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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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irgend keimte, herbeyhohlen und zur täglichen
Zierde der Zimmer und des Tisches verschwen¬
den, daß Ottilie und der Gärtner nicht wenig
gekränkt waren, ihre Hoffnungen für das
nächste Jahr und vielleicht auf längere Zeit
zerstört zu sehen.

Eben so wenig gönnte sie Ottilien die
Ruhe des häuslichen Ganges, worin sie sich
mit Bequemlichkeit fortbewegte. Ottilie sollte
mit auf die Lust- und Schlittenfahrten; sie
sollte mit auf die Bälle die in der Nachbar¬
schaft veranstaltet wurden; sie sollte weder
Schnee noch Kälte noch gewaltsame Nacht¬
stürme scheuen, da ja soviel andre nicht davon
stürben. Das zarte Kind litt nicht wenig
darunter, aber Luciane gewann nichts dabey:
denn obgleich Ottilie sehr einfach gekleidet
ging, so war sie doch, oder so schien sie we¬
nigstens immer den Männern die schönste. Ein
sanftes Anziehen versammelte alle Männer
um sie her, sie mochte sich in den großen

irgend keimte, herbeyhohlen und zur taͤglichen
Zierde der Zimmer und des Tiſches verſchwen¬
den, daß Ottilie und der Gaͤrtner nicht wenig
gekraͤnkt waren, ihre Hoffnungen fuͤr das
naͤchſte Jahr und vielleicht auf laͤngere Zeit
zerſtoͤrt zu ſehen.

Eben ſo wenig goͤnnte ſie Ottilien die
Ruhe des haͤuslichen Ganges, worin ſie ſich
mit Bequemlichkeit fortbewegte. Ottilie ſollte
mit auf die Luſt- und Schlittenfahrten; ſie
ſollte mit auf die Baͤlle die in der Nachbar¬
ſchaft veranſtaltet wurden; ſie ſollte weder
Schnee noch Kaͤlte noch gewaltſame Nacht¬
ſtuͤrme ſcheuen, da ja ſoviel andre nicht davon
ſtuͤrben. Das zarte Kind litt nicht wenig
darunter, aber Luciane gewann nichts dabey:
denn obgleich Ottilie ſehr einfach gekleidet
ging, ſo war ſie doch, oder ſo ſchien ſie we¬
nigſtens immer den Maͤnnern die ſchoͤnſte. Ein
ſanftes Anziehen verſammelte alle Maͤnner
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[78/0081] irgend keimte, herbeyhohlen und zur taͤglichen Zierde der Zimmer und des Tiſches verſchwen¬ den, daß Ottilie und der Gaͤrtner nicht wenig gekraͤnkt waren, ihre Hoffnungen fuͤr das naͤchſte Jahr und vielleicht auf laͤngere Zeit zerſtoͤrt zu ſehen. Eben ſo wenig goͤnnte ſie Ottilien die Ruhe des haͤuslichen Ganges, worin ſie ſich mit Bequemlichkeit fortbewegte. Ottilie ſollte mit auf die Luſt- und Schlittenfahrten; ſie ſollte mit auf die Baͤlle die in der Nachbar¬ ſchaft veranſtaltet wurden; ſie ſollte weder Schnee noch Kaͤlte noch gewaltſame Nacht¬ ſtuͤrme ſcheuen, da ja ſoviel andre nicht davon ſtuͤrben. Das zarte Kind litt nicht wenig darunter, aber Luciane gewann nichts dabey: denn obgleich Ottilie ſehr einfach gekleidet ging, ſo war ſie doch, oder ſo ſchien ſie we¬ nigſtens immer den Maͤnnern die ſchoͤnſte. Ein ſanftes Anziehen verſammelte alle Maͤnner um ſie her, ſie mochte ſich in den großen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/81>, abgerufen am 02.05.2024.