Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.wird. Da ist kein Augenblik, der nicht dich ver- zehrte und die Deinigen um dich her, kein Augen- blik, da du nicht ein Zerstöhrer bist, seyn mußt. Der harmloseste Spaziergang kostet tausend tau- send armen Würmgen das Leben, es zerrüttet ein Fustritt die mühseligen Gebäude der Ameisen, und stampft eine kleine Welt in ein schmähliches Grab. Ha! nicht die große seltene Noth der Welt, diese Fluthen, die eure Dörfer wegspülen, diese Erdbe- ben, die eure Städte verschlingen, rühren mich. Mir untergräbt das Herz die verzehrende Kraft, die im All der Natur verborgen liegt, die nichts ge- bildet hat, das nicht seinen Nachbar, nicht sich selbst zerstörte. Und so taumele ich beängstet! Him- mel und Erde und all die webenden Kräfte um mich her! Jch sehe nichts, als ein ewig verschlin- gendes, ewig wiederkäuendes Ungeheur. am
wird. Da iſt kein Augenblik, der nicht dich ver- zehrte und die Deinigen um dich her, kein Augen- blik, da du nicht ein Zerſtoͤhrer biſt, ſeyn mußt. Der harmloſeſte Spaziergang koſtet tauſend tau- ſend armen Wuͤrmgen das Leben, es zerruͤttet ein Fustritt die muͤhſeligen Gebaͤude der Ameiſen, und ſtampft eine kleine Welt in ein ſchmaͤhliches Grab. Ha! nicht die große ſeltene Noth der Welt, dieſe Fluthen, die eure Doͤrfer wegſpuͤlen, dieſe Erdbe- ben, die eure Staͤdte verſchlingen, ruͤhren mich. Mir untergraͤbt das Herz die verzehrende Kraft, die im All der Natur verborgen liegt, die nichts ge- bildet hat, das nicht ſeinen Nachbar, nicht ſich ſelbſt zerſtoͤrte. Und ſo taumele ich beaͤngſtet! Him- mel und Erde und all die webenden Kraͤfte um mich her! Jch ſehe nichts, als ein ewig verſchlin- gendes, ewig wiederkaͤuendes Ungeheur. am
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wird. Da iſt kein Augenblik, der nicht dich ver-
zehrte und die Deinigen um dich her, kein Augen-
blik, da du nicht ein Zerſtoͤhrer biſt, ſeyn mußt.
Der harmloſeſte Spaziergang koſtet tauſend tau-
ſend armen Wuͤrmgen das Leben, es zerruͤttet ein
Fustritt die muͤhſeligen Gebaͤude der Ameiſen, und
ſtampft eine kleine Welt in ein ſchmaͤhliches Grab.
Ha! nicht die große ſeltene Noth der Welt, dieſe
Fluthen, die eure Doͤrfer wegſpuͤlen, dieſe Erdbe-
ben, die eure Staͤdte verſchlingen, ruͤhren mich.
Mir untergraͤbt das Herz die verzehrende Kraft,
die im All der Natur verborgen liegt, die nichts ge-
bildet hat, das nicht ſeinen Nachbar, nicht ſich
ſelbſt zerſtoͤrte. Und ſo taumele ich beaͤngſtet! Him-
mel und Erde und all die webenden Kraͤfte um
mich her! Jch ſehe nichts, als ein ewig verſchlin-
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