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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

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von deiner Hand, sagte sie, das du vielleicht
ungern verlörest.

Er war betroffen. Verstellt sie sich? dachte
er. Ist sie den Inhalt des Blättchens gewahr
geworden, oder irrt sie sich an der Aehnlichkeit
der Hände? Er hoffte, er dachte das letztre.
Er war gewarnt, doppelt gewarnt, aber diese
sonderbaren zufälligen Zeichen, durch die ein
höheres Wesen mit uns zu sprechen scheint, wa¬
ren seiner Leidenschaft unverständlich; vielmehr
indem sie ihn immer weiter führte, empfand
er die Beschränkung in der man ihn zu hal¬
ten schien, immer unangenehmer. Die freund¬
liche Geselligkeit verlor sich. Sein Herz war
verschlossen, und wenn er mit Freund und
Frau zusammen zu seyn genöthigt war, so
gelang es ihm nicht, seine frühere Neigung
zu ihnen in seinem Busen wieder aufzufinden,
zu beleben. Der stille Vorwurf, den er sich
selbst hierüber machen mußte, war ihm un¬
bequem und er suchte sich durch eine Art von

von deiner Hand, ſagte ſie, das du vielleicht
ungern verloͤreſt.

Er war betroffen. Verſtellt ſie ſich? dachte
er. Iſt ſie den Inhalt des Blaͤttchens gewahr
geworden, oder irrt ſie ſich an der Aehnlichkeit
der Haͤnde? Er hoffte, er dachte das letztre.
Er war gewarnt, doppelt gewarnt, aber dieſe
ſonderbaren zufaͤlligen Zeichen, durch die ein
hoͤheres Weſen mit uns zu ſprechen ſcheint, wa¬
ren ſeiner Leidenſchaft unverſtaͤndlich; vielmehr
indem ſie ihn immer weiter fuͤhrte, empfand
er die Beſchraͤnkung in der man ihn zu hal¬
ten ſchien, immer unangenehmer. Die freund¬
liche Geſelligkeit verlor ſich. Sein Herz war
verſchloſſen, und wenn er mit Freund und
Frau zuſammen zu ſeyn genoͤthigt war, ſo
gelang es ihm nicht, ſeine fruͤhere Neigung
zu ihnen in ſeinem Buſen wieder aufzufinden,
zu beleben. Der ſtille Vorwurf, den er ſich
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[232/0237] von deiner Hand, ſagte ſie, das du vielleicht ungern verloͤreſt. Er war betroffen. Verſtellt ſie ſich? dachte er. Iſt ſie den Inhalt des Blaͤttchens gewahr geworden, oder irrt ſie ſich an der Aehnlichkeit der Haͤnde? Er hoffte, er dachte das letztre. Er war gewarnt, doppelt gewarnt, aber dieſe ſonderbaren zufaͤlligen Zeichen, durch die ein hoͤheres Weſen mit uns zu ſprechen ſcheint, wa¬ ren ſeiner Leidenſchaft unverſtaͤndlich; vielmehr indem ſie ihn immer weiter fuͤhrte, empfand er die Beſchraͤnkung in der man ihn zu hal¬ ten ſchien, immer unangenehmer. Die freund¬ liche Geſelligkeit verlor ſich. Sein Herz war verſchloſſen, und wenn er mit Freund und Frau zuſammen zu ſeyn genoͤthigt war, ſo gelang es ihm nicht, ſeine fruͤhere Neigung zu ihnen in ſeinem Buſen wieder aufzufinden, zu beleben. Der ſtille Vorwurf, den er ſich ſelbſt hieruͤber machen mußte, war ihm un¬ bequem und er ſuchte ſich durch eine Art von

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/237>, abgerufen am 25.11.2024.