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Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783.

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Vater. Dergleichen Dinge giebt es noch
mehr in der Welt, die einen falschen Schein
haben, und die wir bloß durch unsern Ver-
stand müssen unterscheiden lernen. Daher las-
sen sich Kinder noch so oft durch den falschen
Schein verführen, weil sie noch nicht viel ge-
lernt haben. Komm einmal mit herein. Ich
will dir ein vieleckig geschliffenes Glas weisen.
Gucke einmal herein.

Fritze. Ich sehe mein Gesicht wohl hun-
dertmal. O! das ist ja was scharmantes.

Vater. Lerne daraus, mein Sohn! daß
du künftig ja nicht nach dem bloßen äußer-
lichen Scheine urtheilest. Du wirst noch man-
ches Unangenehme in der Welt erfahren. Das
scheint dir Unglück und lauter Böses zu seyn.
Und es ist doch lauter Gutes, weil es Gott
so kommen läßt. Gottes Wege scheinen uns
oft so krumm zu seyn, wie der Stock im Was-

ser,
D 2

Vater. Dergleichen Dinge giebt es noch
mehr in der Welt, die einen falſchen Schein
haben, und die wir bloß durch unſern Ver-
ſtand muͤſſen unterſcheiden lernen. Daher laſ-
ſen ſich Kinder noch ſo oft durch den falſchen
Schein verfuͤhren, weil ſie noch nicht viel ge-
lernt haben. Komm einmal mit herein. Ich
will dir ein vieleckig geſchliffenes Glas weiſen.
Gucke einmal herein.

Fritze. Ich ſehe mein Geſicht wohl hun-
dertmal. O! das iſt ja was ſcharmantes.

Vater. Lerne daraus, mein Sohn! daß
du kuͤnftig ja nicht nach dem bloßen aͤußer-
lichen Scheine urtheileſt. Du wirſt noch man-
ches Unangenehme in der Welt erfahren. Das
ſcheint dir Ungluͤck und lauter Boͤſes zu ſeyn.
Und es iſt doch lauter Gutes, weil es Gott
ſo kommen laͤßt. Gottes Wege ſcheinen uns
oft ſo krumm zu ſeyn, wie der Stock im Waſ-

ſer,
D 2
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[51/0073] Vater. Dergleichen Dinge giebt es noch mehr in der Welt, die einen falſchen Schein haben, und die wir bloß durch unſern Ver- ſtand muͤſſen unterſcheiden lernen. Daher laſ- ſen ſich Kinder noch ſo oft durch den falſchen Schein verfuͤhren, weil ſie noch nicht viel ge- lernt haben. Komm einmal mit herein. Ich will dir ein vieleckig geſchliffenes Glas weiſen. Gucke einmal herein. Fritze. Ich ſehe mein Geſicht wohl hun- dertmal. O! das iſt ja was ſcharmantes. Vater. Lerne daraus, mein Sohn! daß du kuͤnftig ja nicht nach dem bloßen aͤußer- lichen Scheine urtheileſt. Du wirſt noch man- ches Unangenehme in der Welt erfahren. Das ſcheint dir Ungluͤck und lauter Boͤſes zu ſeyn. Und es iſt doch lauter Gutes, weil es Gott ſo kommen laͤßt. Gottes Wege ſcheinen uns oft ſo krumm zu ſeyn, wie der Stock im Waſ- ſer, D 2

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Zitationshilfe: Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783/73>, abgerufen am 02.05.2024.