Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

ichs hätte. Da sagte ichs, daß ichs von dir
hätte, und du dich erschrecklich fürchtetest;
ich aber solche Possen nicht glauben könnte.
Da erklärten sie mir alles, und sagten da-
bey: gehe nun hin, und sage es Luischen
wieder. Es ist eine Wohlthat, die du an
dem Kinde thust, wenn du es von seiner
Furcht befreyest.

So höre nun zu deinem Trost. Knecht
Ruprecht ist ein Knecht, oder sonst ein gemei-
ner schlechter Kerl, der sich ausgekleidet hat,
davon heißt er Ruprecht, und des Abends
die abergläubigen Leute und die einfältigen
Kinder zu fürchten macht. In den Dörfern
ist es noch sehr gemein.

Davon will ich dir eine traurige Historie
erzählen. Es kam einmal ein solcher Kerl,
der sich über und über mit Flachs und Hede
bewickelt hatte, in eine Spinnstube. Die
eine Magd steckte mit der Lampe den Flachs

an.

ichs haͤtte. Da ſagte ichs, daß ichs von dir
haͤtte, und du dich erſchrecklich fuͤrchteteſt;
ich aber ſolche Poſſen nicht glauben koͤnnte.
Da erklaͤrten ſie mir alles, und ſagten da-
bey: gehe nun hin, und ſage es Luischen
wieder. Es iſt eine Wohlthat, die du an
dem Kinde thuſt, wenn du es von ſeiner
Furcht befreyeſt.

So hoͤre nun zu deinem Troſt. Knecht
Ruprecht iſt ein Knecht, oder ſonſt ein gemei-
ner ſchlechter Kerl, der ſich ausgekleidet hat,
davon heißt er Ruprecht, und des Abends
die aberglaͤubigen Leute und die einfaͤltigen
Kinder zu fuͤrchten macht. In den Doͤrfern
iſt es noch ſehr gemein.

Davon will ich dir eine traurige Hiſtorie
erzaͤhlen. Es kam einmal ein ſolcher Kerl,
der ſich uͤber und uͤber mit Flachs und Hede
bewickelt hatte, in eine Spinnſtube. Die
eine Magd ſteckte mit der Lampe den Flachs

an.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0036" n="14"/>
ichs ha&#x0364;tte. Da &#x017F;agte ichs, daß ichs von dir<lb/>
ha&#x0364;tte, und du dich er&#x017F;chrecklich fu&#x0364;rchtete&#x017F;t;<lb/>
ich aber &#x017F;olche Po&#x017F;&#x017F;en nicht glauben ko&#x0364;nnte.<lb/>
Da erkla&#x0364;rten &#x017F;ie mir alles, und &#x017F;agten da-<lb/>
bey: gehe nun hin, und &#x017F;age es Luischen<lb/>
wieder. Es i&#x017F;t eine <hi rendition="#fr">Wohlthat</hi>, die du an<lb/>
dem Kinde thu&#x017F;t, wenn du es von &#x017F;einer<lb/>
Furcht befreye&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>So ho&#x0364;re nun zu deinem Tro&#x017F;t. Knecht<lb/>
Ruprecht i&#x017F;t ein Knecht, oder &#x017F;on&#x017F;t ein gemei-<lb/>
ner &#x017F;chlechter Kerl, der &#x017F;ich ausgekleidet hat,<lb/>
davon heißt er Ruprecht, und des Abends<lb/>
die abergla&#x0364;ubigen Leute und die einfa&#x0364;ltigen<lb/>
Kinder zu fu&#x0364;rchten macht. In den Do&#x0364;rfern<lb/>
i&#x017F;t es noch &#x017F;ehr gemein.</p><lb/>
        <p>Davon will ich dir eine traurige Hi&#x017F;torie<lb/>
erza&#x0364;hlen. Es kam einmal ein &#x017F;olcher Kerl,<lb/>
der &#x017F;ich u&#x0364;ber und u&#x0364;ber mit Flachs und Hede<lb/>
bewickelt hatte, in eine Spinn&#x017F;tube. Die<lb/>
eine Magd &#x017F;teckte mit der Lampe den Flachs<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">an.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0036] ichs haͤtte. Da ſagte ichs, daß ichs von dir haͤtte, und du dich erſchrecklich fuͤrchteteſt; ich aber ſolche Poſſen nicht glauben koͤnnte. Da erklaͤrten ſie mir alles, und ſagten da- bey: gehe nun hin, und ſage es Luischen wieder. Es iſt eine Wohlthat, die du an dem Kinde thuſt, wenn du es von ſeiner Furcht befreyeſt. So hoͤre nun zu deinem Troſt. Knecht Ruprecht iſt ein Knecht, oder ſonſt ein gemei- ner ſchlechter Kerl, der ſich ausgekleidet hat, davon heißt er Ruprecht, und des Abends die aberglaͤubigen Leute und die einfaͤltigen Kinder zu fuͤrchten macht. In den Doͤrfern iſt es noch ſehr gemein. Davon will ich dir eine traurige Hiſtorie erzaͤhlen. Es kam einmal ein ſolcher Kerl, der ſich uͤber und uͤber mit Flachs und Hede bewickelt hatte, in eine Spinnſtube. Die eine Magd ſteckte mit der Lampe den Flachs an.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783/36
Zitationshilfe: Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783/36>, abgerufen am 25.11.2024.