Da sollte man mäßig und gleichförmig in al¬ lem seyn, auch im Wohlthun. Eine allzu¬ reichliche Gabe lockt Bettler herbey, anstatt sie abzufertigen; dagegen man wohl auf der Reise, im Vorbeyfliegen, einem Armen an der Straße in der Gestalt des zufälligen Glücks erscheinen und ihm eine überraschende Gabe zuwerfen mag. Uns macht die Lage des Dorfes, des Schlosses, eine solche An¬ stalt sehr leicht; ich habe schon früher darüber nachgedacht.
An dem einen Ende des Dorfes liegt das Wirthshaus, an dem andern wohnen ein Paar alte gute Leute; an beyden Orten mußt du eine kleine Geldsumme niederlegen. Nicht der ins Dorf hereingehende, sondern der hinaus¬ gehende erhält etwas; und da die beyden Häu¬ ser zugleich an den Wegen stehen die auf das Schloß führen, so wird auch alles was sich hinaufwenden wollte, an die beyden Stellen gewiesen.
Da ſollte man maͤßig und gleichfoͤrmig in al¬ lem ſeyn, auch im Wohlthun. Eine allzu¬ reichliche Gabe lockt Bettler herbey, anſtatt ſie abzufertigen; dagegen man wohl auf der Reiſe, im Vorbeyfliegen, einem Armen an der Straße in der Geſtalt des zufaͤlligen Gluͤcks erſcheinen und ihm eine uͤberraſchende Gabe zuwerfen mag. Uns macht die Lage des Dorfes, des Schloſſes, eine ſolche An¬ ſtalt ſehr leicht; ich habe ſchon fruͤher daruͤber nachgedacht.
An dem einen Ende des Dorfes liegt das Wirthshaus, an dem andern wohnen ein Paar alte gute Leute; an beyden Orten mußt du eine kleine Geldſumme niederlegen. Nicht der ins Dorf hereingehende, ſondern der hinaus¬ gehende erhaͤlt etwas; und da die beyden Haͤu¬ ſer zugleich an den Wegen ſtehen die auf das Schloß fuͤhren, ſo wird auch alles was ſich hinaufwenden wollte, an die beyden Stellen gewieſen.
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Da ſollte man maͤßig und gleichfoͤrmig in al¬
lem ſeyn, auch im Wohlthun. Eine allzu¬
reichliche Gabe lockt Bettler herbey, anſtatt
ſie abzufertigen; dagegen man wohl auf der
Reiſe, im Vorbeyfliegen, einem Armen an
der Straße in der Geſtalt des zufaͤlligen
Gluͤcks erſcheinen und ihm eine uͤberraſchende
Gabe zuwerfen mag. Uns macht die Lage
des Dorfes, des Schloſſes, eine ſolche An¬
ſtalt ſehr leicht; ich habe ſchon fruͤher daruͤber
nachgedacht.
An dem einen Ende des Dorfes liegt das
Wirthshaus, an dem andern wohnen ein Paar
alte gute Leute; an beyden Orten mußt du
eine kleine Geldſumme niederlegen. Nicht der
ins Dorf hereingehende, ſondern der hinaus¬
gehende erhaͤlt etwas; und da die beyden Haͤu¬
ſer zugleich an den Wegen ſtehen die auf das
Schloß fuͤhren, ſo wird auch alles was ſich
hinaufwenden wollte, an die beyden Stellen
gewieſen.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/123>, abgerufen am 08.05.2024.
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