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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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daß wir sogleich wenn sie weg sind, über sie
nicht zum liebevollsten urtheilen: denn wir
haben so zu sagen ein Recht, sie nach un¬
serm Maaßstabe zu messen. Selbst verstän¬
dige und billige Menschen enthalten sich in
solchen Fällen kaum einer scharfen Censur."

"Wenn man dagegen bey andern gewesen
ist und hat sie mit ihren Umgebungen, Ge¬
wohnheiten, in ihren nothwendigen unaus¬
weichlichen Zuständen gesehen, wie sie um sich
wirken, oder wie sie sich fügen; so gehört
schon Unverstand und böser Wille dazu, um
das lächerlich zu finden, was uns in mehr
als einem Sinne ehrwürdig scheinen müßte."

"Durch das was wir Betragen und gute
Sitten nennen, soll das erreicht werden, was
außerdem nur durch Gewalt, oder auch nicht
einmal durch Gewalt zu erreichen ist."

"Der Umgang mit Frauen ist das Ele¬
ment guter Sitten."

daß wir ſogleich wenn ſie weg ſind, uͤber ſie
nicht zum liebevollſten urtheilen: denn wir
haben ſo zu ſagen ein Recht, ſie nach un¬
ſerm Maaßſtabe zu meſſen. Selbſt verſtaͤn¬
dige und billige Menſchen enthalten ſich in
ſolchen Faͤllen kaum einer ſcharfen Cenſur.“

„Wenn man dagegen bey andern geweſen
iſt und hat ſie mit ihren Umgebungen, Ge¬
wohnheiten, in ihren nothwendigen unaus¬
weichlichen Zuſtaͤnden geſehen, wie ſie um ſich
wirken, oder wie ſie ſich fuͤgen; ſo gehoͤrt
ſchon Unverſtand und boͤſer Wille dazu, um
das laͤcherlich zu finden, was uns in mehr
als einem Sinne ehrwuͤrdig ſcheinen muͤßte.“

„Durch das was wir Betragen und gute
Sitten nennen, ſoll das erreicht werden, was
außerdem nur durch Gewalt, oder auch nicht
einmal durch Gewalt zu erreichen iſt.“

„Der Umgang mit Frauen iſt das Ele¬
ment guter Sitten.“

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[98/0101] daß wir ſogleich wenn ſie weg ſind, uͤber ſie nicht zum liebevollſten urtheilen: denn wir haben ſo zu ſagen ein Recht, ſie nach un¬ ſerm Maaßſtabe zu meſſen. Selbſt verſtaͤn¬ dige und billige Menſchen enthalten ſich in ſolchen Faͤllen kaum einer ſcharfen Cenſur.“ „Wenn man dagegen bey andern geweſen iſt und hat ſie mit ihren Umgebungen, Ge¬ wohnheiten, in ihren nothwendigen unaus¬ weichlichen Zuſtaͤnden geſehen, wie ſie um ſich wirken, oder wie ſie ſich fuͤgen; ſo gehoͤrt ſchon Unverſtand und boͤſer Wille dazu, um das laͤcherlich zu finden, was uns in mehr als einem Sinne ehrwuͤrdig ſcheinen muͤßte.“ „Durch das was wir Betragen und gute Sitten nennen, ſoll das erreicht werden, was außerdem nur durch Gewalt, oder auch nicht einmal durch Gewalt zu erreichen iſt.“ „Der Umgang mit Frauen iſt das Ele¬ ment guter Sitten.“

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/101>, abgerufen am 06.05.2024.