Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.schrieben; die Pferde standen vor der Thür; Als er beym Wirthshause vorbeyritt, sah ſchrieben; die Pferde ſtanden vor der Thuͤr; Als er beym Wirthshauſe vorbeyritt, ſah <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0274" n="269"/> ſchrieben; die Pferde ſtanden vor der Thuͤr;<lb/> jeden Augenblick mußte er fuͤrchten Ottilien<lb/> irgendwo zu erblicken und zugleich ſeinen<lb/> Entſchluß vereitelt zu ſehen. Er faßte ſich;<lb/> er dachte daß es ihm doch moͤglich ſey, jeden<lb/> Augenblick zuruͤckzukehren und durch die Ent¬<lb/> fernung gerade ſeinen Wuͤnſchen naͤher zu<lb/> kommen. Im Gegentheil ſtellte er ſich Ottilien<lb/> vor, aus dem Hauſe gedraͤngt, wenn er blie¬<lb/> be. Er ſiegelte den Brief, eilte die Treppe<lb/> hinab und ſchwang ſich aufs Pferd.</p><lb/> <p>Als er beym Wirthshauſe vorbeyritt, ſah<lb/> er den Bettler in der Laube ſitzen, den er<lb/> geſtern Nacht ſo reichlich beſchenkt hatte.<lb/> Dieſer ſaß behaglich an ſeinem Mittagsmahle,<lb/> ſtand auf und neigte ſich ehrerbietig, ja an¬<lb/> betend vor Eduarden. Eben dieſe Geſtalt<lb/> war ihm geſtern erſchienen, als er Ottilien<lb/> am Arm fuͤhrte; nun erinnerte ſie ihn ſchmerz¬<lb/> lich an die gluͤcklichſte Stunde ſeines Lebens.<lb/> Seine Leiden vermehrten ſich; das Gefuͤhl<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [269/0274]
ſchrieben; die Pferde ſtanden vor der Thuͤr;
jeden Augenblick mußte er fuͤrchten Ottilien
irgendwo zu erblicken und zugleich ſeinen
Entſchluß vereitelt zu ſehen. Er faßte ſich;
er dachte daß es ihm doch moͤglich ſey, jeden
Augenblick zuruͤckzukehren und durch die Ent¬
fernung gerade ſeinen Wuͤnſchen naͤher zu
kommen. Im Gegentheil ſtellte er ſich Ottilien
vor, aus dem Hauſe gedraͤngt, wenn er blie¬
be. Er ſiegelte den Brief, eilte die Treppe
hinab und ſchwang ſich aufs Pferd.
Als er beym Wirthshauſe vorbeyritt, ſah
er den Bettler in der Laube ſitzen, den er
geſtern Nacht ſo reichlich beſchenkt hatte.
Dieſer ſaß behaglich an ſeinem Mittagsmahle,
ſtand auf und neigte ſich ehrerbietig, ja an¬
betend vor Eduarden. Eben dieſe Geſtalt
war ihm geſtern erſchienen, als er Ottilien
am Arm fuͤhrte; nun erinnerte ſie ihn ſchmerz¬
lich an die gluͤcklichſte Stunde ſeines Lebens.
Seine Leiden vermehrten ſich; das Gefuͤhl
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/274>, abgerufen am 16.07.2024. |