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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.

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weiter worden ist. Jch saß ganz in mahlerische
Empfindungen vertieft, die dir mein gestriges Blatt
sehr zerstükt darlegt, auf meinem Pfluge wohl
zwey Stunden. Da kommt gegen Abend eine
junge Frau auf die Kinder los, die sich die Zeit
nicht gerührt hatten, mit einem Körbchen am Arme,
und ruft von weitem: Philips, du bist recht
brav. Sie grüßte mich, ich dankte ihr, stand auf,
trat näher hin, und fragte sie: ob sie Mutter
zu den Kindern wäre? Sie bejahte es, und in-
dem sie dem Aeltesten einen halben Wek gab, nahm
sie das Kleine auf und küßte es mit aller mütter-
lichen Liebe. Jch habe, sagte sie, meinem Philips
das Kleine zu halten gegeben, und bin in die
Stadt gegangen mit meinem Aeltsten, um weis
Brod zu holen, und Zukker, und ein irden Brey-
pfännchen; ich sah das alles in dem Korbe, des-
sen Dekkel abgefallen war. Jch will meinem Hans
(das war der Nahme des Jüngsten) ein Süppchen
kochen zum Abende, der lose Vogel der Große hat
mir gestern das Pfännchen zerbrochen, als er sich
mit Philipsen um die Scharre des Brey's zankte.
Jch fragte nach dem Aeltsten, und sie hatte mir

kaum



weiter worden iſt. Jch ſaß ganz in mahleriſche
Empfindungen vertieft, die dir mein geſtriges Blatt
ſehr zerſtuͤkt darlegt, auf meinem Pfluge wohl
zwey Stunden. Da kommt gegen Abend eine
junge Frau auf die Kinder los, die ſich die Zeit
nicht geruͤhrt hatten, mit einem Koͤrbchen am Arme,
und ruft von weitem: Philips, du biſt recht
brav. Sie gruͤßte mich, ich dankte ihr, ſtand auf,
trat naͤher hin, und fragte ſie: ob ſie Mutter
zu den Kindern waͤre? Sie bejahte es, und in-
dem ſie dem Aelteſten einen halben Wek gab, nahm
ſie das Kleine auf und kuͤßte es mit aller muͤtter-
lichen Liebe. Jch habe, ſagte ſie, meinem Philips
das Kleine zu halten gegeben, und bin in die
Stadt gegangen mit meinem Aeltſten, um weis
Brod zu holen, und Zukker, und ein irden Brey-
pfaͤnnchen; ich ſah das alles in dem Korbe, deſ-
ſen Dekkel abgefallen war. Jch will meinem Hans
(das war der Nahme des Juͤngſten) ein Suͤppchen
kochen zum Abende, der loſe Vogel der Große hat
mir geſtern das Pfaͤnnchen zerbrochen, als er ſich
mit Philipſen um die Scharre des Brey’s zankte.
Jch fragte nach dem Aeltſten, und ſie hatte mir

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[24/0024] weiter worden iſt. Jch ſaß ganz in mahleriſche Empfindungen vertieft, die dir mein geſtriges Blatt ſehr zerſtuͤkt darlegt, auf meinem Pfluge wohl zwey Stunden. Da kommt gegen Abend eine junge Frau auf die Kinder los, die ſich die Zeit nicht geruͤhrt hatten, mit einem Koͤrbchen am Arme, und ruft von weitem: Philips, du biſt recht brav. Sie gruͤßte mich, ich dankte ihr, ſtand auf, trat naͤher hin, und fragte ſie: ob ſie Mutter zu den Kindern waͤre? Sie bejahte es, und in- dem ſie dem Aelteſten einen halben Wek gab, nahm ſie das Kleine auf und kuͤßte es mit aller muͤtter- lichen Liebe. Jch habe, ſagte ſie, meinem Philips das Kleine zu halten gegeben, und bin in die Stadt gegangen mit meinem Aeltſten, um weis Brod zu holen, und Zukker, und ein irden Brey- pfaͤnnchen; ich ſah das alles in dem Korbe, deſ- ſen Dekkel abgefallen war. Jch will meinem Hans (das war der Nahme des Juͤngſten) ein Suͤppchen kochen zum Abende, der loſe Vogel der Große hat mir geſtern das Pfaͤnnchen zerbrochen, als er ſich mit Philipſen um die Scharre des Brey’s zankte. Jch fragte nach dem Aeltſten, und ſie hatte mir kaum

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/24>, abgerufen am 21.11.2024.