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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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Man scherzte einmal ziemlich laut, daß Char¬
lottens Wintervorräthe nun bald aufgezehrt
seyen, als der Ehrenmann, der den Belisar
vorgestellt hatte, und freylich reich genug war,
von Lucianens Vorzügen hingerissen, denen
er nun schon so lange huldigte, unbedachtsam
ausrief: so lassen Sie es uns auf polnische
Art halten! Kommen Sie nun und zehren
mich auch auf, und so gehet es dann weiter
in der Runde herum. Gesagt, gethan: Lu¬
ciane schlug ein. Den andern Tag war ge¬
packt und der Schwarm warf sich auf ein
anderes Besitzthum. Dort hatte man auch
Raum genug, aber weniger Bequemlichkeit
und Einrichtung. Daraus entstand manches
Unschickliche, das erst Lucianen recht glücklich
machte. Das Leben wurde immer wüster
und wilder. Treibjagen im tiefsten Schnee,
und was man sonst nur unbequemes auffinden
konnte, wurde veranstaltet. Frauen so we¬
nig als Männer durften sich ausschließen,
und so zog man, jagend und reitend, schlit¬

Man ſcherzte einmal ziemlich laut, daß Char¬
lottens Wintervorraͤthe nun bald aufgezehrt
ſeyen, als der Ehrenmann, der den Beliſar
vorgeſtellt hatte, und freylich reich genug war,
von Lucianens Vorzuͤgen hingeriſſen, denen
er nun ſchon ſo lange huldigte, unbedachtſam
ausrief: ſo laſſen Sie es uns auf polniſche
Art halten! Kommen Sie nun und zehren
mich auch auf, und ſo gehet es dann weiter
in der Runde herum. Geſagt, gethan: Lu¬
ciane ſchlug ein. Den andern Tag war ge¬
packt und der Schwarm warf ſich auf ein
anderes Beſitzthum. Dort hatte man auch
Raum genug, aber weniger Bequemlichkeit
und Einrichtung. Daraus entſtand manches
Unſchickliche, das erſt Lucianen recht gluͤcklich
machte. Das Leben wurde immer wuͤſter
und wilder. Treibjagen im tiefſten Schnee,
und was man ſonſt nur unbequemes auffinden
konnte, wurde veranſtaltet. Frauen ſo we¬
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[95/0098] Man ſcherzte einmal ziemlich laut, daß Char¬ lottens Wintervorraͤthe nun bald aufgezehrt ſeyen, als der Ehrenmann, der den Beliſar vorgeſtellt hatte, und freylich reich genug war, von Lucianens Vorzuͤgen hingeriſſen, denen er nun ſchon ſo lange huldigte, unbedachtſam ausrief: ſo laſſen Sie es uns auf polniſche Art halten! Kommen Sie nun und zehren mich auch auf, und ſo gehet es dann weiter in der Runde herum. Geſagt, gethan: Lu¬ ciane ſchlug ein. Den andern Tag war ge¬ packt und der Schwarm warf ſich auf ein anderes Beſitzthum. Dort hatte man auch Raum genug, aber weniger Bequemlichkeit und Einrichtung. Daraus entſtand manches Unſchickliche, das erſt Lucianen recht gluͤcklich machte. Das Leben wurde immer wuͤſter und wilder. Treibjagen im tiefſten Schnee, und was man ſonſt nur unbequemes auffinden konnte, wurde veranſtaltet. Frauen ſo we¬ nig als Maͤnner durften ſich ausſchließen, und ſo zog man, jagend und reitend, ſchlit¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/98>, abgerufen am 23.11.2024.