stage> <p>Aber wie kann man daruͤber<lb/> nur ein Wort verlieren? Die <hi rendition="#g">Haushaͤlterin-<lb/> nen</hi> ſind ja <hi rendition="#g">privilegirt,</hi> ſich uͤber die Heira-<lb/> then ihrer Herren luſtig zu machen.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#fr">Juſtine.</hi> </speaker> <p>Madam — ich fuͤhle den Stich,<lb/> aber ich darf nicht antworten.</p> </sp><lb/> <sp who="#GER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard</hi> </speaker> <stage>(der ſich indeſſen den Angſtſchweiß ab-<lb/> getrocknet, und an einem Balſambüchschen gerochen hat,<lb/> ſchleicht ſeitwärts und ruft.)</stage> <p>Juſtine!</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </speaker> <stage>(ihm nachgehend.)</stage> <p>Herr Gerhard!</p> </sp><lb/> <sp who="#GER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard</hi> </speaker> <stage>(im Hintergrunde, auf einen Stuhl ge-<lb/> ſtützt.)</stage> <p>Sieht Sie nicht, daß mir ſchlimm wird?</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#fr">Juſtine.</hi> </speaker> <p>Einbildung!</p> </sp><lb/> <sp who="#GER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard</hi> </speaker> <stage>(immer ängſtlicher.)</stage> <p>Nein, nein!<lb/> Das Stehen — der Zwang — die abwechſeln-<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0048]
Die Erbſchleicher.
nis — aber ſoll ein ehrbarer, dem ſchönen Ge-
ſchlechte von jeher ergebener Junggeſelle — keine
Frau nehmen, weil er in ſechzigen ſteht?
Gerhard (auffahrend.) Steht! ſteht! — Auf
Johanni tret’ ich ſie erſt an.
Sternberg (zu Juſtinen.) Da hoͤrt Sies! Er
tritt ſie erſt an. Iſt das ein Alter in den Au-
gen eines Frauenzimmers von Erziehung? iſt das
ein Gegenſtand des Spottes?
Mad. Anker (ihres Verdrußes nicht mehr mäch-
tig, zu Sternberg.) Aber wie kann man daruͤber
nur ein Wort verlieren? Die Haushaͤlterin-
nen ſind ja privilegirt, ſich uͤber die Heira-
then ihrer Herren luſtig zu machen.
Juſtine. Madam — ich fuͤhle den Stich,
aber ich darf nicht antworten.
Gerhard (der ſich indeſſen den Angſtſchweiß ab-
getrocknet, und an einem Balſambüchschen gerochen hat,
ſchleicht ſeitwärts und ruft.) Juſtine!
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Gerhard (immer ängſtlicher.) Nein, nein!
Das Stehen — der Zwang — die abwechſeln-
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Zitationshilfe: | Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/48>, abgerufen am 16.02.2025. |