einem Augenblick -- der Kopf wäre nicht hinreichend das zu fassen, er würde zersprin¬ gen oder sich verwirren. Hiebey muß das Herz das beste thun, wenn eine solche Ue¬ berraschung ertragen werden soll.
Ganz verloren eins ins andre, konnten sie erst nach einiger Zeit an die Angst, an die Sorgen der Zurückgelassenen denken, und fast konnten sie selbst nicht ohne Angst, ohne Sorge daran denken, wie sie jenen wieder be¬ gegnen wollten. Sollen wir fliehen? sollen wir uns verbergen? sagte der Jüngling. Wir wollen zusammen bleiben, sagte sie, indem sie an seinem Hals hing.
Der Landmann, der von ihnen die Ge¬ schichte des gestrandeten Schiffs vernommen hatte, eilte ohne weiter zu fragen nach dem Ufer. Das Fahrzeug kam glücklich einherge¬ schwommen; es war mit vieler Mühe losge¬
einem Augenblick — der Kopf waͤre nicht hinreichend das zu faſſen, er wuͤrde zerſprin¬ gen oder ſich verwirren. Hiebey muß das Herz das beſte thun, wenn eine ſolche Ue¬ berraſchung ertragen werden ſoll.
Ganz verloren eins ins andre, konnten ſie erſt nach einiger Zeit an die Angſt, an die Sorgen der Zuruͤckgelaſſenen denken, und faſt konnten ſie ſelbſt nicht ohne Angſt, ohne Sorge daran denken, wie ſie jenen wieder be¬ gegnen wollten. Sollen wir fliehen? ſollen wir uns verbergen? ſagte der Juͤngling. Wir wollen zuſammen bleiben, ſagte ſie, indem ſie an ſeinem Hals hing.
Der Landmann, der von ihnen die Ge¬ ſchichte des geſtrandeten Schiffs vernommen hatte, eilte ohne weiter zu fragen nach dem Ufer. Das Fahrzeug kam gluͤcklich einherge¬ ſchwommen; es war mit vieler Muͤhe losge¬
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einem Augenblick — der Kopf waͤre nicht
hinreichend das zu faſſen, er wuͤrde zerſprin¬
gen oder ſich verwirren. Hiebey muß das
Herz das beſte thun, wenn eine ſolche Ue¬
berraſchung ertragen werden ſoll.
Ganz verloren eins ins andre, konnten
ſie erſt nach einiger Zeit an die Angſt, an
die Sorgen der Zuruͤckgelaſſenen denken, und
faſt konnten ſie ſelbſt nicht ohne Angſt, ohne
Sorge daran denken, wie ſie jenen wieder be¬
gegnen wollten. Sollen wir fliehen? ſollen wir
uns verbergen? ſagte der Juͤngling. Wir
wollen zuſammen bleiben, ſagte ſie, indem ſie
an ſeinem Hals hing.
Der Landmann, der von ihnen die Ge¬
ſchichte des geſtrandeten Schiffs vernommen
hatte, eilte ohne weiter zu fragen nach dem
Ufer. Das Fahrzeug kam gluͤcklich einherge¬
ſchwommen; es war mit vieler Muͤhe losge¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/217>, abgerufen am 23.11.2024.
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