Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.nung auf bessere Zeiten, und Juden wie Christen glaubten ihren Heiland darin. Was im Städtchen verblieben, das waren meist nur die Bäcker des Orts. Ihnen hatte der Feind Wachen ins Haus gelegt, zwei Mann in die Backstube, einen beim Meister, damit Meister und Gesellen nicht ausreißen konnten. Brod gilt im Frieden schon viel, im Kriege gilt's mehr als das Pulver. Unter den Bäckern nun war auch ein Jude im Ort, das war der Einzige seines Stammes, der nicht hatte entweichen können. Er mußte backen und backen -- die Franzosen hatten einen gewaltigen Grad Hunger. Sonst hielt er sich einen Gesellen, und seine Mägde -- er war zugleich Gastwirth und Brenner und Kaufmann und Gott weiß was noch -- mußten helfen in der Bäckerei: jetzt konnten sie's aber nicht schaffen. Mehl lieferten die Franzosen -- wo aber Gesellen hernehmen? Wo der Feind ist, da wandert nicht gern Einer hin, und was dahinwandert, nimmt wieder kein Mensch gern ins Haus; das ist richtige Art. Der arme Jude befand sich in kitzlicher Lage deßhalb. Aus den Augen ließen ihn die Franzosen nicht! er hatte ihnen den Vorschlag gemacht, einige Gesellen aus der nächsten großen Stadt herholen zu dürfen, darauf sagten sie aber: Du bleibst! Er mußte warten, ob Einer käme, und mußte nehmen, was kam. nung auf bessere Zeiten, und Juden wie Christen glaubten ihren Heiland darin. Was im Städtchen verblieben, das waren meist nur die Bäcker des Orts. Ihnen hatte der Feind Wachen ins Haus gelegt, zwei Mann in die Backstube, einen beim Meister, damit Meister und Gesellen nicht ausreißen konnten. Brod gilt im Frieden schon viel, im Kriege gilt's mehr als das Pulver. Unter den Bäckern nun war auch ein Jude im Ort, das war der Einzige seines Stammes, der nicht hatte entweichen können. Er mußte backen und backen — die Franzosen hatten einen gewaltigen Grad Hunger. Sonst hielt er sich einen Gesellen, und seine Mägde — er war zugleich Gastwirth und Brenner und Kaufmann und Gott weiß was noch — mußten helfen in der Bäckerei: jetzt konnten sie's aber nicht schaffen. Mehl lieferten die Franzosen — wo aber Gesellen hernehmen? Wo der Feind ist, da wandert nicht gern Einer hin, und was dahinwandert, nimmt wieder kein Mensch gern ins Haus; das ist richtige Art. Der arme Jude befand sich in kitzlicher Lage deßhalb. Aus den Augen ließen ihn die Franzosen nicht! er hatte ihnen den Vorschlag gemacht, einige Gesellen aus der nächsten großen Stadt herholen zu dürfen, darauf sagten sie aber: Du bleibst! Er mußte warten, ob Einer käme, und mußte nehmen, was kam. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0008"/> nung auf bessere Zeiten, und Juden wie Christen glaubten ihren Heiland darin.</p><lb/> <p>Was im Städtchen verblieben, das waren meist nur die Bäcker des Orts. Ihnen hatte der Feind Wachen ins Haus gelegt, zwei Mann in die Backstube, einen beim Meister, damit Meister und Gesellen nicht ausreißen konnten. Brod gilt im Frieden schon viel, im Kriege gilt's mehr als das Pulver.</p><lb/> <p>Unter den Bäckern nun war auch ein Jude im Ort, das war der Einzige seines Stammes, der nicht hatte entweichen können.</p><lb/> <p>Er mußte backen und backen — die Franzosen hatten einen gewaltigen Grad Hunger.</p><lb/> <p>Sonst hielt er sich einen Gesellen, und seine Mägde — er war zugleich Gastwirth und Brenner und Kaufmann und Gott weiß was noch — mußten helfen in der Bäckerei: jetzt konnten sie's aber nicht schaffen. Mehl lieferten die Franzosen — wo aber Gesellen hernehmen? Wo der Feind ist, da wandert nicht gern Einer hin, und was dahinwandert, nimmt wieder kein Mensch gern ins Haus; das ist richtige Art. Der arme Jude befand sich in kitzlicher Lage deßhalb. Aus den Augen ließen ihn die Franzosen nicht! er hatte ihnen den Vorschlag gemacht, einige Gesellen aus der nächsten großen Stadt herholen zu dürfen, darauf sagten sie aber: Du bleibst! Er mußte warten, ob Einer käme, und mußte nehmen, was kam.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0008]
nung auf bessere Zeiten, und Juden wie Christen glaubten ihren Heiland darin.
Was im Städtchen verblieben, das waren meist nur die Bäcker des Orts. Ihnen hatte der Feind Wachen ins Haus gelegt, zwei Mann in die Backstube, einen beim Meister, damit Meister und Gesellen nicht ausreißen konnten. Brod gilt im Frieden schon viel, im Kriege gilt's mehr als das Pulver.
Unter den Bäckern nun war auch ein Jude im Ort, das war der Einzige seines Stammes, der nicht hatte entweichen können.
Er mußte backen und backen — die Franzosen hatten einen gewaltigen Grad Hunger.
Sonst hielt er sich einen Gesellen, und seine Mägde — er war zugleich Gastwirth und Brenner und Kaufmann und Gott weiß was noch — mußten helfen in der Bäckerei: jetzt konnten sie's aber nicht schaffen. Mehl lieferten die Franzosen — wo aber Gesellen hernehmen? Wo der Feind ist, da wandert nicht gern Einer hin, und was dahinwandert, nimmt wieder kein Mensch gern ins Haus; das ist richtige Art. Der arme Jude befand sich in kitzlicher Lage deßhalb. Aus den Augen ließen ihn die Franzosen nicht! er hatte ihnen den Vorschlag gemacht, einige Gesellen aus der nächsten großen Stadt herholen zu dürfen, darauf sagten sie aber: Du bleibst! Er mußte warten, ob Einer käme, und mußte nehmen, was kam.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-14T16:05:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-14T16:05:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |