die ihn, wie er glaubte, nicht redlich genug bedienten, in keinem sonderlichen Verhält¬ nisse stand.
Er hatte sich darüber, nach mancherley Versuchen, eine Art von Plan gemacht, in welchem ihn Ottilie um so mehr bestärkte, als er auf die Wiederkehr Eduards eigentlich ge¬ gründet war, dessen Abwesenheit man in die¬ sem wie in manchem andern Falle täglich nachtheiliger empfinden mußte.
Indem nun die Pflanzen immer mehr Wurzel schlugen und Zweige trieben, fühlte sich auch Ottilie immer mehr an diese Räume gefesselt. Gerade vor einem Jahre trat sie als Fremdling, als ein unbedeutendes Wesen hier ein; wie viel hatte sie sich seit jener Zeit nicht erworben! aber leider wie viel hatte sie nicht auch seit jener Zeit wieder verloren! Sie war nie so reich und nie so arm gewe¬ sen. Das Gefühl von beydem wechselte au¬
die ihn, wie er glaubte, nicht redlich genug bedienten, in keinem ſonderlichen Verhaͤlt¬ niſſe ſtand.
Er hatte ſich daruͤber, nach mancherley Verſuchen, eine Art von Plan gemacht, in welchem ihn Ottilie um ſo mehr beſtaͤrkte, als er auf die Wiederkehr Eduards eigentlich ge¬ gruͤndet war, deſſen Abweſenheit man in die¬ ſem wie in manchem andern Falle taͤglich nachtheiliger empfinden mußte.
Indem nun die Pflanzen immer mehr Wurzel ſchlugen und Zweige trieben, fuͤhlte ſich auch Ottilie immer mehr an dieſe Raͤume gefeſſelt. Gerade vor einem Jahre trat ſie als Fremdling, als ein unbedeutendes Weſen hier ein; wie viel hatte ſie ſich ſeit jener Zeit nicht erworben! aber leider wie viel hatte ſie nicht auch ſeit jener Zeit wieder verloren! Sie war nie ſo reich und nie ſo arm gewe¬ ſen. Das Gefuͤhl von beydem wechſelte au¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0174"n="171"/>
die ihn, wie er glaubte, nicht redlich genug<lb/>
bedienten, in keinem ſonderlichen Verhaͤlt¬<lb/>
niſſe ſtand.</p><lb/><p>Er hatte ſich daruͤber, nach mancherley<lb/>
Verſuchen, eine Art von Plan gemacht, in<lb/>
welchem ihn Ottilie um ſo mehr beſtaͤrkte, als<lb/>
er auf die Wiederkehr Eduards eigentlich ge¬<lb/>
gruͤndet war, deſſen Abweſenheit man in die¬<lb/>ſem wie in manchem andern Falle taͤglich<lb/>
nachtheiliger empfinden mußte.</p><lb/><p>Indem nun die Pflanzen immer mehr<lb/>
Wurzel ſchlugen und Zweige trieben, fuͤhlte<lb/>ſich auch Ottilie immer mehr an dieſe Raͤume<lb/>
gefeſſelt. Gerade vor einem Jahre trat ſie<lb/>
als Fremdling, als ein unbedeutendes Weſen<lb/>
hier ein; wie viel hatte ſie ſich ſeit jener Zeit<lb/>
nicht erworben! aber leider wie viel hatte ſie<lb/>
nicht auch ſeit jener Zeit wieder verloren!<lb/>
Sie war nie ſo reich und nie ſo arm gewe¬<lb/>ſen. Das Gefuͤhl von beydem wechſelte au¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[171/0174]
die ihn, wie er glaubte, nicht redlich genug
bedienten, in keinem ſonderlichen Verhaͤlt¬
niſſe ſtand.
Er hatte ſich daruͤber, nach mancherley
Verſuchen, eine Art von Plan gemacht, in
welchem ihn Ottilie um ſo mehr beſtaͤrkte, als
er auf die Wiederkehr Eduards eigentlich ge¬
gruͤndet war, deſſen Abweſenheit man in die¬
ſem wie in manchem andern Falle taͤglich
nachtheiliger empfinden mußte.
Indem nun die Pflanzen immer mehr
Wurzel ſchlugen und Zweige trieben, fuͤhlte
ſich auch Ottilie immer mehr an dieſe Raͤume
gefeſſelt. Gerade vor einem Jahre trat ſie
als Fremdling, als ein unbedeutendes Weſen
hier ein; wie viel hatte ſie ſich ſeit jener Zeit
nicht erworben! aber leider wie viel hatte ſie
nicht auch ſeit jener Zeit wieder verloren!
Sie war nie ſo reich und nie ſo arm gewe¬
ſen. Das Gefuͤhl von beydem wechſelte au¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/174>, abgerufen am 02.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.