Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Bruder, und schließe mich an dein Herz; wirst deine Sprache schon wiederfinden danach! Abwechselnd mit einem langen und einem kurzen Schritt drängte sich der Alte durch die ihn umgebende Menge, drehte dabei seinen Körper halb rückwärts gegen seinen, wie er sich ausdrückte, vor Freude überraschten Bruder und winkte ihm fleißig, zu folgen. Wie einem Zwange und in halber Betäubung mußte der Letztere gehorchen. Draußen unter den Bäumen setzte sich der Alte an einen Tisch, commandirte zwei Seidel Bayrisch und ein Glas Nordhäuser-Korn und nöthigte seinen Gefährten zum Sitzen. Du hinkst ja! rief dieser und warf seinen Kopf, als schnelle er durch diese Bewegung eine ihn drückende Last von sich. Du hinkst ja! rief er noch einmal und lachte eine kurze Lache dazu -- du hinkst! rief er zum Dritten und wurde still, wurde nachdenkend danach. Der Alte verzog sein Gesicht zu einem freundlichen Grinsen. -- Ich hinke, Bruderherz, aber der Fehler haftet bloß an den Beinen, das Herz blieb gesund, oder vielmehr es wurde wieder gesund. -- -- Ich muß dir's erzählen, lieber Bruder -- erst aber, [--] der Kellner da wünscht seine Befriedigung -- meine Börse hab' ich in der Schlafstelle gelassen. -- -- Der Andere bezahlte ohne Weigern. Nun sage mir gleich: du lebst in erfreulichen Umständen? Bruder, und schließe mich an dein Herz; wirst deine Sprache schon wiederfinden danach! Abwechselnd mit einem langen und einem kurzen Schritt drängte sich der Alte durch die ihn umgebende Menge, drehte dabei seinen Körper halb rückwärts gegen seinen, wie er sich ausdrückte, vor Freude überraschten Bruder und winkte ihm fleißig, zu folgen. Wie einem Zwange und in halber Betäubung mußte der Letztere gehorchen. Draußen unter den Bäumen setzte sich der Alte an einen Tisch, commandirte zwei Seidel Bayrisch und ein Glas Nordhäuser-Korn und nöthigte seinen Gefährten zum Sitzen. Du hinkst ja! rief dieser und warf seinen Kopf, als schnelle er durch diese Bewegung eine ihn drückende Last von sich. Du hinkst ja! rief er noch einmal und lachte eine kurze Lache dazu — du hinkst! rief er zum Dritten und wurde still, wurde nachdenkend danach. Der Alte verzog sein Gesicht zu einem freundlichen Grinsen. — Ich hinke, Bruderherz, aber der Fehler haftet bloß an den Beinen, das Herz blieb gesund, oder vielmehr es wurde wieder gesund. — — Ich muß dir's erzählen, lieber Bruder — erst aber, [—] der Kellner da wünscht seine Befriedigung — meine Börse hab' ich in der Schlafstelle gelassen. — — Der Andere bezahlte ohne Weigern. Nun sage mir gleich: du lebst in erfreulichen Umständen? <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0022"/> Bruder, und schließe mich an dein Herz; wirst deine Sprache schon wiederfinden danach!</p><lb/> <p>Abwechselnd mit einem langen und einem kurzen Schritt drängte sich der Alte durch die ihn umgebende Menge, drehte dabei seinen Körper halb rückwärts gegen seinen, wie er sich ausdrückte, vor Freude überraschten Bruder und winkte ihm fleißig, zu folgen. Wie einem Zwange und in halber Betäubung mußte der Letztere gehorchen.</p><lb/> <p>Draußen unter den Bäumen setzte sich der Alte an einen Tisch, commandirte zwei Seidel Bayrisch und ein Glas Nordhäuser-Korn und nöthigte seinen Gefährten zum Sitzen.</p><lb/> <p>Du hinkst ja! rief dieser und warf seinen Kopf, als schnelle er durch diese Bewegung eine ihn drückende Last von sich. Du hinkst ja! rief er noch einmal und lachte eine kurze Lache dazu — du hinkst! rief er zum Dritten und wurde still, wurde nachdenkend danach.</p><lb/> <p>Der Alte verzog sein Gesicht zu einem freundlichen Grinsen. —</p><lb/> <p>Ich hinke, Bruderherz, aber der Fehler haftet bloß an den Beinen, das Herz blieb gesund, oder vielmehr es wurde wieder gesund. — — Ich muß dir's erzählen, lieber Bruder — erst aber, <supplied>—</supplied> der Kellner da wünscht seine Befriedigung — meine Börse hab' ich in der Schlafstelle gelassen. — — </p><lb/> <p>Der Andere bezahlte ohne Weigern.</p><lb/> <p>Nun sage mir gleich: du lebst in erfreulichen Umständen?</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0022]
Bruder, und schließe mich an dein Herz; wirst deine Sprache schon wiederfinden danach!
Abwechselnd mit einem langen und einem kurzen Schritt drängte sich der Alte durch die ihn umgebende Menge, drehte dabei seinen Körper halb rückwärts gegen seinen, wie er sich ausdrückte, vor Freude überraschten Bruder und winkte ihm fleißig, zu folgen. Wie einem Zwange und in halber Betäubung mußte der Letztere gehorchen.
Draußen unter den Bäumen setzte sich der Alte an einen Tisch, commandirte zwei Seidel Bayrisch und ein Glas Nordhäuser-Korn und nöthigte seinen Gefährten zum Sitzen.
Du hinkst ja! rief dieser und warf seinen Kopf, als schnelle er durch diese Bewegung eine ihn drückende Last von sich. Du hinkst ja! rief er noch einmal und lachte eine kurze Lache dazu — du hinkst! rief er zum Dritten und wurde still, wurde nachdenkend danach.
Der Alte verzog sein Gesicht zu einem freundlichen Grinsen. —
Ich hinke, Bruderherz, aber der Fehler haftet bloß an den Beinen, das Herz blieb gesund, oder vielmehr es wurde wieder gesund. — — Ich muß dir's erzählen, lieber Bruder — erst aber, — der Kellner da wünscht seine Befriedigung — meine Börse hab' ich in der Schlafstelle gelassen. — —
Der Andere bezahlte ohne Weigern.
Nun sage mir gleich: du lebst in erfreulichen Umständen?
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Zitationshilfe: | Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_wiedersehen_1910/22>, abgerufen am 16.07.2024. |