Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

man die Feinheit fordern, da er sich mit
nichts Rohem zu beschäftigen hat."

"Wenn wir mit Menschen leben, die
ein zartes Gefühl für das Schickliche haben,
so wird es uns Angst um ihretwillen, wenn
etwas Ungeschicktes begegnet. So fühle ich
immer für und mit Charlotten, wenn Jemand
mit dem Stuhle schaukelt, weil sie das in
den Tod nicht leiden kann."

"Es käme Niemand mit der Brille auf
der Nase in ein vertrauliches Gemach, wenn
er wüßte, daß uns Frauen sogleich die Lust
vergeht ihn anzusehen und uns mit ihm zu
unterhalten."

"Zutraulichkeit an der Stelle der Ehr¬
furcht ist immer lächerlich. Es würde Nie¬
mand den Hut ablegen, nachdem er kaum
das Compliment gemacht hat, wenn er wüßte,
wie comisch das aussieht."

man die Feinheit fordern, da er ſich mit
nichts Rohem zu beſchaͤftigen hat.“

„Wenn wir mit Menſchen leben, die
ein zartes Gefuͤhl fuͤr das Schickliche haben,
ſo wird es uns Angſt um ihretwillen, wenn
etwas Ungeſchicktes begegnet. So fuͤhle ich
immer fuͤr und mit Charlotten, wenn Jemand
mit dem Stuhle ſchaukelt, weil ſie das in
den Tod nicht leiden kann.“

„Es kaͤme Niemand mit der Brille auf
der Naſe in ein vertrauliches Gemach, wenn
er wuͤßte, daß uns Frauen ſogleich die Luſt
vergeht ihn anzuſehen und uns mit ihm zu
unterhalten.“

„Zutraulichkeit an der Stelle der Ehr¬
furcht iſt immer laͤcherlich. Es wuͤrde Nie¬
mand den Hut ablegen, nachdem er kaum
das Compliment gemacht hat, wenn er wuͤßte,
wie comiſch das ausſieht.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0103" n="100"/>
man die Feinheit fordern, da er &#x017F;ich mit<lb/>
nichts Rohem zu be&#x017F;cha&#x0364;ftigen hat.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wenn wir mit Men&#x017F;chen leben, die<lb/>
ein zartes Gefu&#x0364;hl fu&#x0364;r das Schickliche haben,<lb/>
&#x017F;o wird es uns Ang&#x017F;t um ihretwillen, wenn<lb/>
etwas Unge&#x017F;chicktes begegnet. So fu&#x0364;hle ich<lb/>
immer fu&#x0364;r und mit Charlotten, wenn Jemand<lb/>
mit dem Stuhle &#x017F;chaukelt, weil &#x017F;ie das in<lb/>
den Tod nicht leiden kann.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Es ka&#x0364;me Niemand mit der Brille auf<lb/>
der Na&#x017F;e in ein vertrauliches Gemach, wenn<lb/>
er wu&#x0364;ßte, daß uns Frauen &#x017F;ogleich die Lu&#x017F;t<lb/>
vergeht ihn anzu&#x017F;ehen und uns mit ihm zu<lb/>
unterhalten.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Zutraulichkeit an der Stelle der Ehr¬<lb/>
furcht i&#x017F;t immer la&#x0364;cherlich. Es wu&#x0364;rde Nie¬<lb/>
mand den Hut ablegen, nachdem er kaum<lb/>
das Compliment gemacht hat, wenn er wu&#x0364;ßte,<lb/>
wie comi&#x017F;ch das aus&#x017F;ieht.&#x201C;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0103] man die Feinheit fordern, da er ſich mit nichts Rohem zu beſchaͤftigen hat.“ „Wenn wir mit Menſchen leben, die ein zartes Gefuͤhl fuͤr das Schickliche haben, ſo wird es uns Angſt um ihretwillen, wenn etwas Ungeſchicktes begegnet. So fuͤhle ich immer fuͤr und mit Charlotten, wenn Jemand mit dem Stuhle ſchaukelt, weil ſie das in den Tod nicht leiden kann.“ „Es kaͤme Niemand mit der Brille auf der Naſe in ein vertrauliches Gemach, wenn er wuͤßte, daß uns Frauen ſogleich die Luſt vergeht ihn anzuſehen und uns mit ihm zu unterhalten.“ „Zutraulichkeit an der Stelle der Ehr¬ furcht iſt immer laͤcherlich. Es wuͤrde Nie¬ mand den Hut ablegen, nachdem er kaum das Compliment gemacht hat, wenn er wuͤßte, wie comiſch das ausſieht.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/103
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/103>, abgerufen am 06.05.2024.