Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

und alles aus einander nehmen, und das
den jungen Doctoren erklären, damit sie wis-
sen, wie der menschliche Körper inwendig
und auswendig beschaffen sey, weil sie sonst
keine Krankheit kuriren können, wenn sie das
nicht wissen. Da machen sie denn solche
Todtenköpfe zurechte, damit sie immer nach-
sehen können, wenn einem Menschen etwas
im Kopfe fehlt, wie ich dirs vorher gesagt
habe. Das heißt die Anatomie.

D. Ach! Vater, das ist ja grausam, die
Menschen so zu zerschneiden. Da muß es ja
auch erschrecklich stinken.

V. Nein! mein Kind, das ist nicht grau-
sam. Denn die todten Menschen fühlen da-
von nichts mehr. Es ist ihnen einerley, ob
ihr Leib in der Erde verfault, oder hier zer-
schnitten wird. Es ist vielmehr sehr nütz-
lich, den Bau und die innere Beschaffenheit
des menschlichen Körpers auf diese Art recht

kennen

und alles aus einander nehmen, und das
den jungen Doctoren erklaͤren, damit ſie wiſ-
ſen, wie der menſchliche Koͤrper inwendig
und auswendig beſchaffen ſey, weil ſie ſonſt
keine Krankheit kuriren koͤnnen, wenn ſie das
nicht wiſſen. Da machen ſie denn ſolche
Todtenkoͤpfe zurechte, damit ſie immer nach-
ſehen koͤnnen, wenn einem Menſchen etwas
im Kopfe fehlt, wie ich dirs vorher geſagt
habe. Das heißt die Anatomie.

D. Ach! Vater, das iſt ja grauſam, die
Menſchen ſo zu zerſchneiden. Da muß es ja
auch erſchrecklich ſtinken.

V. Nein! mein Kind, das iſt nicht grau-
ſam. Denn die todten Menſchen fuͤhlen da-
von nichts mehr. Es iſt ihnen einerley, ob
ihr Leib in der Erde verfault, oder hier zer-
ſchnitten wird. Es iſt vielmehr ſehr nuͤtz-
lich, den Bau und die innere Beſchaffenheit
des menſchlichen Koͤrpers auf dieſe Art recht

kennen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0148" n="126"/>
und alles aus einander nehmen, und das<lb/>
den jungen Doctoren erkla&#x0364;ren, damit &#x017F;ie wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, wie der men&#x017F;chliche Ko&#x0364;rper inwendig<lb/>
und auswendig be&#x017F;chaffen &#x017F;ey, weil &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
keine Krankheit kuriren ko&#x0364;nnen, wenn &#x017F;ie das<lb/>
nicht wi&#x017F;&#x017F;en. Da machen &#x017F;ie denn &#x017F;olche<lb/>
Todtenko&#x0364;pfe zurechte, damit &#x017F;ie immer nach-<lb/>
&#x017F;ehen ko&#x0364;nnen, wenn einem Men&#x017F;chen etwas<lb/>
im Kopfe fehlt, wie ich dirs vorher ge&#x017F;agt<lb/>
habe. Das heißt die <hi rendition="#fr">Anatomie</hi>.</p><lb/>
        <p>D. Ach! Vater, das i&#x017F;t ja grau&#x017F;am, die<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;o zu zer&#x017F;chneiden. Da muß es ja<lb/>
auch er&#x017F;chrecklich &#x017F;tinken.</p><lb/>
        <p>V. Nein! mein Kind, das i&#x017F;t nicht grau-<lb/>
&#x017F;am. Denn die todten Men&#x017F;chen fu&#x0364;hlen da-<lb/>
von nichts mehr. Es i&#x017F;t ihnen einerley, ob<lb/>
ihr Leib in der Erde verfault, oder hier zer-<lb/>
&#x017F;chnitten wird. Es i&#x017F;t vielmehr &#x017F;ehr nu&#x0364;tz-<lb/>
lich, den Bau und die innere Be&#x017F;chaffenheit<lb/>
des men&#x017F;chlichen Ko&#x0364;rpers auf die&#x017F;e Art recht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kennen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0148] und alles aus einander nehmen, und das den jungen Doctoren erklaͤren, damit ſie wiſ- ſen, wie der menſchliche Koͤrper inwendig und auswendig beſchaffen ſey, weil ſie ſonſt keine Krankheit kuriren koͤnnen, wenn ſie das nicht wiſſen. Da machen ſie denn ſolche Todtenkoͤpfe zurechte, damit ſie immer nach- ſehen koͤnnen, wenn einem Menſchen etwas im Kopfe fehlt, wie ich dirs vorher geſagt habe. Das heißt die Anatomie. D. Ach! Vater, das iſt ja grauſam, die Menſchen ſo zu zerſchneiden. Da muß es ja auch erſchrecklich ſtinken. V. Nein! mein Kind, das iſt nicht grau- ſam. Denn die todten Menſchen fuͤhlen da- von nichts mehr. Es iſt ihnen einerley, ob ihr Leib in der Erde verfault, oder hier zer- ſchnitten wird. Es iſt vielmehr ſehr nuͤtz- lich, den Bau und die innere Beſchaffenheit des menſchlichen Koͤrpers auf dieſe Art recht kennen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783/148
Zitationshilfe: Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783/148>, abgerufen am 08.05.2024.